Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont

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Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont

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Auch im Bereich der biologischen Strukturen wurde also eine Optimierung stets der Gesamtfunktion und nicht die der einzelnen Elemente durch den Evolutionsprozess verfolgt.

      Bei biologischen Systemen sind Struktur und Funktion, Statik und Dynamik untrennbar miteinander verknüpft, wohingegen traditionell bei technischen Bauten die Formgebung und Struktur überwiegend von statischen, architektonischen und Raumfunktionsprinzipien bestimmt werden. In natürlichen Systemen sind die im Verbund wirkenden Funktionen trotz funktionaler Strukturspezifität hochgradig integriert. Dies bedeutet im Einzelnen: Form und Struktur gewährleisten gleichzeitig Energietransport und Austausch; Form und Struktur gewährleisten Licht- und Wärmeaufnahme, Wärmenutzung und Wärmeaustausch; Form und Struktur gewährleisten eine permanente Aufnahme und Abgabe von Substanzen, Gasen und Bauelementersatz bei gleichzeitiger Formerhaltung.

      Bei komplexen Gebäude- und Stadtstrukturen sind ähnliche Aufgaben zu berücksichtigen wie in biologischen Systemen. Als bionische Vorlage für allgemeine Städteplanungen bieten sich modellhaft sogenannte Thylakoidstrukturen der Chloroplaste des Pflanzenreiches an, in denen die Lichtreaktion der Photosynthese stattfindet. Diese Mikrostrukturen bestehen aus flachen Membransäcken mit Querverbindungen zwischen den oft geldrollenartig gelagerten Elementen. Sie ermöglichen optimale Lichtausnutzung, optimale Kontaktfläche zur Außenwelt und kürzeste Transportdistanzen zwischen den Elementen.

      In bionischer Analogie hierzu konnten ähnliche Stadtbauten geschaffen werden, bei denen die optimal großen Oberflächen der Häuser und die Überbauungen der Straßen und Plätze für Baumbewuchs, Garten- und Parkanlagen zu nutzen sind. Die Innenräume einer solchen architektonischen Thylakoidstadt stehen mit ausreichendem Volumen für Wohn-, Fertigungsund Verkehrsanlagen zur Verfügung. In diesen Terrassenstädten wäre das Licht für Grünland und Gewächshausanlagen besser nutzbar als auf den Flächen konventionellen Landbaus. Kohlendioxidemissionen technischer Anlagen und ihre Abwärme könnten sinnvoll zu einer höheren landwirtschaftlichen Produktivität und Generationenfolge beitragen.

      Aus Konstruktionselementen setzen sich Geräte zusammen. Diesbezügliche bionische Ansätze führen zur Entwicklung von Gesamtkonstruktionen nach Vorbildern aus der Natur. Besonders im Bereich der Pumpen- und Fördertechnik, der Hydraulik und Pneumatik finden sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.

      Eine Entwicklung einer baden-württembergischen Firma aus dem Bereich der Steuerungs- und Automatisierungstechnik wurde der Öffentlichkeit als bionischer Muskel, realisiert durch völlig neuartige pneumatische Antriebe, präsentiert. Der bionische Muskel besteht im Wesentlichen aus einem hohlen Elastomerzylinder mit eingebetteten Aramidfasern. Wird der pneumatische Muskel „Fluidic Muscle“ mit Luft befüllt, vergrößert sich dieser im Durchmesser und wird in der Länge kontrahiert. Dadurch wird eine fließendelastische Bewegung ermöglicht.

      Gemäß einer Pressemitteilung werden durch Einsatz des fluidischen Muskels Bewegungsabläufe möglich, die in Kinematik, Geschwindigkeit, Kraft, aber auch Feinheit menschlichen Bewegungen nahekommen. Bei vergleichbarer Größe erreicht der fluidische Muskel das Zehnfache der Kraft eines Zylinders, ist sehr robust und sogar unter extremen Bedingungen wie in Sand oder Staub einsetzbar. Mit seinem geringen Gewicht, der hohen Flexibilität und seinen vielseitigen Einsatzmöglichkeiten ist er für die bionische Arbeit besonders geeignet.

      Eine ganz andere Form der bionischen Arbeit leisten fluidische Muskeln von Festo beim sogenannten Humanoiden Muskelroboter im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes der Fachgebiete Bionik und Evolutionstechnik der TU Berlin. Beginnend mit einer Machbarkeitsstudie entstand hieraus ein Torso mit zwei anthropomorphen Roboterarmen und Fünffingerhänden. Das Schlüsselelement für die technische Umsetzung lieferten die fluidischen Muskel von Festo, deren Zugkraft mittels künstlicher Sehnen aus extrem reißfesten Dyneema-Seilen momentfrei auch über mehrere Gelenke hinweg an die gewünschten Stellglieder übertragen werden kann. So kann die Aktuatorik günstig im Körper angeordnet und die Masse der bewegten Teile klein gehalten werden. Jeweils zwei dieser kraftvollen und ultraleichten Aktuatoren können als antagonistisches Muskelpaar zusammengeschaltet werden und dienen zugleich als federnde Energiespeicher, die fließendelastische Bewegungen ermöglichen. Mit elementaren Funktionen wie Beugen, Strecken, Drehen werden im Gesamtkontext der Konstruktion mit insgesamt 48 Freiheitsgraden hochkomplexe Bewegungsabläufe realisierbar.

