Wiener Bagage. Andreas Pittler

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Wiener Bagage - Andreas Pittler

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kein Italienisch, da hätt’ ich kein Wort verstanden. Jetzt aber bin ich im Bilde.« Dabei lächelte er sphingenhaft, was der Doleschal nicht entging.

      »Was denken S’ denn g’rad?«, fragte sie.

      »Na ja, der Rigoletto ist schuldig nach Paragraph 5 in Verbindung mit den Paragraphen 134 und 135 StG, Anstiftung zum Mord, und der Herzog ist schuldig nach Paragraph 128 StG, Schändung einer Minderjährigen. Jetzt ist das Ganze für mich auch dienstliche Fortbildung und nicht nur kultureller Genuss.«

      Doleschal sah geradeaus und sagte nichts. Der Scherz, so musste er sich eingestehen, war ein Rohrkrepierer gewesen. Aber das passte vielleicht durchaus zum bevorstehenden Abend. ›Rigoletto‹ war ja offensichtlich auch eine Tragödie, und die Architekten des Opernhauses hatten gleichfalls kein gutes Ende genommen. Soweit Bronstein sich entsann, war der eine dem Wahnsinn verfallen, während sich der andere selbst entleibt hatte.

      Doch all das zählte nicht mehr, als er den schüchternen jungen Rumänen erblickte, der den Rigoletto spielte. Bronstein hätte niemals geglaubt, dass ihn eine Stimme, zumal eine männliche, so zu fesseln vermochte. Er wurde von einer tiefen Traurigkeit umfangen, als die Vorstellung zu Ende war. Und er beschloss, künftighin öfter in die Oper zu gehen, insbesondere, wenn dieser Grozavescu auf der Bühne stand. Dass die Doleschal seine Ansicht am Heimweg teilte, fand er dabei durchaus erfreulich, denn sie hatte sich als überaus charmante Begleitung entpuppt. Wer weiß, dachte Bronstein, als er seiner Wohnung zustrebte, vielleicht bahnte sich da ja etwas an. Gleich darauf schalt er sich selbst für seinen völlig unbegründeten Optimismus. Und während er die Treppe emporstieg, ertappte er sich dabei, wie er »Oh wie so trügerisch, sind Frauenherzen« trällerte.

      IV.

      Als Bronstein am nächsten Morgen den Weg zum Büro einschlug, musste er immer noch an die Doleschal denken. Sie hatte zwar mehr von Grozavescu geschwärmt, doch vielleicht lag gerade darin eine Möglichkeit, ihr eine Gefälligkeit zu erweisen. Aus alter Routine heraus wusste er, dass Opernsänger am Vormittag immer Probe hatten, und so beschloss er kurzerhand, den Rumänen abzufangen und ihn um ein Autogramm für das Fräulein Doleschal zu bitten. Üblicherweise waren diese Künstler doch allesamt eitle Gesellen, sodass sie sich stets geschmeichelt fühlten, wenn man sie bat, ihren Namenszug irgendwohin zu setzen. Mit diesem Präsent gedachte Bronstein sodann, sich in die Registratur zu begeben. Ihm gefiel sein Plan ausnehmend gut, und so sagte er Pokorny, er solle die Stellung halten, denn er, Bronstein, habe eine Besorgung zu erledigen.

      Für einen Polizisten war es eine Leichtigkeit, in den Künstlerbereich vorzudringen. Sicher, objektiv beging er Amtsmissbrauch, als er am Eingang die Kokarde hob und erklärte, er müsse Grozavescu sprechen, doch derartige kleine Manöver fielen schlimmstenfalls unter »Kavaliersdelikt«. Jedenfalls verfehlte seine Legitimation nicht die erhoffte Wirkung. Der Portier griff umgehend zum Telefon und schickte sich an, Bronstein zu melden. Dann aber folgten ein ernstes Gesicht und ein längeres Schweigen. Der Portier legte auf und richtete seinen Blick auf den Major. »Der Herr Grozavescu ist heute entgegen seinen Gepflogenheiten nicht bei der Probe erschienen.«

      »Mein Gott, es wird doch nicht am Ende etwas Ernstes sein?«

      »Mit Verlaub, Herr Inspektor, das glaube ich nicht. Der Herr Grozavescu hat ein Gastspiel in Berlin, und soviel ich gehört habe, reist er heute Abend dorthin ab. Vielleicht ist er also einfach zu Hause geblieben, um zu packen.«

      Bronstein bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. Dann folgte er einer spontanen Eingebung. »Und zu Hause wäre dann wo?«

      »Aber Herr Inspektor. Das darf ich Ihnen doch gar nicht sagen.«

      »Ich bin die Polizei. Mir dürfen Sie nicht alles sagen, mir müssen Sie alles sagen«, versuchte es Bronstein mit einem gerüttelt Maß an Autorität. Dabei starrte er den Portier mit zusammengekniffenen Augen an, sodass dieser tatsächlich zu transpirieren begann.

