Mühlviertler Grab. Eva Reichl
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Doch dem war nicht so. »Was will ich?«, fragte Grünbrecht.
»Na, ein Kind!«, platzte Stern heraus.
»Was hat der Fall damit zu tun, ob ich ein Kind will?« Grünbrecht zog verständnislos die Stirn in Falten.
»Nichts. Ich wollte nur wissen, ob Sie mal Kinder haben wollen«, erklärte Stern gereizt. Über so etwas zu reden fiel ihm nicht leicht, schon gar nicht mit Grünbrecht. Dennoch fühlte er sich jetzt, wo die Sache ausgesprochen war, irgendwie erleichtert.
Grünbrecht schmunzelte. Endlich hatte sie verstanden, auf was ihr Chef hinauswollte. »Natürlich will ich mal Kinder haben, ich finde diesen Wunsch ganz normal. Aber zuerst werden Edwin und ich heiraten.«
Stern wusste nicht, ob er erleichtert sein sollte oder nicht. Die Entscheidung, wer von den beiden nach der Hochzeit das Team verlassen musste, nahm ihm Grünbrechts Antwort jedenfalls nicht ab. Er wollte nicht weiter nachhaken, da ihm das Gespräch unangenehm war und er jetzt sowieso nichts ändern konnte. Außerdem machte sich sein Magen wieder bemerkbar und schickte Geräusche die Speiseröhre empor, die dem Brummen eines Bären ähnelten. Er entschied, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, um Kolanski und Mirscher im ortsansässigen Gasthaus zu treffen und seiner schlechten Laune mit einem saftigen Schweinsbraten samt Kraut und Semmelknödel ein Ende zu bereiten.
Eine Viertelstunde später betraten er und Grünbrecht die Gaststube. Gemütliches Flair empfing sie, ebenso wie aufgeregte Wirtsleute, die natürlich alles über den Mord wissen wollten.
Mit den Worten »Laufende Ermittlungen« erklärte Stern ihnen, warum sie nichts erzählen durften, und setzte sich an einen freien Tisch. Dort wurden sie von der hiesigen Stammtischrunde misstrauisch beäugt.
»Mirscher und Kolanski kommen gleich«, informierte ihn Grünbrecht nach einem Blick auf ihr Handy und blätterte anschließend in der Speisekarte. Stern hielt seine Karte eine Armlänge von sich gestreckt, um sie besser studieren zu können. Diese verdammte Altersweitsichtigkeit war in den letzten Wochen rapide fortgeschritten. Wenn er nicht irrte und er die verschwommene Aneinanderreihung von Buchstaben richtig interpretierte, war das erste Gericht auf der Speisekarte ein Schweinsbraten mit Semmelknödel. Seine Lieblingsspeise. Die würde er nehmen. Also brauchte er gar nicht weiterzulesen.
»Die Ehefrau als Täterin können wir wohl ausschließen«, ließ er die Begegnung mit Silvia Koch Revue passieren und klappte die Speisekarte zu. Mit der Bestellung wollten sie bis zum Eintreffen der Kollegen warten. Vorausgesetzt, das dauerte nicht mehr allzu lange.
»Das denke ich auch«, schloss sich Grünbrecht seiner Meinung an. »Trotzdem sollten wir nachher noch einmal zu ihr fahren und mit ihr reden. Vielleicht hat sie ja einen Verdacht, wer ihrem Mann das angetan haben könnte, und vor allem warum.«
»Das machen wir«, brummte Stern und rieb sich die Hände. In dem Gasthaus duftete es verführerisch, und Sterns Verlangen, seinen Hunger zu stillen, wuchs von Sekunde zu Sekunde weiter an. »Wo bleiben bloß Mirscher und Kolanski? Ich verhungere …«
Im selben Augenblick schwang die Tür der Gaststube auf und die Kollegen traten ein.
