Wie Deutschland gespalten wurde. Ulrich Heyden
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wie Deutschland gespalten wurde - Ulrich Heyden страница 7
Dass die Dienste und „Leitmedien“ gegen Linke Misstrauen schüren, ist seit 1945 eine Konstante in der westdeutschen und Politik. Die Öffentlichkeit hat sich an diesen Zustand gewöhnt, aber mit Demokratie hat das nichts zu tun. Demokratie heißt, gleiche Chancen für alle, auch für die kleineren Parteien.
Die folgende historische Untersuchung ist eine überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit, die 1990 von der Historischen Fakultät der Universität Hamburg angenommen wurde.
Ulrich Heyden, August 2020
Einleitung
1. Fragestellung
Im Mittelpunkt der KPD-Politik in Westdeutschland in der Zeit von 1945 bis 1948 stand das Bemühen in ganz Deutschland eine "antifaschistische Demokratie" aufzubauen. In ihrem Aufruf vom Juni 1945 erklärte die KPD-Führung, es wäre falsch, Deutschland ein Sowjetsystem aufzuzwingen. Dieser Weg entspräche "nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland."20 Zugleich beschwor die KPD "die Einheit der Alliierten", die im Potsdamer Abkommen ihren Niederschlag gefunden hat. Wesentliche Voraussetzung einer demokratisch-antifaschistischen Entwicklung sei die Schaffung einer "Einheitspartei der Arbeiterklasse". Als gesellschaftspolitisches Vorbild galt der KPD der Umwälzungsprozess in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ).
Die Ansätze der Einheitsbewegung in Westdeutschland hatten sich in den meisten Städten und Regionen schon bald nach Kriegsende festgefahren. Entgegen den Prognosen im KPD-Organ „Hamburger Volkszeitung“ führte die Vereinigung von KPD und SPD in der SBZ nicht zu einem Aufschwung der Einheitsbewegung in Westdeutschland. Die führenden KPD-Funktionäre nutzten das Stagnieren der Einheitspolitik nicht, um diese grundsätzlich zu überdenken.
Nach Meinung von westdeutschen Historikern war die zunehmende Erfolglosigkeit der KPD in erster Linie Resultat der KPD- Politik.21 Nach Dietrich Staritz befand sich die KPD in Westdeutschland in einem unlösbaren Widerspruch. Im Rahmen der von der KPdSU geprägten strategisch-taktischen Leitsätze der internationalen kommunistischen Bewegung habe die KPD neben einer innenpolitischen auch eine doppelte außenpolitische Funktion zu erfüllen gehabt:
"Sie stand einerseits wie ihre westeuropäischen Bruderparteien vor der immer wieder modifizierten Aufgabe, in ihrem engeren Aktionsbereich die globalen Interessen der Sowjet-Union zu propagieren und gegenüber den Westmächten abzusichern oder zu forcieren. Sie war andererseits als Teil einer gesamtdeutsch organisierten Partei auch einem Konzept verpflichtet, das - wie das der osteuropäischen Parteien - auf die volksdemokratische Transformation der SBZ zielte, damit die Spaltung Deutschlands hinnahm, die Möglichkeit einer einheitlichen gesamtdeutschen Entwicklung gleichwohl beständig betonte und womöglich auch tatsächlich offen halten sollte.
In der KPD der Westzonen kreuzten sich demnach eine eher defensive und eine eher offensive Variante der als einheitlich konzipierten internationalen kommunistischen Strategie. Und das Aufeinandertreffen dieser tendenziell widersprüchlichen Zielfunktionen in einer Partei prägte die Politik, die Entwicklung und damit auch das Schicksal der KPD zumindest ebenso wie ihr politisch-soziales Umfeld, der kalte Krieg und die Spaltung Deutschlands es taten."22
Anstatt nach "eigenen, situationsgemäßen Kampfformen" zu suchen sowie innerhalb oder außerhalb der Kommunistischen Weltbewegung eine "kritisch-selbstständige Position"23 einzunehmen, habe das Wahrnehmen "internationalistischer Aufgaben" für die KPD einen weitgehenden Einfluss-Verlust bewirkt.
Werner Müller kritisiert an der KPD-Nachkriegspolitik: Negierung der "Kerninhalte der 'westlichen' Demokratie"24, Vertretung eines ideologisch und nicht politisch begründeten Führungsanspruchs, Befürwortung der unter Ausschaltung einer offenen politischen Auseinandersetzung betriebenen Vereinigung von KPD und SPD in der SBZ.
