Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont
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Viele fundamentale Erkenntnisse über den Aufbau der Materie und der Grundkräfte der Physik wurden am CERN gewonnen. Die Entdeckung der W- und Z-Bosonen gelang 1983 dem späteren italienischen CERN-Generaldirektor Carlo Rubbia und dem Niederländer Simon van der Meer, wofür sie 1984 den Nobelpreis für Physik erhielten.
Nach Jahrzehnten der Suche wurde 2012 am CERN das Higgs-Boson, benannt nach dem Briten Peter Higgs, der seine Existenz im Jahr 1964 vorhergesagte, nachgewiesen. 2013 wurden den Teilchenphysikern Higgs und Francois Englert, der 1964 unabhängig von Higgs die gleiche Prognose aufgestellt hatte, der Nobelpreis für Physik verliehen.
Kurzschlussstrombegrenzer sind eine weitere Anwendung von Supraleitern, wobei es sich um elektronische Sicherungen handelt, die im Falle eines Defektes den im Stromnetz auftretenden Kurzschlussstrom begrenzen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Strombegrenzern reduzieren supraleitende Strombegrenzer den Kurzschlussstrom innerhalb weniger Millisekunden. Dadurch kann beispielsweise die Überdimensionierung konventioneller Bauteile verhindert werden. Hierzu wird das supraleitende Bauelement einfach so dimensioniert, dass die im Kurzschlussfall auftretende Stromstärke die kritische Stromstärke überschreitet, sodass der Supraleiter normalleitend wird und einen ohmschen Widerstand aufweist. Durch die dabei auftretende Widerstandserhöhung wird der Strom begrenzt. Sobald der Normalzustand wieder eingetreten ist, wird der Stromfluss durch den Übergang in den supraleitenden Zustand wieder freigegeben. Mit diesem Prinzip lassen sich Kurzschlussströme in Energienetzen reduzieren. Dies erlaubt es, verschiedene Netze besser miteinander zu verbinden, sie effizienter auszulasten und auch andere Netzkomponenten einzusparen.
In diesen Strombegrenzern werden beispielsweise spiralförmige Schaltelemente aus Hochtemperatursupraleitern verwendet. Die aus dünnen HTS-Schichten strukturierten Spiralen sind noch mit einer dünnen Deckschicht aus Gold bedeckt. Damit die notwendigen Strom- und Spannungswerte eines derartigen Strombegrenzers eingestellt werden können, sind mehrere solcher Schaltelemente in Reihe und Serie miteinander verbunden. Da die Schaltelemente mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden müssen, befinden sich diese in einem Kryostaten. Hierzu ist der Kryostat mit einer Kältemaschine verbunden, die den flüssigen Stickstoff auf einer konstanten Temperatur von etwa 77 Kelvin hält. Derartige Strombegrenzer mit einer Schaltleistung von einem Megavoltampere werden von Industrieunternehmen hergestellt.
Synchronmaschinen können sowohl als Generator als auch als Motor eingesetzt werden. Im Rahmen des öffentlichen, nicht zuletzt auch durch politische Entscheidungsträger animierten Diskurses über Transportsysteme der Zukunft verdienen supraleitende Motoren als innovativer Beitrag zur Verkehrstechnik besondere Beachtung.
Möglich wurde ein solches Gedankenexperiment mit konkretem Realitätsbezug durch die Entdeckung der bereits zuvor erwähnten Hochtemperatursupraleiter (HTS) im Jahr 1986. Die hierdurch ausgelösten intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeiten konzentrierten sich auf Materialien wie Bismut-Strontium-Calcium-Kupferoxid (BSCCO 2223) und Yttrium-Barium-Kupferoxid (YBCO 123), die unterhalb einer Sprungtemperatur von minus 163 Grad Celsius beziehungsweise minus 181 Grad Celsius zu widerstandslosen Stromleitern werden. Es mussten grundlegend neue Verfahren entwickelt werden, um aus diesen spröden Werkstoffen flexible Drähte für die industrielle Verarbeitung herzustellen.
Für die Drahtproduktion nach dem sogenannten Powder-in-tube-Verfahren werden mit Supraleiterpulver (BSCCO) gefüllte Silberrohre zu feinen Filamenten gezogen und gewalzt. BSCCO-Draht findet weltweit in Prototypen mit Supraleitertechnologie Verwendung. Für die meisten kommerziellen Anwendungen kann er mit einem Silberanteil von ca. 70 Prozent aber bestimmte Kostengrenzen nicht unterschreiten.
Als kosteneffiziente Alternative wurden Bänder mit supraleitender Beschichtung auf YBCO-Basis entwickelt. Mit neuen Verfahren bewältigte man nicht nur die Sprödigkeit der keramischen Leitersubstanz, es gelang auch, in der Beschichtung alle Kristalle des Leitermaterials gleichförmig auszurichten. Dies ist entscheidend, da der Ladungstransport in Hochtemperatursupraleitern stark richtungsabhängig ist und fast ausschließlich in bestimmten Schichten ihrer Kristallstruktur erfolgt. Bereits geringe Abweichungen würden die Übertragungsleistung deutlich schmälern.
