Mühlviertler Grab. Eva Reichl
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»Haben Sie jemanden auf dem Friedhof gesehen, der Ihnen verdächtig vorkam?«
»Na! Zu so früher Stund’ sind noch keine Leut’ auf ’m Friedhof. Da bin ich immer allein«, erklärte Blöchinger. Er wirkte nun etwas entspannter als zu Beginn der Befragung.
»Was haben Sie eigentlich so früh hier gemacht?«, wollte Grünbrecht von dem Totengräber wissen.
»Ich hab ja schon g’sagt, dass ich ein Grab ausheben muss, für die alte Frau, die vor ein paar Tagen g’storben ist. Die ist friedlich entschlafen. Zumindest denken das alle, weil wiss’n tut man so etwas ja eigentlich nie«, erwiderte Blöchinger.
»Gibt es einen begründeten Anlass für diese Spekulation?«, fragte Stern. Ein zweites Opfer würde ihm gerade noch fehlen.
»Nein! Aber wiss’n tut man es trotzdem net.«
Stern verdrehte ungewollt die Augen. »Dafür gibt es die Totenbeschau, Herr Blöchinger. Damit alles seine Ordnung hat und keine Gewalttat als natürlicher Tod durchgeht.«
»Kann ich weiterarbeit’n? Am Nachmittag ist das Begräbnis der Frau, und da muss ich mich wirklich beeilen, dass ich das schaff’«, erklärte der Totengräber. »Das ist nämlich net klass’, wenn die Familie kommt und den Sarg net in die Erde reinlassen kann. Stellen S’ Ihnen das mal vor!«
»Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass das Begräbnis am Nachmittag überhaupt stattfinden kann. Der Friedhof ist schließlich ein Tatort, und wir müssen zuerst alle Spuren sichern«, sagte Stern.
Der Totengräber nahm die Nachricht mit Bestürzung auf. »Das geht net! Bei uns ist noch nie ein Begräbnis abg’sagt word’n! Das ist ja net wie ein Konzert oder eine Party. Das ist eine Leich’, und die Leich’ vergammelt, wann die net unter die Erd’ kommt.« Auf seinem Gesicht wechselten Unglaube und Entsetzen einander ab. Anscheinend konnte er Sterns Worte nicht glauben, noch viel weniger wollte er sie an die Betroffenen weiterleiten, die dadurch vor einem unangenehmen Problem stünden, wofür Stern dann doch Verständnis aufbrachte.
»Wo wollen Sie denn graben?«, frage er.
»Dort drüben, gleich hinter dem schönen Kreuz von unser’m Herrn Pfarrer. Dort, wo die neuen Gräber alle sind. Dort muss ich graben.« Blöchinger deutete in die angesprochene Richtung, hinüber in den neuen Teil des Friedhofes, wo eine grüne Rasenfläche zu sehen war. Offensichtlich hatte man in St. Oswald vorgesorgt und den Friedhof erweitert, damit jeder Tote seinen Platz in geweihter Erde fand.
»Das ist okay. Wenn Sie in diesem Teil des Friedhofes bleiben, dürfen Sie das Grab ausheben«, entschied Stern und ließ den Totengräber ziehen. Er war zweifelsohne ein einfacher Mann, jedoch einer, der seine Arbeit äußerst ernst nahm.
2. Kapitel
Chefinspektor Oskar Stern und Gruppeninspektorin Mara Grünbrecht kehrten nach der Befragung des Totengräbers zurück zur Fundstelle der Leiche. Stern inspizierte die Grabstätte erneut und rätselte, was der Täter mit der Positionierung des Opfers hatte ausdrücken wollen, welche Botschaft dahintersteckte und ob das Opfer und die Tote in dem Grab einander gekannt hatten.
»Paula Eckinger«, las er die Inschrift auf dem Grabstein laut vor. »Sie ist nur 29 Jahre alt geworden.«
»Glauben Sie, dass es eine Verbindung zwischen unserem Opfer, diesem Oliver Koch, und Paula Eckinger gibt?«, griff Grünbrecht seine Überlegungen auf.
»Wir sollten herausfinden, wie die Frau gestorben ist und ob sie Koch gekannt hat.«
»Okay.« Grünbrecht wollte sich schon an die Beschaffung der Informationen machen, als Stern sie zurückhielt.
