Mühlviertler Grab. Eva Reichl
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»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Mirscher.
»Prüft das nach! Denn wenn es in Linz nicht geregnet hat, heißt das noch lange nicht, dass das in St. Oswald auch der Fall gewesen ist«, befehligte Stern und widmete sich den Händen des Opfers. »Hier! Er hat eindeutig Abwehrverletzungen. Seine Fingerkuppen sind wundgescheuert.« Stern deutete auf die Hände des Toten. »Jedoch dort, wo die Kabelbinder sind, kann ich keine Verletzungen erkennen. Sie haben sich nicht ins Fleisch gegraben.«
»Das bedeutet, dass der Täter die Hände des Opfers erst nach dessen Tod mit Kabelbindern festgezurrt hat«, meldete sich Weber zu Wort. »Außerdem hat er einen Schlag auf den Hinterkopf abbekommen. Das ist zwar nicht auf Anhieb auszumachen, da er nur eine Beule und eine kleine Platzwunde hat, aber ich bin mir sicher, wenn ich ihm den Schädel öffne, dass das umliegende Gewebe, und vielleicht auch die Schädeldecke, meine Vermutungen bestätigen werden.«
»Kann die Kopfverletzung von einem Sturz stammen?«
»Eher unwahrscheinlich. Da sie weit oben am Kopf ist, müsste das Opfer schon ziemlich blöd gefallen sein«, zeigte sich Weber hinsichtlich dieser Theorie skeptisch. »Aber wie sag ich immer: Es gibt nichts, was es nicht gibt.«
»Ist er an dem Schlag gestorben?«, fragte Stern weiter, ohne auf Webers von sich gegebene Kalender-Weisheit einzugehen.
»Das kann ich dir nicht sagen«, antwortete der Gerichtsmediziner. »Was ich dir bislang erzählt habe, war eine Ferndiagnose, weil ich das Opfer noch nicht anrühren durfte. Deine Kollegen wollten ja unbedingt, dass du es so siehst, wie es der Täter für uns zurückgelassen hat.«
»Für uns? Dann sendet er uns deiner Meinung nach eine Botschaft?«, hakte Stern nach. Auch wenn er und Weber sich oftmals uneins waren und sie dieser »Wer-als-Erster-am-Tatort-ist-Wettstreit« zu Konkurrenten machte, interessierte ihn dessen Meinung. Schon allein deswegen, da Weber heute noch keinen abfälligen Kommentar, weil Stern nach ihm am Friedhof eingetroffen war, abgelassen hatte. Dieser ständige Schlagabtausch gehörte zu jedem neuen Fall dazu wie ein Semmelknödel zu einem ordentlichen Schweinsbraten.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht«, entwand sich Weber einer Bestätigung dessen, was er zuvor angedeutet hatte. »Es kann nämlich durchaus sein, dass der Tote nur ein Stoßgebet zum Himmel schicken wollte, damit du ein wenig beherzter aufs Gaspedal drückst und als Erster am Tatort erscheinst.« Weber grinste. Die endlich ausgesprochene Stichelei des Gerichtsmediziners brachte Sterns Weltbild, wie die Dinge zwischen ihnen beiden standen, wieder in Ordnung, wenngleich Webers nächste Frage ihn erneut unter Strom setzte: »Wieso bist du überhaupt so spät dran? Du wohnst ja allein, da müsste es demnach doch viel schneller gehen, dass du hier bist.«
Webers Frage ignorierend sagte Stern patzig: »Wenn du eh schon so lange vor mir dagewesen bist, kannst du mir sicher sagen, wann unser Opfer gestorben ist.« Denn natürlich ärgerte es ihn, dass Weber vor ihm in St. Oswald eingetroffen war, wie es ihn auch ärgerte, dass die Katzenfamilie Schuld daran trug, dass er morgens immer etwas länger brauchte, bis er die Wohnung verlassen konnte. Aber er wollte seinen Kollegen natürlich nicht auf die Nase binden, dass er, der beinharte Chefinspektor der Mordgruppe am Landeskriminalamt Oberösterreich in Linz, nicht in der Lage war, eine fremde Katzenfamilie in ein Tierheim zu verfrachten. Wie ließe ihn das denn dastehen? Da war es besser, die Kollegen stellten wegen seiner seit Wochen beinahe täglichen Verspätungen irgendwelche Spekulationen an, die ohnehin nicht zutrafen.
»Das könnte ich, wenn ich ihn mir mal genauer ansehen dürfte«, konterte Weber sofort.
