Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont страница 12

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont

Скачать книгу

zu einer geschlossenen Fläche formen, wohingegen sie sich beim Aufschlag auffächern und Luft durchströmen lassen. Da Vinci schlug zur technischen Realisierung seiner Beobachtung vor, aus Weidenruten und imprägniertem Leinen gefertigte Schaltflächen zu verwenden, die sich beim Abschlag analog schließen, beim Aufschlag jedoch mit Klappen zur Durchströmung der Luft öffnen würden. Es waren just diese Erkenntnisse, die wagemutige Männer dazu verleiteten, mit Schlagflügeln fliegen zu wollen, mit katastrophalen Ergebnissen für die „Testpiloten“.

      So einfach scheint die Übertragung angepasster und ausgereifter biologischer Systeme in die Welt der Technik allerdings nicht zu sein. Professor Dr. Werner Nachtigall, einer der Pioniere der Bionik, formuliert in seiner Publikation über „Einsatz und Produktpotenziale der Technischen Biologie und Bionik“ die wesentlichen Prinzipien zum Thema „von der Natur lernen“, es handle sich keineswegs nur um eine simple Blaupause der Natur für technische Umsetzungen, sondern mehr um Inspirationen der Natur, deren technische Verwirklichungen von Fall zu Fall unter Einbringung aller hierzu relevanten Kenntnisse aus Wissenschaft und Technik investigiert werden müssten. Im Falle des zitierten Vogelflugs hat es sich vor dem inzwischen fortgeschrittenen Stand der Technik als vorteilhaft erwiesen, Erkenntnisse der Technischen Physik aus dem Teilgebiet Aerodynamik einzubeziehen. Dieses Beispiel zeigt den unabdingbaren Charakter der Interdisziplinarität der Bionik. Man nimmt also Vorlagen der Natur als Anregung für technologisch eigenständige Entwicklungen, zu deren Machbarkeit alle Wissenschaftsdisziplinen einbezogen werden. Lernen von der Natur als Anregung für eigenständiges technologisches Gestalten ist die Devise und nicht bloßes Abkupfern.

      Werner Nachtigall brachte es 1993 in der folgenden allgemeinen Definition auf den Punkt: „Bionik als wissenschaftliche Disziplin befasst sich mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktions-, Verfahrens- und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme.“ Demnach ist die Bionik eine klar formulierbare Disziplin und Vorgehensweise. Sie führt die durch die Vorgehensweise der Technischen Biologie entdeckten und erforschten Aspekte der Biologie einer technischen Umsetzung und Anwendung zu. Dies kann sich auf drei Komplexe beziehen, nämlich auf Konstruktionen der Natur (Konstruktionsbionik), Vorgehensweisen oder Verfahren der Natur (Verfahrensbionik) und deren Informationsübertragungs-, Entwicklungs- und Evolutionsprinzipien (Informationsbionik). Eine bionische Vorgehensweise kann also in viele technische Ansätze mit hineinspielen, die zukünftige Technologien entscheidend beeinflussen können.

      Ansatzmöglichkeiten zu bionischen Vorgehensweisen, die den Einsatz und die Produktpotenziale der Technischen Biologie und Bionik kennzeichnen können, umfassen unter anderem die Materialbionik. Biologische Materialien entstehen entweder in einem einmaligen „Gussvorgang“, etwa Diatomeen- und Radiolarien-Skelette, oder in schichtweisem Aufbau, wenn Substanzen von Zellen und Zellschichten (Epithelien) abgegeben werden. Sie sind sehr unterschiedlich zusammengesetzt, von den Silikatstrukturen der genannten Kleinlebewesen über biochemische Laminatstrukturen bei horn- oder chitinigen Substanzen bis hin zu elastischen Fasern beim Knochen. Dies und die Tatsache, dass die Materialien stets aufs Feinste auf die mechanischen Anforderungen abgestimmt sind, ergeben vielfältige Vorbilder für die Technik. Dazu kommen ihre bisher nicht oder kaum erreichten Selbstheilungsmöglichkeiten und ihre totale Wiederverwendbarkeit.

      Im Rahmen der Werkstoffbionik betrachtet man biologische Materialien, die zu neuen Werkstoffen führen. Hierzu gehören vor allem auch die Mehrkomponentenbauweise biologischer Materialien und Stoffe, in denen beispielsweise zug- und druckfeste Elemente in Trajektorien angeordnet sind. Sie können Vorbilder abgeben, wie überhaupt im makromolekularen und im Mikrobereich eine Vielzahl von Anregungen und Umsetzungsmöglichkeiten gegeben sind.