Flexible Supraleiterbänder mit hoher Stromtragfähigkeit für energietechnische und industrielle Anwendungen, aber auch quasi einkristalline supraleitende Massivteile für Magnetlager, Stromzuführungen oder Magnetfeldabschirmungen wurden recht bald kommerziell hergestellt.
Eine Besonderheit stellen Rundleiter dar, die nur auf der Basis von BSCCO 2212 in die Entwicklung Eingang fanden. Sie sind vor allem von Interesse für einen Einsatz bei tiefen Temperaturen und extrem hohen Feldern wie sie z. B. in der Kernfusion benötigt werden. Aber auch für Beschleunigermagnete in der Hochenergiephysik bietet sich ihr Einsatz an.
Zum Themenbereich Transport ersann und erprobte man eine Reihe supraleitender Anwendungen, die in vielerlei Hinsicht den Mobilitätsanforderungen der Zukunft gerecht werden sollten. Hierzu sollen nachfolgend einige Beispiele näher beleuchtet werden.
Supraleitende Motoren mit Wechselstromsupraleitern wurden nach einigen Jahren erfolgreicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bereits Stand der Technik.
Konventionelle Personenkraftwagen mit elektrischem Antrieb sind seit dem ersten Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends in aller Munde. Zu ihnen zählen insbesondere Fahrzeuge mit Energieversorgung mittels Akkumulatoren. Das Hauptmanko solcher Elektroautos besteht primär in ihrer geringen Reichweite von weniger als 200 Kilometern und langen Ladezeiten von bis zu mehreren Stunden. Darüber hinaus ist das Gewicht der Batterien beträchtlich, was zu nennenswerten Begrenzungen des Stauraums beziehungsweise der zusätzlich für Personen oder Gepäck zu Verfügung stehenden Ladekapazität führen kann.
Das erste Elektroauto der Welt wurde bereits 1888 von dem Coburger Fabrikanten Andreas Flocken entwickelt, also 23 Jahre vor der Entdeckung der Supraleitung. Was hat ein Elektroauto mit „konventioneller“ Batterietechnik in meinen Ausführungen über Supraleitung zu suchen? Wir werden zum Thema Auto auf Supraleiterbasis in Bälde noch kommen.
Das Elektroauto des Herrn Flocken wurde dadurch möglich, dass im gleichen Jahr die Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Büsche & Müller OHG in Hagen, die Keimzelle der Varta, die ersten Akkumulatoren mit entsprechender Energiedichte von 27 Wattstunden pro Kilogramm industriell gefertigt wurden. Bei dem Flocken-Elektrowagen handelte es sich ursprünglich, ähnlich der Motorkutsche von Gottlieb Daimler, um eine Chaise, die aber mit einem Elektromotor versehen wurde. Es handelte sich um einen hochrädrigen Kutschwagen mit einem Elektromotor, dessen Kraft per Lederriemen auf die Hinterachse des Drehschemel-Viersitzers übertragen wurde. Das Fahrzeug entsprach dabei noch weitgehend einer Pferdekutsche. Der Elektromotor des Flockenwagens wurde durch Akkumulatoren nach der Konstruktion des luxemburgischen Ingenieurs Henri Tudor (1859–1928) gespeist. Die Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Büsche & Müller OHG stellte zu der Zeit als einziges deutsches Unternehmen Bleiakkumulatoren industriell her.
Tudor hatte den 1859 von Gaston Plante entwickelten Bleiakkumulator leistungsstärker, effizienter und zuverlässiger gemacht. Die Akkus erreichten um 1890 schon eine Energiedichte von 27 Wattstunden pro Kilogramm. Die Akkus des Flockenwagens hatten ein Gewicht von rund 100 Kilogramm. 2012 wurde die Marke Flocken im deutschen Patent- und Markenamt eingetragen.
Etwa 125 Jahre nach der Geburtsstunde des Elektrofahrzeugs bedurfte es einmal mehr einer Energiekrise, um sich alternativen Fahrzeugantrieben verstärkt zuzuwenden. Nach dem im Jahr 2013 geäußerten Willen der deutschen Bundesregierung sollten bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos fahren. Bis Ende 2013 lag die Anzahl der tatsächlich in Deutschland zugelassenen Elektroautos jedoch nur bei etwa 13.000. Die Preise für Akkus sind und werden ein entscheidender Faktor für die Marktentwicklung von Elektroautos sein. Lag im Jahr 2011 der Akkupreis noch bei 500 Euro pro Kilowattstunde, so waren 2014 aufgrund eines stattlichen Preisverfalls gerade noch gut 80 Euro fällig. Somit könnte man sich zur Überwindung