»Mirscher und Kolanski sollen das erledigen, und sie sollen sich auch umhören, wie Koch als Politiker gewesen ist. Ob er beliebt war oder nicht. Wir beide fahren zu diesem Bründl, von dem Kolanski gesprochen hat.«
»Wieso das …? Ich dachte, Sie glauben eh nicht …«
»Ich will ausschließen, dass wir etwas übersehen. Auch wenn das mit dem Bründl unwahrscheinlich ist. Aber wir suchen nach etwas, in dem das Opfer ertrunken sein könnte, so wie Weber behauptet hat«, erklärte Stern seine Beweggründe. »Und wenn wir bei diesem Bründl Kampfspuren finden, haben wir vielleicht den Tatort. Denn auf dem Grab ist Koch sicher nicht ertrunken. Und auf dem Friedhof sehe ich auch sonst nichts, wo Wasser drinnen ist. Der Trog unter dem Kreuz ist ja leer.«
»Okay, Chef. Wir nehmen meinen Wagen«, schlug Grünbrecht vor und googelte bereits im Gehen alles Wissenswerte über das Maria Bründl im Exenholz, das gut zwei Kilometer außerhalb von St. Oswald in einem ausgedehnten Waldstück lag. Während sie den Motor des BMW startete, setzte sie Stern darüber in Kenntnis, was sie im weltweiten Netz in Erfahrung gebracht hatte. »Anscheinend gibt es zu diesem Bründl eine Geschichte. Ein Holzfäller hat sich schwer bei der Arbeit verletzt. Anschließend hat er mit dem Wasser die Wunde behandelt und ist rasch genesen.«
»Zufall«, brummte Stern.
»Diese Heilung war nur die erste. Ab da an sind ständig Menschen zu der Quelle gepilgert und wurden von ihren Leiden erlöst«, berichtete Grünbrecht weiter, was im Internet geschrieben stand.
»Ach was! Wir Menschen klammern uns in der Not an alles Mögliche. Der Glaube an dieses Wasser aktiviert die Selbstheilungskräfte, und die haben diese Menschen, von denen da geschrieben steht, gesund werden lassen. Und nicht das Wasser, das angeblich irgendwelche Heilkräfte besitzt.« Stern hielt nicht viel von solchen Dingen. Schon gar nicht, wenn es keine Beweise gab, sondern nur Aussagen von den angeblich Geheilten, die seines Erachtens nicht in der Lage waren, objektiv Zeugnis abzulegen. Mit Zeugenaussagen hatte er im Laufe seiner Dienstzeit so seine unliebsamen Erfahrungen gemacht. Einmal hatte ein Zeuge sogar beim Leben seiner Mutter geschworen und einen bestimmten Menschen als Täter identifiziert, der jedoch zur Tatzeit nachgewiesen in China gewesen war.
»Es gibt dort eine Kapelle«, erzählte Grünbrecht, als sie die Ortstafel passierten und sich der Wald vor ihnen ausbreitete. »Wenn ich mich richtig daran erinnere, was ich eben im Internet gelesen habe, hat man sie um 1696 erbaut. Der Altar kam erst viel später hinzu, von irgendjemandem aus Ottensheim.«
»Einem gewissen Meister Kepplinger«, ergänzte Stern.
Grünbrecht spähte neugierig zu ihrem Chef hinüber und war überrascht, dass er den Namen jenes Mannes kannte, der den Altar der Kapelle erschaffen hatte. Weder stufte sie Stern als besonders gläubig noch als geschichtlich interessiert ein.
»Tja, da staunen Sie, Grünbrecht, was? Auch ich kann mit einem Handy mehr tun, als bloß zu telefonieren.« Stern hielt sein Smartphone in die Höhe, auf dem die Seite der Gemeinde St. Oswald über das Maria Bründl geöffnet war, und wedelte damit herum. Nur mit dem Lesen tat er sich schwer. Er brauchte eine Brille, war ihm seit Längerem klar, aber irgendwie sträubte er sich, diese Tatsache zu akzeptieren. Mit einer Brille, so glaubte er, wäre er dem Pensionsantritt noch näher als ohne, und mit seinen 59 Jahren fühlte er sich dem Rentnerdasein ohnehin schon viel zu nahe. Deshalb hatte er die Schriftgröße auf seinem Handy auf Maximum gestellt, um die Informationen halbwegs entziffern zu können. »Im Jahr 1680 ließen die damaligen Herrscher von Weinberg eine Badeanlage bei der Quelle errichten, 1761 wurde