      Unter dem Namen Lotuseffekt entstand eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die im Bereich der Materialwissenschaften auf der Entwicklung superhydrophober biomimetischer Oberflächen fußt. Es war der Botaniker Wilhelm Barthlott, der aus seinen Forschungen zur Rasterelektronenmikroskopie pflanzlicher Oberflächen den selbstreinigenden Effekt von Pflanzenoberflächen feststellte und den Anstoß für die technische Umsetzung gab. Es war in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts, als Botaniker erstmals Interesse an der Lotusblume entwickelten. Am Botanischen Institut der Universität Bonn stellten Wissenschaftler fest, dass gewisse Pflanzenoberflächen wie die der Blätter der indischen Lotusblume von Wasser nicht benetzt werden und darüber hinaus vollkommen schmutzabweisend sind. Dies wird ermöglicht durch eine komplexe Grenzfläche, auf der im Abstand von tausendstel Millimetern warzenartige Erhebungen sitzen, sogenannte Papillen. Die Papillen sind mit winzigen Wachskristallen überzogen. Über diese „raue“ superhydrophobe Oberfläche rollt jeder Wassertropfen ab. Dabei nimmt er nicht nur Schmutzpartikel auf, auch schädliche Pilzsporen, Bakterien und Algen werden mitgerissen. Die Pflanze wird auf diese Weise ihre Plagegeister los und enthält Algen und Pilzsporen die von ihnen zum Überleben benötigte Feuchtigkeit vor. Galten zuvor Produkte mit möglichst glatten Oberflächen als besonders wünschenswert in Sachen Reinlichkeit, so waren es auf einmal solche mit Oberflächen nach dem Vorbild der Mikrostruktur des Lotusblattes. So eroberten in den 90er-Jahren Produkte mit Lotuseffekt den Markt, wie zum Beispiel Dachziegel und Fassadenfarben, die eine Art Pflanzenhaut haben, die sich bei Regen selbst reinigt.

      Wie in diesen beiden Beispielen gezeigt, ist es also Forschern bereits gelungen, die raue Mikrostruktur auf künstlichen Oberflächen nachzubilden. Die Resultate kann man käuflich erwerben. Es gibt auch dem Vorbild der Lotusblume nachempfundenes Silikonwachs, das man auf Oberflächen aufsprühen kann, um sie gegen Umwelteinflüsse wie Verschmutzung und Regen zu schützen. Weitere Applikationen zielen auf selbstreinigende Autolacke, die allerdings naturgemäß ein mattes Aussehen zur Folge haben. Gleichermaßen denkbar sind selbstreinigende Fensterscheiben, sodass Wind und Wetter die Rolle eines Fensterputzers übernehmen.

      Ein ebenfalls schmutzabweisendes Material, das jedoch nicht auf dem Lotuseffekt basiert, verdankt seine selbstreinigenden Eigenschaften der Photokatalyse, wodurch sowohl Oberflächen als auch die Luft gereinigt werden können. Im speziellen Fall handelt es sich um Titanoxid, das mit Zement vermischt auf dem Markt erhältlich ist. Die physikalische Wirkung des mit Titanoxid versetzten Zements beruht auf dem photoelektrischen Effekt. 1905 publizierte Albert Einstein seine Arbeiten zur Deutung des photoelektrischen Effektes und erhielt für seine Entdeckung des Photoeffektes 1921 den Nobelpreis für Physik. Der Vorgang der Nutzbarmachung des nur quantenmechanisch erklärbaren Effektes beruht auf der Tatsache, dass bei Einfall von Sonnenlicht auf die Titanoxidoberfläche durch die Lichtphotonen in den Atomen der obersten molekularen Schichten Elektronen herausgeschlagen werden. Die Elektronen wandern dann durch das Kristallgitter des Titanoxids zu dessen Grenzfläche. Dort kommt es zu chemischen Umsetzungen, die zur Zersetzung organischer Stoffe führen, was einem Reinigungseffekt gleichkommt. Im Rahmen der Forschungsarbeiten für einen italienischen Zementhersteller entdeckte man, dass die selbstreinigende Wirkung nicht auf Verschmutzungen an der Oberfläche der Bausubstanz beschränkt bleibt. Der photoelektrische Effekt reicht nämlich bis in die angrenzenden Luftschichten und reduziert so auch die Luftverschmutzung. Das Nanomaterial kann auch Mörtel und Farben beigemischt werden. Gebäude und Straßen, die sich sogar nachträglich beschichten lassen, können somit durch Reduzierung der Schadstoffe aktiv zur Umweltentlastung beitragen.

      Titanoxid erlaubt auch im Bereich der Photovoltaik für Solarzellen nach dem Vorbild der Photosynthese neue, „natürliche“ Wege. Die Photosynthese ermöglicht als einer der wichtigsten biochemischen Vorgänge auf der Erde den Pflanzen und indirekt auch den Tieren das Leben, da diese die durch die Pflanzen produzierten Stoffe zur Nahrungsaufnahme benötigen. Bei der Photosynthese wird die Energie des Sonnenlichts, also die elektromagnetische Strahlung, mittels des Blattfarbstoffs Chlorophyll aufgenommen und in chemisch gebundene Energie umgewandelt. Die Photosynthese dient der Entwicklung neuartiger Photovoltaikzellen, wie 1994 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne im Labor für Photonik und Schnittstellen von Professor Michael Grätzel geschehen. Grätzels Solarzelle basiert nicht auf Silizium, das sehr teuer, energieaufwendig herzustellen und schwierig zu entsorgen ist, sondern wie das Chlorophyll auf einem Farbstoff, der die Energie der Sonne einfängt. Hierzu dient der einfach und preiswert herzustellende Halbleiter Titanoxid. Eine Belebung der Photovoltaiktechnologie könnte das Resultat sein.

Скачать книгу