Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont
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Die elastischen Polymerschichten wirken dabei wie gummiartiger Kitt zwischen zwei Mineralschichten und fangen Risse ab. In einem harten Material wie Titanoxid würden solche Schäden zwar erst unter großem Druck auftreten, da ein hartes Material aber meist auch spröde ist, frisst sich ein Riss durch es hindurch, sobald er entstanden ist – das Material bricht.
Um die bruchfesten Eigenschaften noch zu verbessern, entschieden sich die Forscher, ein Verbundmaterial aus kristallinem Titanoxid herzustellen anstelle der Verwendung von ungeordnetem und damit weniger stabilem Titanoxid. Der Werkstoff kann weiße Farbschichten oder schmutzabweisende Beschichtungen kratzfest und elektronische Bauteile bruchsicher machen. In optimierter Form würde es sich zudem als leichtes und robustes Material für die Beschichtung medizinischer Implantate eignen.
Muscheln ziehen im Perlmutt 40 Nanometer dicke Proteinschichten, die weich oder elastisch wie Gummi sind, zwischen 400 Nanometer messende Lagen von Aragonitkristallen, ein Mineral aus Calciumcarbonat. Deswegen ist das Material ihrer Schalen rund dreitausendmal bruchfester als reiner Aragonit.
Klettverschlüsse haben sich auf breiter Front in Haushalt und Industrie durchgesetzt. Als der Schweizer Erfinder George de Mestral nach einem Jagdausflug um 1950 wieder einmal mühsam die vielen Kletten aus dem Fell seines Hundes zupfen musste, kam ihm eine geniale Idee. Nach dem Vorbild der Natur konstruierte er einen Verschluss aus vielen kleinen Schlingen und Haken, den Klettverschluss. Das Haken-Ösen-Prinzip kommt vielseitig zum Einsatz. Als Alternative zu Schnürsenkeln, zum Befestigen medizinischer Bandagen und Prothesen oder als Kabelschutzmanschette in der Elektronik von Automobilen und Flugzeugen.
Leider sind gängige Klettverbindungen aus Kunststoff nicht besonders beständig gegenüber Hitze und aggressiven Chemikalien. Dabei kann es beispielsweise im Automobilbereich sehr heiß werden. Schon in Krankenhäusern werden zur Reinigung aggressive Desinfektionsmittel eingesetzt und im Fassadenbau sind herkömmliche Klettbänder zu schwach.
Wissenschaftler der TU München haben in Kooperation mit Partnern aus der Industrie eine Lösung für derartige Anwendungsgebiete entwickelt, die den Namen Metaklett trägt und als stählerne Klettverbindung realisiert ist. Temperaturen über 800 Grad Celsius oder aggressive Lösungsmittel sind kein Problem für den metallischen Klettverschluss, der bei Zug parallel zur Klettfläche eine Haltekraft von bis zu 35 Tonnen aufweist. Senkrecht zur Klettfläche hält sie immer noch eine Zugkraft von sieben Tonnen pro Quadratmeter stand. Dennoch kann sie jedermann rasch und ohne jegliches Werkzeug lösen.
Feuermelder nach Art des schwarzen Kiefernprachtkäfers können helfen, Großbrände zu vermeiden. Bestimmte Insekten fliegen gezielt Waldbrände an, da sie auf die Nutzung der durch das Feuer geschaffenen Nahrungsressourcen spezialisiert sind. Einige dieser ca. 40 Insektenarten „spüren“ dabei das Feuer durch spezielle Infrarotrezeptoren.
Diese dienen in einem vom Institut für Zoologie der Universität Bonn geführten Bionik-Projekt als natürliches Vorbild für neuartige technische Sensoren. Waldbrände verursachen allein in der Europäischen Union jährlich Schäden in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Eine effektive Früherkennung kann helfen, die Entstehung von verheerenden Großbränden zu verhindern. Neuartige bionische Infrarotsensoren nach dem Vorbild des Schwarzen Kieferprachtkäfers sollen dabei helfen.
Als unmittelbare Vorlage für die Sensorentwicklung dienen die photomechanischen Infrarotrezeptoren des Prachtkäfers der Gattung Melanophila. Durch die Simulierung eines großen Öltankfeuers, das in Kalifornien unglaublich große Mengen von Melanophila-Käfern anlockte, kann es als wahrscheinlich angesehen werden, dass die Käfer ein Großfeuer mithilfe ihrer Infrarotsensoren aus über 100 Kilometern Entfernung orten können.
Die thermomechanischen Eigenschaften der die Infrarotstrahlung absorbierenden Strukturen werden zudem mit modernen materialwissenschaftlichen Methoden untersucht, um die Wirkmechanismen auch im Mikro- und Nanobereich zu verstehen. Mit den an den biologischen Infrarotrezeptoren gewonnenen Ergebnissen werden bereits seit Jahren verschiede Demonstratoren und Prototypen hergestellt.
