Nostradamus und die Insel des Teufels. W. A. Castell

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Nostradamus und die Insel des Teufels - W. A. Castell

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      Professor Harris verhielt den Schritt.

      Der Anblick, der sich ihm bot, war imponierend. Vor ihm erhob sich die Rakete mit dem Montagegerüst, das inzwischen angefügt worden war. Wie eine riesige Zigarre stand sie da, bereit, zum feuerspeienden Ungetüm zu werden.

      Noch wenige Tage, dann war es soweit. Bis dahin waren noch viele Hände tätig, um den letzten Schliff anzulegen und die Rakete startbereit zu machen. Vor allem das Anbringen des Wettersatelliten, vierundzwanzig Stunden vor dem Countdown, würde der entscheidende Augenblick werden. Wenn diese Präzisionsarbeit planmäßig verlief, würde dem Zünden der Rakete nichts mehr im Wege stehen.

      Ein Mann im blauen Monteuranzug trat auf den Professor zu. Er hob die Hand zum Gruß.

      »Es gibt noch einige Schwierigkeiten, Chef. Der Kran, der den Satelliten nach oben hieven soll, taugt nicht viel. Ich glaube, wir müssen da noch einige Verbesserungen anbringen.«

      Harris nickte.

      »Ich werde mir die Geschichte gleich mal ansehen. Bis heute Nachmittag gebe ich Ihnen Bescheid. Sehen Sie inzwischen zu, dass wir mit den anderen Arbeiten vorankommen.«

      Wenig später betrat der Professor den Aufzug, der an der Rakete nach oben führte.

      Die Fahrt ging in Sekundenschnelle zu Ende. Mit einem leichten Ruck stoppte die Kabine und pendelte aus.

      Kalter Wind schlug Harris entgegen, als er ausstieg. Aus schwindelnder Höhe wirkten die Männer am Boden nicht größer als Spielzeugpuppen.

      Der Professor wandte sich der Rakete zu. Die Mitte der Plattform, auf der sich der Wissenschaftler befand, war ausgefüllt mit der Spitze des Stahlmonsters. Deutlich war die Stelle sichtbar, wo später der Wettersatellit sitzen sollte.

      Harris begutachtete den Kran. Schon nach der ersten Prüfung musste er seinem Chefmonteur recht geben. Hier war eindeutig gepfuscht worden. Er, Harris, hatte den Kran in den Plänen um einige Normen größer angelegt, als er tatsächlich angebracht worden war.

      Der Professor verkniff sich einen Fluch. Gerade wollte er sich wieder dem Aufzug zuwenden, als er hinter seinem Rücken ein Geräusch vernahm.

      Harris drehte sich um.

      Was er sah, versetzte ihn in maßloses Erstaunen. Noch nie zuvor hatte er die Person, die vor ihm stand, gesehen. Ein paradoxer Umstand, wenn man bedachte, dass jeder, der hier innerhalb einer bestimmten Sicherheitszone tätig war, unzählige Male überprüft und auch täglich neu registriert werden musste.

      Die Sonne warf ihre Strahlen über das Gerüst. Harris schloss blinzelnd die Augen.

      Als er sie eine Sekunde später wieder öffnete, starrte er fassungslos auf das Bild, das sich ihm bot: Der Fremde vor ihm hatte die Sonne im Rücken, dennoch warf sein Körper keinerlei Schatten!

      Die Haltung des Professors verkrampfte sich. Seine Hände schlossen und öffneten sich rhythmisch. Auf die Stirn des Wissenschaftlers trat Schweiß – Angstschweiß.

      Er wich ein paar Schritte zurück. Seiner Kehle entrang sich ein röchelnder Schrei.

      Niemand hörte ihn. Niemand, der ihm zur Seite gestanden hätte. Die Person vor ihm hegte ganz andere Absichten.

      Langsam kam der Unheimliche näher. In seinem unbeweglichen Gesicht standen zwei Augen, die sich auf Harris konzentrierten. Unverwandt blickten sie den Wissenschaftler an.