      Der Humanoid verfügt annähernd über denselben Bewegungsradius wie ein gleich großer Mensch. Mit seinem guten Gewichts-Leistungs-Verhältnis, seiner Fähigkeit, Gegenstände zu greifen und im Bewegungsraum zu positionieren, und seinen menschähnlichen Proportionen lässt er keine Zweifel an seinem Vorbild aufkommen. Der Roboter kann sowohl vorprogrammierte Bewegungen abfahren als auch über Datenanzug und Datenhandschuh online aktuiert werden. So können alle Bewegungen des menschlichen Protagonisten mit einer leichten Zeitverzögerung von etwa 0,5 Sekunden selbst auch über große Entfernungen direkt auf den Roboter übertragen werden. Daher kann der bionische Stellvertreter an Orten eingesetzt werden, die dem Menschen nicht zugänglich oder für ihn zu gefährlich sind. Die Palette potenzieller Anwendungsgebiete erstreckt sich vom terrestrischen Umfeld über die Tiefen des Ozeans bis zu Arbeiten im Weltraum.

      Bionische Raffinesse in Form strömungsoptimierter Pinguingeometrie war Pate für einen technologischen Versuchsträger namens b-Ionic Airfish, einen Flugkörper mit Ionenstrahltriebwerk. Ionenstrahlantriebe wurden ursprünglich für Weltraumanwendungen konzipiert und arbeiten mit hohen Gleichspannungsfeldern. Solche Antriebe wurden am 1. Physikalischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen erforscht und in Form des von dem Institut entwickelten Radiofrequenz-Ionen-Triebwerks (RIT) hergestellt. Die von einem solchen Triebwerk erreichbaren Rückstoßkräfte sind im luftleeren Raum sehr klein und bewegen sich im Millinewtonbereich. Dort reicht dies jedoch aus, um durch stetige Beschleunigung massereicher Ionen über lange interplanetare Flugstrecken hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. In der Atmosphäre kann das gleiche Prinzip eingesetzt werden, um Luftionen zu beschleunigen und kleine Rückstoßkräfte für hochfliegende Flugkörper leichter als Luft zu erzielen.

      Hohe Gleichspannungsfelder von 20.000 bis 30.000 Volt entreißen an dünnen Kupferdrähten umgebenden Luftmolekülen Elektronen. Die dadurch entstehenden positiven Luftionen werden dann mit hoher Geschwindigkeit von 300 bis 400 Metern pro Sekunde zu den negativ geladenen Gegenelektroden in Form von streifenförmigen Aluminiumfolien beschleunigt und reißen neutrale Luftmoleküle mit. Dies erzeugt einen effektiven Ionenwind mit einer Geschwindigkeit von bis zu zehn Metern pro Sekunde.

      Dieser Ionenstrahlantrieb wird in den schwenkbaren Stummelflügeln der Flugkörper eingesetzt und arbeitet nahezu lautlos und ohne bewegte Teile und macht das Flugobjekt beliebig steuerbar. Die flächige Luftbeschleunigung über der Tragfläche entspricht quasi dem mechanischen Schlagflügelantrieb von Pinguinen und treibt den b-IONIC Airfish an.

      Zukünftige Einsatzmöglichkeiten für atmosphärische Ionenantriebe liegen aber nicht schwerpunktmäßig auf dem Erzielen einer Vortriebskraft, sondern vielmehr in den Gebieten der Widerstandsreduktion und Widerstandsaufhebung. Hierzu sei darauf hingewiesen, dass Pinguine um ihren Körper eine Luftblase haben, gebildet durch Mikrobläschen im Federkleid, die den gesamten Körper umhüllt. Der hervorragende Widerstandsbeiwert liegt nicht nur in der geometrischen Besonderheit der Form, sondern auch in der Grenzschichtbeeinflussung mittels der umgebenden gasförmigen und flüssigen Phasen begründet.

      Strömungsphänomene der beschriebenen Art spielen auch in der Ventiltechnik eine große Rolle. Nach der Realisierung des Airfish mittels pneumatischer Strukturen und Schlaufenpropellerantrieben wurde beim nachfolgenden Versuchsträger die konsequente Fortsetzung der gezielten Beeinflussung des Strömungswiderstandes durch einen Ionenstrahl an der Oberfläche thematisiert. Davon ableitbar ist eine gezielte Reibungsreduktion mittels Ionenwind. Dadurch würde ein b-IONIC Airfish der Zukunft in der Luft „schwimmen“ wie ein Pinguin im Wasser.

      Bei der bionischen Prothetik wird wie bereits oben bezüglich Werkstoffthemen angesprochen die Entwicklung von Prothesen für den behinderten Menschen

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