Nachdem der Polizeifotograf Fotos vom Leichenfundort gemacht hatte, gab Stern dem Gerichtsmediziner zu verstehen, dass der Tote ihm gehörte. Weber kniete sich zu dem Opfer hinab und begann mit der Untersuchung vor Ort. Dafür öffnete er seinen mitgebrachten Koffer und zog Skalpell und ein Thermometer heraus, um zu allererst die Temperatur des Leichnams zu messen, die er für die Bestimmung des Todeszeitpunktes benötigte.
»Nehmen Sie sich Webers Sticheleien nicht so zu Herzen«, sagte Grünbrecht nahe Sterns Ohr, während sie beobachteten, wie der Gerichtsmediziner die Leiche in eine waagrechte Position brachte, ihr einen kleinen Schnitt im Rumpf verpasste und das Thermometer einführte, um die Temperatur der Leber zu messen.
»Das tue ich nicht«, gab Stern erstaunt zurück. Bislang hatte er angenommen, dass er seine aufwallenden Emotionen Weber gegenüber stets gut im Griff gehabt und vor den anderen hatte verbergen können. Wie es aussah, war das nicht der Fall.
»Dann ist es ja gut«, erwiderte Grünbrecht. »Gibt es vielleicht etwas, das Sie uns erzählen möchten? Warum Sie in letzter Zeit immer so spät dran sind?«, nutzte sie die Gelegenheit, solange sie auf Webers Einschätzung des Todeszeitpunktes warteten, ihn ihrerseits auf sein vermeintliches Geheimnis anzusprechen. Stern fiel auf, dass die anderen Kollegen unauffällig näherkamen. Anscheinend wollten sie mithören, was er antwortete.
»Nicht, dass ich wüsste«, brummte er.
»Eine Frau vielleicht?«, sprach Mirscher aus, was alle dachten.
»Ihr spinnt ja!«, fuhr Stern ihn an.
»Das würde erklären, warum du jeden Tag als Letzter ins Büro kommst«, schloss sich Kolanski der scheinbaren Verschwörung an.
»Interessiert sich vielleicht noch jemand für den Toten? Oder wollen alle lieber über Sterns Liebesleben plaudern?«, fragte Weber leicht pikiert, während er die Leiche weiter untersuchte.
Stern schüttelte ob der Spinnereien der Kollegen den Kopf und bat den Gerichtsmediziner, er möge doch bitte seine Erkenntnisse mit ihnen teilen.
»Der Todeszeitpunkt ist keine zwölf Stunden her, eher zehn. Die Leichenflecken an Beine und Gesäß sind voll ausgeprägt und konfluiert, lassen sich aber noch wegdrücken. Die Totenstarre ist am ganzen Körper ausgebildet, das bedeutet, dass der Tod vor mindestens acht Stunden eingetreten ist. Das alles deckt sich mit der Körpertemperatur, die bei diesen Temperaturen – in der Nacht hatte es an die 10 Grad – im Durchschnitt um 0,5 Grad Celsius pro Stunde sinkt. Zusammengefasst würde ich meinen, dass der Todeszeitpunkt zwischen 23 Uhr und 1 Uhr liegt«, gab Weber das Ergebnis seiner Untersuchung bekannt.
»Todesursache?«, fragte Stern knapp.
»Das Opfer ist erstickt oder ertrunken«, sagte Dominik Weber.
»Ertrunken?«, echote Stern.
»Ja. Oder erstickt. Petechiale Stauungsblutungen weisen darauf hin. Sie sind zwar nur gering ausgebildet, aber das könnte daran liegen, dass das Opfer nicht die Möglichkeit hatte, während des Todeskampfes nach Luft zu schnappen.«
»Was heißt ertrunken?«, hakte Stern nach und sah sich demonstrativ um. »Wir sind auf einem Friedhof, da gibt es nichts, wo man ertrinken könnte.«
»Dort drüben bei dem Kreuz ist ein Trog«, sagte Grünbrecht.
»Und? Ist Wasser drin?«
»Staubtrocken«, ließ ihn die Gruppeninspektorin wissen.
»Das ist dann wohl euer Problem«, erwiderte Weber. »Und nicht meines.«
»Seine inzwischen angetrockneten Haare und die bis zur Brust feuchten Klamotten sprechen für Webers Theorie«, schloss sich Grünbrecht der Meinung des Gerichtsmediziners an und deutete auf die unterschiedliche Farbgebung der Kleidung. »Seht ihr die dunklen Flecken auf dem Hemd? Die reichen bis zur Brust