      Der Professor fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlange. Wie hypnotisiert starrte er den Fremden an. Er versuchte krampfhaft, seine Gedanken zu ordnen, nicht in Panik zu verfallen.

      Es gelang ihm nur ungenügend.

      Er wollte sich abwenden. Abwenden von diesen Augen, von denen eine hypnotische Wirkung ausging, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Er wusste, dass ihm nur sehr wenig Zeit verblieb, sich aus der Schlinge zu ziehen. Würde er scheitern, wäre das für ihn das Ende!

      Harris ballte die Hände zu Fäusten. Er fixierte sein Ziel. Unter Aufbietung aller Willenskraft schloss er die Augen, entzog sich so einen Herzschlag lang der Einwirkung der fremden Macht.

      Harris sprang nach vorn.

      Sein durchtrainierter Körper schnellte in Richtung des Unheimlichen. Er würde ihn zu Boden reißen und überwältigen. Noch war er Herr über seine Muskeln, die waren stärker als die seines Gegenparts.

      Der Wissenschaftler überbrückte die Entfernung in der Zeitspanne eines Lidschlags. Er erreichte sein Ziel und – stieß ins Leere.

      Wo der Körper des Unheimlichen ihn aufhalten sollte, war kein Hindernis. Der Angriff des Professors wurde nicht gestoppt. Er trug ihn weiter über die Plattform.

      Mit namenlosem Entsetzen registrierte Harris, dass es ihn auf die flache Umgrenzung der Plattform zutrieb. Er versuchte den Schwung zu bremsen, musste mit Schaudern erkennen, dass es dazu bereits zu spät war. Wie von einem Magneten gezogen, raste er auf den Abgrund zu.

      5

      Sie waren wie gelähmt. Der Schrecken saß ihnen in den Gliedern. Was geschehen war, kam einer Katastrophe gleich. Vor ihnen lag die Leiche des Professors,

      »Es war Mord! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«

      Einer sagte es, und sie getrauten sich nicht einmal, ihn anzusehen. Zu ungeheuerlich war die Behauptung, die er aufstellte.

      Mord!

      Nein, es war nicht wert, einen Gedanken an etwas so Absurdes zu verschwenden. Unter ihnen gab es keinen Mörder und schon gar nicht einen, der es auf Professor Harris abgesehen hätte. Der Wissenschaftler war ein allseits beliebter Vorgesetzter gewesen.

      Und außerdem, und das war der Punkt, der ein Verbrechen nahezu ausschloss, sie saßen alle in einem Boot, waren unbedingt aufeinander angewiesen. Ein Team von Spezialisten, an der Spitze Professor Harris, der Mann, der sie bisher vor jeglicher Unannehmlichkeit abgeschirmt hatte.

      Ein Mord? Nochmals nein!

      »Und doch ist er getötet worden!«

      Als hätte der Chefmonteur die Gedankengänge seiner Kollegen erraten, sprach er noch einmal aus, was er beobachtet hatte.

      Sie schauten ihn jetzt an. Es stand deutlich in ihren Gesichtern geschrieben, dass sie sich vor dem fürchteten, was der Chefmonteur noch sagen würde. Es war so, als würde man zwei und zwei zusammenzählen. Wer Augenzeuge des Verbrechens war, kannte auch den Täter.

      Der Monteur schüttelte langsam den Kopf, dann sagte er: »Es war keiner von uns, der es getan hat. Ein alter Mann, viel näher kann ich ihn nicht beschreiben. Ich stand seitwärts eine Etage tiefer. Einige Querstreben verdeckten mir die Sicht, und ich konnte nur wenig über den Rand der Plattform hinaus erkennen. Aber den alten Mann habe ich gesehen. Er blickte in die Tiefe, als der Professor noch am Stürzen war.«

      Ein hochaufgeschossener Mann trat auf den Chefmonteur zu. Er war Experte auf dem Gebiet der Elektronik und in dieser Funktion eine wichtige Person auf dem Raketengelände. Allen war bekannt, dass er eine besonders gute Beziehung zu Harris gehabt hatte. »Sie müssen sich irren. Es gibt im Umkreis

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