      »Lerchenfelder Straße 62«, sagte er knapp.

      »Na bitte«, schnalzte Bronstein mit der Zunge, »geht doch.«

      Mit federndem Schritt legte er die wenigen Meter zur Zweierlinie zurück, auf welcher er dann zügig bis zur Lerchenfelder Straße marschierte. Dort angekommen bog er links ab und hielt nun auf den Gürtel zu. Gute zehn Minuten später hatte er das Haus erreicht, in dem der Sänger wohnte. Er öffnete das Portal, warf wieder einmal einen Blick auf das Parteienverzeichnis und suchte sodann die entsprechende Wohnung auf.

      Zu diesem Zeitpunkt kamen ihm erstmals Zweifel über sein Tun. Konnte er, ein kleiner Kieberer, einfach so einen großen Künstler zu Hause überfallen, um diesen um eine persönliche Gefälligkeit zu bitten? Doch, so fand er, wo er schon so weit gegangen war – buchstäblich –, sollte er die Sache auch zu Ende bringen. Er atmete tief durch und klopfte dann an.

      Eine erstaunt dreinblickende Frau öffnete ihm. Er beschloss, sich mit seiner Dienstmarke zu legitimieren, um nicht als gewöhnlicher Verehrer dazustehen, und fragte dann, ob der Hausherr zugegen sei. Dies schien die Frau nur noch mehr zu verwirren. »Aber der ist doch in der Oper …«, kam es schleppend aus ihrem Munde.

      Bronstein wollte bereits dazu ansetzen, der Frau auseinanderzusetzen, dass er eben von dort komme, den Künstler jedoch nicht angetroffen habe. Doch irgendetwas riet ihm, den Satz ungesagt zu lassen. Wenn Grozavescu seiner Frau erklärt habe, er gehe in die Oper, dies dann aber unterlassen hatte, so gab es dafür wohl Gründe, die ihn, Bron­stein, nun einmal gar nichts angingen. Es war schon dreist genug, einen Opernsänger zu Hause aufzusuchen, um ein Autogramm von ihm zu erhalten, hernach aber auch noch eine Ehekrise zu provozieren, überspannte fraglos jeden Bogen. »Ach so«, meinte er daher, »richtig. Natürlich. Na dann frag ich einmal dort nach.«

      Er schickte sich an zu gehen, doch die Frau hielt ihn zurück. »Ist leicht was mit ihm? Sagen Sie es mir. Bitte! Treibt er sich mit einer anderen herum?« Na bitte, die Ehekrise war schon da. »Nein nein, Gnädigste. Es handelt sich um eine reine Routineangelegenheit, die Ihren Herrn Gatten nur als Auskunftsperson betrifft.«

      Bronstein war direkt stolz auf seine Formulierung. Ganz streng genommen war die Aussage nicht einmal gelogen. Bevor er sich jedoch endgültig in Widersprüche verhedderte, war es besser, das Weite zu suchen. Er empfahl sich und ging auf direktem Wege zurück ins Amt. Die Doleschal musste vorerst auf ihr Autogramm warten, entschied Bronstein, was ihr umso leichter fallen mochte, als sie ja nicht wusste, dass sich Bronstein um ein solches bemüht hatte.

      V.

      Doch irgendwie kam er von der Vorstellung, Doleschal just den authentischen Schriftzug des Rumänen zu besorgen, nicht los. Bis zur Mittagspause und auch noch danach saß er an seinem Schreibtisch und starrte dieselbe Berichtsseite an, ohne deren Inhalt in sich aufnehmen zu können. Er blickte auf die Uhr. Es ging auf zwei zu. Wenn er jetzt losmarschierte, so dachte er, könnte er Grozavescu beim Packen überraschen, ihm das Autogramm abluchsen und im Amt zurücksein, bevor die Doleschal Dienstschluss hatte.

      Gesagt, getan. »Pokorny, ich muss noch einmal weg. Ich weiß nicht, wann ich zurück bin. Halt die Stellung, ja!« Der Alte nickte nur, setzte dann zu einer Replik an, die Bron­stein durch ein rasches Schließen der Zimmertür unterband. Diesmal lief er den Ring in entgegengesetzter Richtung entlang, ehe er beim Parlament rechts abbog. Erneut verschaffte er sich Zugang zu Grozavescus Wohnhaus, vermied diesmal aber, sich bemerkbar zu machen, sondern lauschte erst einmal an der Tür, ob er Stimmen vernahm. Doch drinnen war alles ruhig. Der Sänger befand sich also noch nicht wieder in den eigenen vier Wänden. Bronstein verließ das Haus und setzte sich in das benachbarte Café, von wo aus er einen direkten Blick auf das Haustor hatte. Egal, von welcher Seite Grozavescu kam – und dass er kommen musste, schien ja angesichts

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