In der vorliegenden Arbeit wurde versucht, die von Staritz und Müller entwickelten Thesen anhand der "Hamburger Volkszeitung" (HVZ) zu überprüfen. Hinzu kamen eigene Fragestellungen: Gab es Ansätze für die Entwicklung eigenständiger Positionen der KPD in Westdeutschland? Warum scheiterte die Einheitsbewegung? Hatte diese Bewegung in Westdeutschland überhaupt eine Chance? Mit welchen Inhalten traten die KPD und die ihr nahestehende HVZ an ihre Zielgruppen25 (Arbeiter, Teile des Bürgertums, Frauen, Jugendliche) heran? Welche politischen und moralischen Werte vertraten Partei und Zeitung? Wie gestaltete sich der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Partei? Welche Haltung nahmen KPD und HVZ gegenüber ausländerfeindlichen und antisemitischen Stimmungen in der Bevölkerung ein?
2. Quellenlage und Forschungsstand
Eine Erschwernis bei der Erforschung der Geschichte der KPD in damaligen Westzonen ist die Quellenlage. Ein Teil der Parteiakten wurde beschlagnahmt. Hiervon ist nur ein kleiner Teil im Bundesarchiv in Koblenz einzusehen.26 Ein anderer Teil der Parteiakten wurde vor der Beschlagnahmung ins Zentrale Parteiarchiv der SED gebracht und war bis 1990 nicht zugänglich. Die Akten des "eigentlichen Archivs der KPD" wurden dem ehemaligen Zentralen Parteiarchiv der SED nach Auskunft des Archivleiters, Prof. Voßke, erst 1990 in einem völlig ungeordneten Zustand übergeben27 und mussten archivwissenschaftlich bearbeitet werden. Diese Quellen konnte ich meine Untersuchung aus finanziellen und zeitlichen Gründen nicht einbeziehen.
Die für meine Untersuchung wichtigste Quelle war die „Hamburger Volkszeitung“, die seit 1946 mit zunächst 80.000 und ab 1947 mit 30.000 Exemplaren erschien. Soweit es mir für den Gang meiner Untersuchung nützlich erschien, habe ich außerdem folgende Quellen ausgewertet: Die vom ZK der KPD 1945 und 1946 zu Schulungszwecken herausgegebenen "Vortragsdispositionen", einzelne Aufsätze der Funktionärszeitschrift des Bezirks Wasserkante "Weg und Ziel" (WuZ), einzelne Aufsätze, Reden und Rededispositionen führender KPD und SED-Funktionäre, die Dokumentensammlungen zur Geschichte von KPD und SED sowie Archivalien der "Gedenkstätte Ernst Thälmann" (Hamburg) und des Hamburger Staatsarchivs. Schließlich habe ich einige Zeitzeugen - ehemalige Mitglieder der KPD - befragt.
Die KPD-Nachkriegsgeschichte ist von der westdeutschen Historiographie bis Mitte der 70er Jahre kaum behandelt worden. Bis dahin lagen neben dem 1959 erschienenen Standardwerk von Hans Kluth28 und Dokumenteneditionen aus der Bundesrepublik und der DDR, nur einige Aufsätze vor, die parallel mit dem Aufkommen der westdeutschen Neuen Linken erarbeitet worden waren.29
Weitere umfangreiche Monographien zur KPD-Nachkriegspolitik wurden erst in den 80er Jahren vorgelegt. Dabei handelt es sich zum einen um eine Arbeit aus dem Bereich der etablierten KPD-Forschung in der Bundesrepublik (Dietrich Staritz30), zum anderen um die Arbeit eines DKP-Autorenkollektivs (Judick/Schleifstein/Steinhaus31).
Von den Publikationen zur KPD-Nachkriegspolitik seien hier außerdem folgende Arbeiten hervorgehoben: Zu Politik und Programmatik der KPD im Jahre 1945 liegen die Arbeiten von Laschitza32, Kirste33, Benser34 und Sywottek35 vor. Zur Einheitspolitik von KPD/SED gibt es Arbeiten von Müller36 und Hauth37 sowie regional bezogene Arbeiten zum Thema38.
Eine Arbeit zur nationalen Politik der KPD wurde von Klein vorgelegt.39 Über sozialistische und kommunistische Organisationsversuche außerhalb von KPD und SPD informieren zwei Arbeiten von Kulemann und Wittemann.40
Weitere Arbeiten erschienen zur KPD-Politik in Nordrhein-Westfalen41, zur Wirtschaft-42, Gewerkschaft-43 und Gesundheitspolitik44 der KPD. Über von der offiziellen Parteilinie abweichende Meinungen, sowie über Fragen der innerparteilichen Meinungsbildung und der Unterdrückung abweichender Meinungen, informieren Berichte von ehemaligen KPD-Mitgliedern45 und mehrere geschichtswissenschaftliche Arbeiten.46