Schwester! Können Sie mal eben kommen?. Daniela Triebsch
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Warum auch? Es läuft doch.
Die Politik steht in der Verantwortung, einen Rahmen zu schaffen, der gute Pflege ermöglicht. Doch die vereinzelten Aufschreie sind noch gut zu überhören und der völlige Pflegekollaps ist noch nicht greifbar genug.
Tatsache ist, dass es Fälle in der Pflege gibt, in denen gegen Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßen wird: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Von würdevollem Handeln kann nicht die Rede sein, wenn z. B. einer Bewohnerin bzw. einem Bewohner Essen in den Mund „geschoben“ wird, obwohl diese*r nicht essen möchte.
Dass Menschen, die krank und hilfebedürftig sind, leiden müssen, scheint nicht zu reichen, um das Steuer in die Hand zu nehmen. Wenn die Politik das nämlich tun würde, wären die Aufschreie von Personen, die viel Geld mit der Ausbeutung von Pflegenden verdienen, sehr laut. Und diese Personengruppe scheint eine große Lobby zu haben und entsprechend stark ist der Einfluss auf politische Geschehnisse.
Die Gesellschaft muss über die Pflege sprechen und nicht nur dann, wenn wieder ein Missstand in einem Pflegeheim aufgedeckt wurde. Es muss verstanden werden, dass nicht der Pflegeberuf als solcher schlecht ist, sondern die erschaffenen Rahmenbedingungen. Da viele mit dem Thema Pflege konfrontiert sind oder in Zukunft sein werden, ist es die Aufgabe jeder einzelnen Person, sich für bessere Bedingungen einzusetzen. Wenn nicht aus eigenem Interesse, dann vielleicht aus Zivilcourage oder Nächstenliebe. Das kann z. B. in Form von politischem Engagement, Nachbarschaftshilfe oder ehrenamtlichen Tätigkeiten im Pflegegebereich geschehen. Wem das zu viel Zeit und Kraft abverlangt, der sollte zumindest an seiner wertschätzenden Haltung gegenüber professionell Pflegenden und pflegenden Angehörigen arbeiten.
Die Pflegesituation in Deutschland und auch der Umgang mit dem riesigen Problem macht mich traurig und wütend zugleich. Aber aus diesen Gefühlen hat sich bei mir ein Ehrgeiz entwickelt, alles mir Mögliche zu tun, damit unsere Bevölkerung alt und krank werden darf, ohne Angst vor schlechter Versorgung haben zu müssen.
Was Pflegende konkret tun können und sollten, damit menschenwürdig gepflegt werden kann, werde ich in den folgenden Kapiteln erläutern.
Was ist Pflege? – Der Versuch einer Definition
Im 19. Jahrhundert wurde die pflegerische Versorgung in erster Linie durch Ordensschwestern durchgeführt. Scheinbar übermäßige Nächstenliebe, verbunden mit Selbstaufgabe und niedriger oder fehlender Entlohnung, unterstrichen die Berufung, anderen zu helfen. Auch heute sind die Grundüberzeugungen der Ordensschwestern teils in den Köpfen der Gesellschaft verankert. Warum sonst werden die Pflegenden mit „Schwester“ angesprochen und die Pflegemaßnahmen auf das „Hinternabputzen“ begrenzt? Pflege ist ein Beruf. Ob Sie sich dazu berufen fühlen oder nicht, ist nicht relevant.
Der Unterschied zu früher ist, dass Pflege heutzutage einen theoretischen Hintergrund hat. Es gibt Theorien, Modelle, Phänomene, die erklärt und in Verbindung gebracht werden. Wir können Gesundheitsrisiken erkennen, Gefahren einschätzen und diesen mit wissenschaftlich fundierten Maßnahmen entgegenwirken. Forschung und Erfahrung zeigen uns, wie sich Menschen mit Erkrankungen im Alter fühlen und was sie für ein hohes Maß an Lebensqualität benötigen. Pflege ist zur Profession geworden. Zumindest ist es uns gelungen, ein Stück weit vom Eindruck der Laienpflege wegzukommen. Leid und Krankheit können gemindert, Wohlbefinden und Lebensqualität gesteigert werden. Und das ist doch erst einmal positiv.
Aber was genau tun wir Pflegekräfte?
Einfach ausgedrückt, helfen wir Menschen darin, all das durchzuführen, was sie nicht mehr selbstständig können – sei es die Körperpflege, das Essen und Trinken oder die Unterstützung bei der Ausscheidung und Mobilität.
Im Rahmen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs hat sich auch das Verständnis von Pflege verändert. Nicht nur körperbezogene Tätigkeiten stehen im Vordergrund, sondern auch die psychosoziale Unterstützung, die Anleitungs- und Beratungsfunktion Pflegender. Ziel dabei ist, Fähigkeiten der Pflegebedürftigen zu erkennen, zu erhalten und bestenfalls zu verbessern. Zudem müssen wir auf die Individualität der zu versorgenden Menschen eingehen. Diese Komplexität macht es uns schwer, Pflege zu beschreiben, aber auch von anderen Berufsgruppen abzugrenzen.
Jetzt werde ich sicherlich auf heftige Kritik stoßen, trotzdem erlaube ich mir, zu äußern, dass viele pflegerische Tätigkeiten von ungelernten Personen oder anderen Berufsgruppen ausgeführt werden können.
Medikamente dosieren können Apotheker*innen; Essen kochen und verteilen können Hauswirtschafskräfte; die Verwaltungsangestellten können sich im Dienstzimmer dem Schriftlichen widmen.
Aber wissen Sie, was Ihre Kernkompetenz ist?
Sie können den individuellen Pflegeprozess systematisch gestalten und steuern! Sie sind der*die perfekte „Pflegemanager*in“ auf Ihrem Wohnbereich. Es ist ein Unding, Sie als hochqualifizierte Pflegefachkraft, die zudem noch „Mangelware“ ist, fürs Bettenbeziehen o. Ä. heranzuziehen. Es muss ein Umdenken stattfinden.
Es ist wichtig, dass Sie ausreichend Zeit für die Patient*innen haben, um komplexe und herausfordernde Pflegehandlungen zu meistern und Behandlungspflege und Beratungen gewissenhaft durchzuführen. Das braucht Zeit. Daher:
Pflegen können doch alle?!
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Pflegesituation deutlich verändert. Wir müssen viele pflegebedürftige Menschen versorgen, die von unterschiedlichsten Krankheiten und kognitiven Einbußen betroffen sind. Wenig qualifiziertes Personal, höhere Pflegestandards, Richtlinien und Anforderungen erschweren es uns, die pflegerische Tätigkeit gewissenhaft und professionell durchzuführen. Doch ein Verharren in der Vergangenheit bringt uns nicht weiter.
Wie schon erwähnt, ist es vonnöten, Teile unserer Arbeit, für die keine ausgebildete Fachkraft erforderlich ist, an andere Berufsgruppen und ungelernte Personen abzugeben, zu delegieren.