Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont

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Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont

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beispielsweise als Seh- und Hörprothesen direkt in die Sensorik eingreifen. Entscheidend wichtig wird sein, inwieweit es gelingt, die Informationsleiter der Biologie und der Technik – Neurone und Kabel – zu verbinden. Hierfür gibt es hoffnungsvolle Ansätze. Aber auch das Abgreifen von Potenzialen an Muskeln von Extremitätsstümpfen und die Ansteuerung von muskelähnlichen Stellgliedern in der Prothese kann sicherlich deutlich weiterentwickelt werden. Die direkte Interaktion von Mensch und Maschine gehört im weitesten Sinn hierzu.

      Die bionische Robotik geht davon aus, dass Roboter heute meistens mit Stellgliedern arbeiten, die genau, aber ruckartig positionieren. Die Natur arbeitet ganz anders: Nichtlineare Stellglieder (Muskeln) positionieren die Extremitätsspitze nicht von Anfang an präzise, werden aber bis zum Erreichen des Kotaktpunkts in eigentümlicher Weise – an ihre Nichtlinearitäten angepasst – nachgesteuert. Die Nachahmung dieser natürlichen Technologie in einer bionischen Robotik steckt ebenfalls noch in den Kinderschuhen und könnte wie auch die bionische Prothetik sehr wesentlich werden.

      Hinsichtlich der Klima- und Energiebionik stellen passive Lüftung, Kühlung und Heizung wesentliche Gesichtspunkte dar. Das Studium natürlicher Konstruktionen und die Analyse sogenannter primitiver Bauten beispielsweise in Zentralamerika und Nordafrika kann zu unkonventionellen Anordnungen und Einrichtungen führen. Dazu gehören die Idealausrichtung zu Sonne und Wind, Dachformen, Nischen in der Erde, eine ideale Unterkellerung und Luftführung vom kühlen Erdreich in die sommerwarmen Räume, eine Luftumwälzung mit Gasaustausch unter Verwendung poröser Materialien und die Energiespeicherung in wärmeaufnehmenden Systemen. Mit der Übernahme solcher natürlichen Prinzipien, wie sie beispielsweise die Termiten verwirklichen, können bis zu 80 Prozent der elektrischen Energie zur sommerlichen Kühlung und 40 bis 60 Prozent der Energie zur Winterheizung gespart werden. Symbiotische Integration von Pflanzen in die Wohnlandschaft kann zur Verbesserung des Sauerstoffpartialdrucks und zur Nahrungsversorgung dienen.

      Die Energiebionik befasst sich mit Energiewandlungen in lebenden Organismen, Strukturen und Systemen der Natur, um dadurch ähnliche technische Systeme, Verfahren und Geräte für die Energiewandlung und Energieproduktion zu entwickeln und herzustellen. Ebenso stehen Systeme im Fokus des Interesses, die zur Reduktion des Energieaufwands und Energieeinsatzes oder zur Optimierung des Energieverbrauchs von der Natur evolutiv entwickelt wurden, wie auf dem Innovationskongress im österreichischen Villach im Jahr 2012 thematisiert. In engem Zusammenhang mit energetischen Fragestellungen stehen Aspekte der Klimatisierung. Passive Lüftung, Kühlung und Heizung sind wesentliche Gesichtspunkte.

      Hinsichtlich passiver Ventilation von Bauten und Häusern sei folgendes Fallbeispiel angeführt: Der Präriehund Cynomys erzeugt unter Nutzung des Bernoulli-Prinzips durch unterschiedliche Gestaltung der Ein- und Ausgänge seines Baus trotz unterschiedlicher Richtungen des darüberströmenden Windes eine eindeutig gerichtete Luftströmung durch den Bau. Damit ventiliert er ohne eigenen Energieaufwand sein Heim. Analog nutzt die alte iranische Architektur in ariden Regionen mithilfe von Kuppelbauten und Windtürmen die Windströmung nach ähnlichen Prinzipien. Da die Luft vom Windturm zum Wohngebäude durch unterirdische Gänge geleitet wird, wird die Erdkühle und Erdfeuchtigkeit zur Temperierung und Klimatisierung benutzt.

      Die Präriehunde wissen zwar nichts vom Bernoulli-Effekt, aber sie nutzen ihn souverän aus, was durch ein genetisches Programm bedingt ist. Beim Bau einer neuen Höhle wird die ausgebuddelte Erdmasse nur an einer der beiden Öffnungen verteilt. Dort entsteht dann ein immer höher werdender „Vesuv-Kegel“ mit Plateau. Wenn der Wind darüberstreicht, entsteht eine Saugkraft und die Luft wird an dieser Stelle aus dem Bau herausgezogen. An der gegenüberliegenden Öffnung, die flach ist und keine Erhebung hat, wird die Luft im Stil einer vollautomatischen Zwangsventilierung eingesaugt. Es spielt dabei auch keine Rolle, von wo der Wind bläst, da der „Vesuv-Kegel“ gleichmäßig rund ist. Die Wohnräume unter der Erde sind mit Heu ausgepolstert. Dieses nimmt die Bodenfeuchtigkeit auf und wird vom durchströmenden Wind ventiliert. Auch dadurch wird die Strömung ein wenig abgekühlt, also wieder eine vollautomatische wind- und damit letztendlich sonnengetriebene Klimatisierung.

