F&%K THE CRISIS. Fox Hardegger

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F&%K THE CRISIS - Fox Hardegger

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recherchierten weiter und sammelten solange Indizien, bis sogar der Offizier des Sonderermittlungs-dezernats von Saigon auf unserer Seite stand. Ohne Obduktionsbericht und ohne Leichnam, der nach der Kremation logischerweise nicht mehr existierte, waren die Chancen allerdings gering zu beweisen, wer für den Tod meines Vaters verantwortlich ist. Ein Jahr nach meinem Besuch bei Huyen erschien sie unangemeldet bei mir zuhause. Unter dem Arm klemmte ein Geburtstagsgeschenk. Sie wolle nur kurz gratulieren, das Taxi warte mit laufendem Motor auf der Strasse. Ich sprach nur einen Satz: «Wenn Du mir ein Geschenk machen will, dann erzähl endlich die Wahrheit über diese Nacht.» Sie schwieg und verschwand samt Paket auf Nimmerwiedersehen. Meine Trauer darüber, dass der Mord an meinem Vater wohl für immer unaufgeklärt bleiben wird, ist grenzenlos.

      Doch jene Person, die vermutlich verantwortlich ist, wird durch andere Mächte als die Staatsgewalt zur Räson gezogen werden. In Vietnam gehen die Menschen davon aus, dass der Geist eines Verstorbenen immer unter uns ist. Jene, denen er nicht gut und freundlich gesinnt ist, kann er pro Tag hundert Mal daran erinnern, was sie verbrochen haben. Ich weiss nicht, ob ein Zusammenhang besteht, aber viel später vernahm ich, dass Huyen unter Verfolgungsängsten und einer schweren Depression litt. Trotz des vielen Geldes, das ihr der Tod meines Vaters brachte, fand sie keine Ruhe und erst recht kein Glück – Menschen die ihr in späteren Jahren begegneten, schilderten sie als alte und gebrochene Frau.

      Mein Vater

      Ich lernte mit dem Verlust zu leben. Mein Vater wurde nur 57 Jahre alt, also sieben Jahre älter, als ich es heute bin. Er befand sich auf dem Zenit seines Erfolgs. Die letzte Fotografie von ihm, sie stammt vom Abend der Einweihung, zeigt ihn, wie er war: Ein strahlender Lebemann. Ein Mensch, der Höhen und Tiefen durchlebt hat, hohe Ansprüche an sich und andere stellte, das Leben in vollen Zügen genoss. Sein kurzes Leben entsprach in seiner Fülle demjenigen eines sehr alten Manns: Auch dieser Gedanke war mir in der schweren Zeit ein Trost.

      Ich dachte an ihn, an mich, an uns zurück und wie sich unsere Beziehung festigte und vertiefte, bis wir füreinander zu ziemlich besten Freunden wurden. Das war nicht selbstverständlich, entdeckten wir Ähnlichkeiten und Zuneigungen doch erst, als ich etwas älter wurde. Seine Beweggründe, warum er in meiner Kindheit oft abwesend war, keine Zeit hatte, andere Prioritäten gesetzt hat, konnte ich erst nachvollziehen, als ich ähnlich intensiv im Leben stand wie er.

      Als Sohn wird man seinem Vater selten gerecht, lebt ständig im Bann seiner Aura, seiner Leistung, seinen unausgesprochenen Erwartungen und verfolgt von seinen Träumen und ausgestattet mit seinen Genen gerät man sich in die Haare, fühlt sich unverstanden und will am liebsten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Doch wir bleiben die Kinder unserer Eltern und je älter man wird, desto mehr Ähnlichkeit wird manchmal sichtbar.

      Wenn Kinder und Eltern einander im Erwachsenenalter eine Chance geben, wachsen silberne Fäden, die für immer verbinden.

      So war es bei meinem Vater und mir gewesen: Fast immer, wenn er aus Vietnam zurückkehrte, rief er mich an, sprach eine Einladung zum Abendessen aus. Manchmal hatte er auch tausend Dinge um die Ohren und ich musste ihn zu unserem Treffen auffordern. Ich wusste, er mochte es, wenn ich mich selbst einlud. Die Pendelei zwischen Vietnam und der Schweiz hatte Spuren hinterlassen. In Bern konnte er jeweils auftanken, sich ausruhen. Er bewohnte ein modern und luxuriös ausgebautes Appartement in einem alten Kutscherhaus in der Altstadt.

      Kurz bevor er ermordet wurde, verbrachten wir einen Abend zusammen. Er hatte eingekauft. Gemeinsam bereiteten wir erlesene und aufwendige Speisen zu. Er liebte es Geschichten zu erzählen, lauschte aber auch interessiert den Räubergeschichten seines Sohnes. Wir konnten über alles reden. Auch über Liebe, Sex, Einsamkeit, Sucht und andere schwierige Themen. Wir sparten nichts aus, verstanden uns blind. Edle Tropfen flossen in Strömen und gegenseitig hielten wir uns vor, der andere trinke zu viel. Wir waren ein lustiges Gespann mit viel Gefühl für die schrägen Töne des Lebens.