Stern war erleichtert. »Wenn man vom Teufel spricht.«
Grünbrecht lächelte den Eintretenden entgegen. Ein angedeuteter Kuss flog durch die Luft, was Stern einen Seufzer entriss. Mirscher setzte sich neben seine Verlobte, Kolanski nahm neben dem Chefinspektor Platz. Der bestellte nun endlich seinen geliebten Schweinsbraten, Grünbrecht wie üblich einen Salat und Mirscher ein Kotelett nach Mühlviertler Art mit Speck und Champignons. Kolanski begnügte sich mit einer Suppe und begründete seine Zurückhaltung mit dem durch den Mordfall einhergehenden Zeitmangel, genügend Sport treiben zu können, weshalb er bei gleichbleibendem Verzehr von Speisen an Gewicht zulegen würde. Das wolle er auf gar keinen Fall. Stern, dem Kolanskis Sportleidenschaft schon immer schleierhaft gewesen war, ließ sich den Appetit deswegen nicht verderben und orderte noch einen Semmelknödel extra zu seinem Schweinsbraten.
»Was habt ihr über das Opfer herausgefunden?«, begann er mit der Besprechung des Falls.
»Oliver Koch war so etwas wie eine jüngere Ausgabe von Donald Trump. Jähzornig, hat jeden Furz getwittert. Unberechenbar soll er gewesen sein und frauenverachtend«, kam Kolanski ebenfalls gleich zur Sache.
»Muss man heutzutage so sein, um gewählt zu werden?«, stieß Grünbrecht verächtlich aus.
»Er hat gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in dem ehemaligen Gasthaus Maria Bründl gewettert, das zuvor leer gestanden hat. Das hat ihm nicht nur Freunde beschert, haben mir die St. Oswalder erzählt. Der Großteil der Bevölkerung steht der Aufnahme von Flüchtlingen nämlich positiv gegenüber«, redete Mirscher weiter.
Schon wieder dieses Maria Bründl, dachte Stern, und seine Gedanken schweiften kurz zu seinem Selbstversuch mit dem radonhaltigen, angebliche Heilkräfte besitzenden Wasser ab. Er schaute aus dem Fenster auf das gegenüberliegende Haus, an dem ein Reklameschild befestigt war, um zu testen, ob seine Sehkraft sich inzwischen verbessert hatte. Als er keine Veränderung bemerkte, versuchte er erneut, den Text auf der Speisekarte zu entziffern, was ihm jedoch ebenso schwerfiel. Also hatte sich weder an seiner Kurzsichtigkeit noch an seiner Altersweitsichtigkeit etwas geändert.
»Bei einem Teil der Österreicher hätte ihm das große Sympathie eingebracht«, spuckte Grünbrecht angewidert aus. Es war ihr anzusehen, was sie davon hielt. »Ich verstehe nicht, was in unserem Land los ist. Uns geht’s doch gut, so gut wie schon lange nicht mehr. Wir haben ein funktionierendes Sozialsystem, sodass kaum jemand unter den Rost fällt, und dennoch verlangen viele Österreicher nach dem rechten Lager, einem ›starken Mann‹.«
»Eine seltsame Entwicklung, wie auch die Art des Todes von unserem Opfer seltsam ist«, lenkte Stern das Gespräch wieder auf ihren Fall.
»Ertrunken auf einem Grab«, brachte Kolanski es auf den Punkt.
»Das steht noch nicht fest«, warf Stern ein.
»Aber wie die Dinge liegen, ist es wahrscheinlich.«
Dem wusste Stern nichts entgegenzusetzen. Dennoch würde erst Webers Obduktion der Leiche Gewissheit bringen.
»Der Fundort ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Tatort«, sagte Mirscher. »Wir wissen noch immer nicht, wo das Opfer getötet wurde.«
Die Unterhaltung verstummte, weil das Essen serviert wurde. Ein saftiger Schweinsbraten samt drei Semmelknödel wanderte vor Stern auf den Tisch, und ihm lief der Speichel im Mund zusammen. Dass diese Mahlzeit die letzte für lange Zeit sein würde, wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht.
3. Kapitel
Nach dem Essen fuhren Stern und Grünbrecht erneut zu Silvia Koch in der Hoffnung, dass die Wirkung des Beruhigungsmittels inzwischen eingesetzt hatte und sie ihr ein paar Fragen stellen konnten. Als die Kriminalbeamten im Haus der Kochs eintrafen, lag die Witwe auf der Couch im Wohnzimmer, mit einer Decke bis zu den Schultern eingehüllt, und starrte vor sich hin. Stern war nicht sicher, ob sie ihre Anwesenheit überhaupt registrierte.
»Frau Koch?«, fragte er und berührte sie sanft am Arm.
Die Angesprochene hob den Kopf und blickte ihn mit geröteten Augen an.
»Ich