      Die Energiebionik fördert eine Vielfalt in der Natur praktizierter Prinzipen als Blaupause für technische Problemstellungen zutage. Man denke zum Beispiel an den Start eines Albatros, den er nur mit großen Anstrengungen bewerkstelligen kann, wie es humorvoll in Walt Disneys Bernhard und Bianca gezeigt wird, wo die beiden Mäusepolizisten per „Albatros Airlines“ zum Ort des Verbrechens reisen. Ist er aber erst einmal in der Luft, dann ist seine Flugleistung unglaublich. Er kann Tausende Kilometer fliegen, ohne Zwischenlandung und ohne auch nur einmal mit den Flügeln zu schlagen.

      Albatrosse beherrschen die Technik des dynamischen Segelflugs, wobei sie den Windgradienten nutzen. Mit zunehmender Höhe steigt die Windgeschwindigkeit an – am Boden ist sie wegen der Reibung praktisch null, erst in einigen Hundert Metern Höhe entspricht sie der Geschwindigkeit, die sich aus der Differenz zwischen Hoch- und Tiefdruckzonen ergibt. Durch geschickte Flug- und Wendemanöver verwandeln Albatrosse Geschwindigkeitsunterschiede in Auftriebskräfte, um sich nach einer Wende zum richtigen Zeitpunkt wieder beschleunigen zu lassen und so weiter.

      Niedrigenergieprozesse sind ein Credo der Natur, das heißt, sie kommt in der Regel mit wenig Energie aus. Deshalb geht es bei der Energiebionik primär um die Erlangung des Verständnisses, wie die Natur bestimmte Aufgaben erledigt und wie daraus Anregungen gewonnen werden können. Wie und ob das technisch umgesetzt werden kann, ist üblicherweise die Herausforderung für interdisziplinär zusammengesetzte Teams, die Mitglieder mit naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Ausbildungen umfassen.

      Als Beispiel dafür sei hier der Mottenaugen-Effekt angeführt. Bereits in den 1960er-Jahren wurde entdeckt, dass die Augen von Motten praktisch kein Licht reflektieren, denn jede Reflexion bedeutet einen Lichtverlust. Die Motten können ihre Lichtausbeute dadurch steigern und sehen in Dunkelheit besser. Der Effekt beruht auf kleinsten Noppen auf der Oberfläche, durch die eine scharfe Grenze des Lichtbrechungsindex zwischen Augen und Luft vermieden wird. Technisch wurde dieses Prinzip bereits realisiert – etwa, indem Strukturen kleiner als die Wellenlänge des Lichtes in eine Glasplatte geätzt werden. Dadurch ließe sich im Idealfall die Ausbeute einer Photovoltaikanlage um sieben Prozent steigern.

      „Leise wie ein Eulenflügel“ lautete das Motto der Produktpräsentation für eine neue Ventilatorgeneration einer im Bereich der Lüftungstechnik tätigen Firma mit Hauptsitz in Baden-Württemberg. Das Unternehmen entwickelte einen neuen Ventilatorflügel nach dem Vorbild von Eulenflügeln mit dem Ergebnis, dass der Ventilator flüsterleise ist. Zudem wird dieser „bionische Ventilator“ aus einem biobasierten Polyamid hergestellt. Die Firma hat die Vorteile der bionischen Vorgehensweise erkannt und entsprechend in der Formgestaltung ihrer neuen Ventilatorgeneration eingesetzt. Besonders der extrem leise Flug der Eule hat die Entwickler des Unternehmens inspiriert. Ventilatorflügel mit einer gezackten hinteren Kante wie beim Eulenflügel sind nun in vielen Bereichen ein markantes Kennzeichen von Produkten des Industrieunternehmens. Diese Geometrie nach Vorbild des Eulenflügels reduziert das Geräusch des Ventilators maßgeblich. Neu ist auch der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen für die Kunststoffherstellung. Als Material für den neuen Axialventilator wählte man ein biobasiertes Polyamid. Die extrem leisen und energieeffizienten Ventilatoren finden Einsatz in der Kältetechnik, bei Klimaanlagen, in Heizungen, in Wärmepumpen und zur Elektronikkühlung.

      Nachfolgend werden im Stil einer Schaufensterfront weitere Muster der Bionik gezeigt. Amerikanische Forscher experimentierten mit einem neu entwickelten Pflaster, das nicht mit Klebstoff beschichtet, sondern mit Hunderten von Mikronadeln aus Kunststoff besetzt ist. Diese dringen in das Gewebe ein, schwellen dort an und halten das Pflaster fest. Das Pflaster schont die Haut und lässt sich leicht wieder entfernen. Das Vorbild ist der Kratzwurm, ein Fischparasit, der möglichst lange in seinem „Lebensraum“ bleiben und seinen Wirt nicht verlassen will. Deshalb dringt der Wurm mit seinem dünnen Rüssel in die Darmwand des Fisches ein, wo der Rüssel durch die Einlagerung von Wasser sein Volumen vergrößert und sich dadurch fest im Gewebe verankert. Während der Kratzwurm jedoch nur einen einzigen

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