      Bereits seit vielen Jahren sprachen wir über die Meilensteine im Leben und über die gegenseitige Akzeptanz, konnten Lücken schliessen oder Missverständnis beheben. An einen dieser Abende erinnere ich mich besonders gut. Ich war noch jung und beklagte mich, dass er noch nie eines meiner Bilder gekauft habe. Er besuchte zwar meine Ausstellungen und betrachtete die Werke ausgiebig, hatte sich auch bei Atelierbesuchen begeistert geäussert, doch offenbar wollte er keines der Kunstwerke in seine bestehende Sammlung integrieren.

      Logisch wäre ich stolz gewesen, wenn eines meiner Werke zwischen den anderen Gemälden namhafter Künstler, die in seiner Wohnung hingen, einen Platz gefunden hätte. In meiner Wahrnehmung liess er mir diese Anerkennung nicht zukommen und dies teilte ich ihm auch mit. Er gönnte sich einen Schluck Rotwein, bevor er mich seine Sicht der Dinge wissen liess: Auch er sei enttäuscht gewesen. Obwohl er sich stets positiv zu meiner Kunst äusserte und alle meine Ausstellungen besucht habe, sei es mir nie in den Sinn gekommen, ihm eines meiner Bilder zu schenken. Wir mussten lächeln. Beide waren wir in unserer Sichtweise gefangen gewesen und beide gingen wir, ohne an den anderen zu denken, davon aus, dass die eigene Meinung richtig ist. An diesem Abend kamen wir zum Schluss, dass wir beide stur sein können und diese närrische Eigenschaft uns niemals entzweien darf.

      Die folgende Werkserie nannte ich «Marylin»: Es handelte sich um grossformatige Ölgemälde, die ich mit einem Siebdruck der Hollywoodgöttin versah und auf der gesamten Fläche mit handgeschriebenen Geschichten ergänzte. Ich nannte sie «Schriftbilder». Ich liebte die achtteilige Serie. In meinen Augen, handelte es sich dabei auch um meine bisher besten Arbeiten. Als ich meinen Vater das nächste Mal zum Abendessen traf, fuhr ich mit einem grossen Lieferwagen vor.

      Nach einer wunderbaren Mahlzeit und der ersten geleerten Flasche Wein bat ich ihn, seine Zigarre im Garten zu rauchen. Erstaunt, aber brav, tat er, wie ihm geheissen wurde. Die Bilder waren sperrig und mussten ausgepackt werden. Ich verteilte sie: Auf dem Sofa an die Wand gelehnt, über der Küche auf dem Herd, auf dem Tisch. Am Schluss sah die Wohnung beinahe wie eine eigenständige Kunstinstallation aus. Als Vater die Bescherung erblickte, war er begeistert. Wir umarmten uns und ich erklärte ihm Arbeitsweise und Sinn der Bilder.

      Er war glücklich und in den folgenden Stunden erzählte ich ihm auch jene acht Geschichten und Hintergründe, die dazu geführt hatten, dass ich sie für immer verewigt haben wollte. Meine Erläuterungen schloss ich mit der Bitte, er möge sich eines als Geschenk aussuchen. Er wählte drei Werke aus und bestand darauf zwei Kunstwerke zu bezahlen, und zwar sofort. Über das geschenkte Bild freute er sich sehr, wir hängten es an einem prominenten Platz in seiner Wohnung auf. Und die Moral von der Geschichte? An diesem Abend konnten wir eine gegenseitige Enttäuschung aus dem Weg räumen, weil wir den Mut gefunden hatten, darüber zu sprechen, bereit waren die Gefühle des anderen zu respektieren und eine Lösung zu suchen. Für mich war es ein wunderbarer Moment. Plötzlich war die Balance hergestellt und alles war gleichwertig. Dies konnte nur geschehen, weil wir einander vertrauten.

      Danach geht die Reise als Freunde weiter und je länger diese andauert, desto mehr wird aus der Freundschaft des Sohns gegenüber dem Vater – so stelle ich mir zumindest vor – auch Fürsorge. Nach all den Jahren des Strebens nach Anerkennung, nach Liebe und Respekt für das Geleistete, ist es sicher wunderschön, wenn dieser Tag im Wissen kommt, dass man sich abermals auf Augenhöhe begegnet. Es ist die sich anbahnende Wachablösung von einer Generation zur anderen. Wenn man merkt, dass die jugendliche Dynamik grösser ist als die körperliche Kraft des erfahrenen Vaters, der fast erleichtert scheint, dass er nicht mehr so lange weiterkämpfen muss. Im Nachhinein ist es, als hätte mein Vater Gewissheit erlangt, dass ich immer und in jeder Situation an seiner Seite stehen werde, er mir als Persönlichkeit, aber auch als Mensch, der im Leben etwas erreichen wird, vertrauen kann.

      Als enge Freunde wurden wir getrennt. So vieles konnten wir nicht mehr machen. Vor seinem Tod planten wir eine Tour mit meiner «Fat Boy Harley». Wie zwei alte Rocker wollten wir durch den nächsten Sommer fahren, die Freiheit geniessen und die gemeinsame Zeit. Auch dazu kam es leider nicht mehr.

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