Operation Werwolf - Blutweihe. Uwe Klausner

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Operation Werwolf - Blutweihe - Uwe Klausner

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so stand es auf den Plakaten im Wartesaal geschrieben. Oder, noch einfühlsamer: »Licht ist Dein Tod!« Mit Verlaub, das war ja wohl ziemlich daneben, wenn nicht gar makaber. Die Luftwaffe über London, und dann so etwas. Wer da nicht stutzig wurde, bei dem war alles zu spät. Entweder es stimmte und die Nazis waren auf der Siegerstraße, oder es handelte sich um billige Parolen. Wahr oder nicht, im Sprücheklopfen waren die Parteibonzen Meister, das musste ihnen der Neid lassen. Auch wenn es kein Mensch mehr hören konnte, sie selbst am allerwenigsten.

      Eins ließ sich nicht bestreiten, ob mit oder ohne rosa Brille. Der Krieg war längst noch nicht gewonnen, und wenn sich Goebbels auf den Kopf stellte, um den Leuten Sand in die Augen zu streuen. Eines nicht allzu fernen Tages würde der Mephisto des Dritten Reiches die Quittung für das Blendwerk bekommen, darauf ging sie jede Wette ein.

      Gedämpftes Licht, so weit das Auge des Betrachters reichte. Und nur handtellergroße Gucklöcher, um einen Blick aus dem Abteilfenster zu werfen. Merkwürdig, dass sie gerade jetzt, kurz vor dem Einnicken, den Wunsch nach Kontakt zur Außenwelt verspürte. Das sollte mal jemand verstehen, zumal sie jeden Quadratmeter entlang der Strecke kannte. Der Mond, hier und da ein paar Sterne, eine Limousine mit Abblendlicht, wie ein Trugbild von der Dunkelheit verschluckt, Umrisse von Lagerhallen, Fabrikschloten und Mietskasernen, warmes Licht hinter notdürftig abgedunkelten Fenstern, mehr wäre nicht zu erspähen gewesen. Und trotzdem war da dieser Drang, aus dem hermetisch abgeschotteten Abteil zu verschwinden, in Karlshorst oder wo auch immer auszusteigen und den Rest der Strecke zu Fuß zu gehen.

      An sich war der Gedanke absurd, denn wer weiß, was für Typen sich da draußen rumtrieben. Ob an dem Gerücht, ein Serienmörder laufe immer noch frei herum, etwas dran war, nun ja, das wollte sie nicht herausfinden.

      Schuld an dem Schlamassel war der Krieg, mit der Meinung stand sie nicht allein. Selbst hier, in einem Abteil 2. Klasse auf der Strecke zwischen Erkner und dem Ostkreuz, hinterließ der Schlamassel seine Spuren. Um gegen Angriffe aus der Luft gefeit zu sein, so die Flut an Propagandaplakaten, dürfe kein Fitzelchen Licht aufblitzen. So weit, so gut. Das Gleiche galt für ihre Datsche, unweit des Betriebsbahnhofes in Rummelsburg gelegen und nur einen Katzensprung von der Haltestelle entfernt. Raus aus der S-Bahn, im Eiltempo durch die Unterführung, über die Fußgängerbrücke und den asphaltierten Weg am Rand des Bahndamms entlang. Und schon war sie in Nullkommanichts zu Hause. Dort, in der spartanisch möblierten Wohnlaube, hatte sie sich nach ihrer Scheidung mit den Kindern verschanzt, der Not gehorchend – und aus Angst, von einem Choleriker im Suff halb tot geprügelt zu werden.

      »Ihnen ist doch nicht etwa schlecht, oder?«

      Sie verneinte, und beim Klang der sonoren Stimme, Reminiszenz an den Kavalier alter Schule, löste sich ihr Unbehagen in Wohlgefallen auf. Der Mann würde ihr schon nichts tun, und wenn doch, sie würde sich ihrer Haut zu wehren wissen.

      »Bitte!« Zu mehr und einer halbherzigen Geste konnte sie sich nicht durchringen, und als habe er mit nichts anderem gerechnet, nahm der Mann auf der gepolsterten Sitzbank Platz.

      Gepflegte Manieren, stattlich, um nicht zu sagen attraktiv, vom Akzent her zwischen Masuren und Baltikum anzusiedeln, Arier wie aus dem Bilderbuch, dunkle Handschuhe, die Uniform der Reichsbahn tadellos in Schuss, kurzum: die Seriosität in Person. Von finsteren Absichten, geschweige denn Mordlust, keine Spur.