Hervorstechende Vorteile derartiger Sensoren sind eine relativ einfache Bauweise, die starke Miniaturisierung der einzelnen Sensorelemente und eine geringe Störanfälligkeit. Die neuartigen Infrarotsensoren ermöglichen die Herstellung robuster Feuermelder und die Produktion von Feuer- sowie Hitzedetektoren zur Verwendung in Gebäuden und Fahrzeugen. Einfach zu betreibende und zu bedienende wärmebildgebende Sensoren könnten zudem als Nachtsichtassistenten in Automobilen, Infrarotsichtgeräten für Feuerwehreinsätze sowie in der Grenzüberwachung und Minensuche eingesetzt werden.
Weitere Anwendungsfelder sind Diagnoseverfahren in der Medizin, Temperaturüberwachung in der Industrieproduktion und die Qualitätssicherung im Baugewerbe. Beispielsweise ermöglichen einfach zu handhabende Infrarotsichtgeräte, dass Hausbesitzer selbst Wärmeleckagen ihrer Häuser ermitteln und Verbesserungen an der Dämmung durchführen können. Dies hilft bei der Energieeinsparung – dem Prachtkäfer sei Dank.
Insekten spielen auch die Hauptrolle im Fall der nachfolgenden Innovation. Bei ihr geht es um die ausgeklügelte Funktionsweise von Insektenaugen, durch die Forscher des Jenaer Fraunhofer-Instituts für angewandte Optik und Feinmechanik zu einem bionischen Projekt angeregt wurden, der Funktionsweise dieser optischen Systeme auf den Grund zu gehen. In diesem Zusammenhang wurden Minikameras entwickelt, die aufgrund ihres von Insekten adaptierten Facettenaugenprinzips in der Lage sind, in ihrem Einsatzfeld des Kfz-Innenraums die Augenbewegungen des Fahrers zu beobachten und einen drohenden Sekundenschlaf zu erkennen. Der optische Sensor nach dem Facettenaugenprinzip von Insekten würde dann schwere Unfälle und Todesopfer im Straßenverkehr verhindern helfen.
Der geringe Abstand zwischen Linse und Fotorezeptoren sowie die geringe Größe der Optik machen Facettenaugen zu einem perfekten Vorbild für technische Kamerasysteme. Anfangs realisierte künstliche Facettenaugen konnten aufgrund ihrer geringen Bildqualität allerdings nur als einfache abbildende optische Sensoren eingesetzt werden. Dadurch wurde die notwendige Kompetenz für ein hierzu erforderliches systemtechnisches und interdisziplinäres Managementkonzept auf den Plan gerufen.
Konkret wurden im Rahmen diese interdisziplinären Ansatzes Vertreter aus den Bereichen Tierphysiologie, Experimentalphysik und Mikrooptik zusammengeführt, um aus dem gewonnenen Verständnis natürlicher Facettenaugenprinzipien ganz neue Wege in der Entwicklung optischer Systeme zu gehen. Insbesondere werden neuartige Prinzipienkombinationen untersucht, die eine deutlich höhere Schärfe der ultrakompakten Objektive zulassen. Diese erfordern ein beträchtlich komplizierteres Optikdesign, modifizierte Technologien und komplexere Aufbau- und Verbindungstechnik.
Die resultierenden facettierten ultraflachen Abbildungssysteme liefern Bildauflösungen, die ihren Einsatz in der Mikroskopie, im Gesundheitswesen, der Überwachungstechnik oder sogar als sehr kompakte Kamera im Mobiltelefon erlauben. Mit seiner geringen Baugröße ist dieses Objektiv prinzipiell sogar in Kreditkarten oder Folien anwendbar. Ein wesentlicher Bestandteil des Facettenaugenprojektes betrifft auch die Verfügbarmachung effizienter Massenfertigungsverfahren der Polymermikrooptiken auf Glas im Wafer-Maßstab für die neuartigen insekteninspirierten optischen Systeme.
In einem vom Dresdener Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) geführten bionischen Projekt werden auf Basis von Knochenumbauprozessen computergestützte Methoden zur Konstruktion, Simulation und Fertigung gradierter zellularer Strukturen entwickelt. Ziel ist zum Beispiel der Einsatz von Dauerimplantaten im Kieferbereich oder Leichtbaustrukturen für den Automobil-, Flugzeug- und Anlagenbau. Der Knochen mit seiner massiven, dichten äußeren Randschicht, der sogenannten Kompakta, und den schwammartigen Knochenbälkchen, der Spongiosa, als natürlich