      Hinter allem und jedem den Teufel vermuten, das sah ihr wieder mal ähnlich. Nicht jeder Mann, der mit der S-Bahn fuhr, hatte es auf Frauen abgesehen. Und nicht jeder Mann war so brutal wie das versoffene Wrack, auf das sie vor achteinhalb Jahren reingefallen war.

      Das nur zum Thema Ängste, von denen sie ganze Arien schmettern konnte. Dass es jedoch Männer gab, die ihre schlimmsten Befürchtungen übertrafen, darauf wäre sie nie gekommen.

      Auch jetzt nicht, trotz ungutem Gefühl.

      Um auf Distanz zu gehen, warf sie einen Blick auf die Uhr. Im kalten Zwielicht, das dem Ambiente einen bizarren Beigeschmack verlieh, konnte sie die Ziffern zwar kaum erkennen. Doch die Geste erfüllte ihren Zweck.

      Zumindest vorübergehend.

      Schwarze Handschuhe, und das bei milden Temperaturen. Die rechte Hand deutlich größer als die linke, spitz wie die Klauen eines Wolfs. Und dann erst dieser Blick, fast wie bei Peter Lorre im Film »M«. Es war zwar schon ziemlich lange her, seit sie ihn im Kino gesehen hatte, doch an die Glubschaugen des Mörders konnte sie sich noch genau erinnern. Damals hatten sie ihr eine Höllenangst eingejagt, so sehr, dass sie Albträume davon bekam.

      Welchen Untertitel hatte der Film doch gleich gehabt?

      Genau.

      »Eine Stadt sucht einen Mörder«.

      Und jetzt das.

      Von Panik gepackt, atmete sie heftig durch. Besser, sie stieg am nächsten Bahnhof aus. 17 Minuten Fahrzeit, von der höchstens die Hälfte verstrichen war, konnten ziemlich lang werden. Zwei Kilometer und ein paar Zerquetschte zu Fuß, es gab weiß Gott Schlimmeres auf der Welt.

      In der Tat, das gab es.

      Weit Schlimmeres sogar.

      Doch davon ahnte sie in dem Moment, als der Zug den S-Bahnhof in Karlshorst hinter sich ließ, noch nichts.

      Dann aber war da plötzlich dieser Geruch, den der Mann im Halbdunkel verströmte.

      Und die Pupillen der hervortretenden Augen. Vom halblauten Flüstern, aufgrund der Fahrgeräusche kaum zu verstehen, nicht zu reden: »Welch ein Zittern, welch ein Beben, wenn zu richten alles Leben, sich der Richter wird erheben.«

      »Verzeihung, haben Sie es mit mir?«

      Wie aus dem Schlaf gerissen, fuhr der Unbekannte in die Höhe. »Schon möglich«, murmelte er vor sich hin, Worte, die wie eine versteckte Drohung klangen. »Nur Geduld, ich bin noch am Überlegen.«

      Kölnisch Wasser, vermischt mit erkaltetem Schweiß, maskulinen Ausdünstungen und dem Geruch von Doppelkorn, bei dem es ihr glatt den Magen umdrehte. Ein Hauch von erkalteter Asche, Schmieröl und Kohlestaub nicht zu vergessen.

      Von wegen Kavalier der alten Schule. So naiv, um dies ernsthaft anzunehmen, hatte auch nur sie sein können.

      Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten.

      Urplötzlich, als könne er Gedanken lesen, schwang ihr Peiniger eine Art Knüppel über den Kopf, und sie ertappte sich bei dem Gedanken, wo er ihn auf einmal herhatte. Sekundenbruchteile später, das Schrillen des Signalhorns im Ort, welches wie das Menetekel ihres Martyriums anmutete, sauste die Hiebwaffe aus Hartgummi auf sie nieder. Halb benommen betastete sie ihren Hinterkopf, riss den Unterarm hoch und drehte sich reflexartig nach rechts.

      Vergebens.

      Schlag folgte auf Schlag, auf die Schulter, ins Gesicht, auf den Unterarm und die Fläche der linken Hand.

      Doch damit nicht genug. Kaum war ihre Gegenwehr erlahmt, zielte der Unbekannte auf den Kopf, immer und immer wieder, vor Wut, die sein Gesicht in eine hasserfüllte Fratze verwandelte, nicht zu bändigen.

      Und dann, als sie blutüberströmt auf dem Mittelgang kauerte, einen durchdringenden, dem Kreischen einer Motorsäge ähnelnden Pfeifton im Ohr, hatte ihre letzte Stunde geschlagen.

      Als habe er alle Zeit der Welt, entledigte sich der Unbekannte seiner Uniformjacke, hängte sie an einen Haken und zog seinen dunklen Lederhandschuh aus, zuerst den linken, und dann, die

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