Die POPkörner (1). Ein Stern für Lou. Stefanie Taschinski

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Die POPkörner (1). Ein Stern für Lou - Stefanie Taschinski Die POPkörner

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Neben dem Fenster stand ein großes Himmelbett und auf dem weißen Schreibtisch herrschte heilloses Chaos: Stapel von Zeitschriften, Heften und Ordnern lagen wild durcheinander, darunter entdeckte Lou einen Laptop, und über dem Schreibtisch hing das Poster eines Jungen. Lou schätzte ihn auf fünfzehn, sechzehn. Er sah asiatisch aus, trug Hemd und Blazer und saß an einem Flügel. Neugierig ging Lou zum Schreibtisch und las den Namen. Tian Long. Lou hatte noch nie von ihm gehört. Aber er sah toll aus, wie ein echter Star. Unten in der Ecke hatte jemand das Poster mit chinesischen Schriftzeichen signiert. Lou zeigte auf die Zeichen. »Ist das sein Autogramm?«

      »Nicht anfassen, klar!«

      »Schon gut. Schon gut.« Lou machte einen Schritt rückwärts. »Warst du auf seinem Konzert?«

      »Ja.« Motte friemelte die Streichhölzer aus ihrer Hosentasche und fing an, mit der Schachtel zu spielen. Lou setzte sich im Schneidersitz auf den Sitzsack. »Mein letztes Konzert waren The Grizzlies. In Vancouver auf einem Straßenfest. Die sind wirklich genial!«

      Motte lachte kurz auf. »Huuu! The Grizzlies? Klingt gefährlich. Treten die im Bärenfell auf?«

      Lou überhörte den ironischen Tonfall ihrer Cousine. »Sie sind noch ziemlich unbekannt. Aber die kommen bestimmt groß raus mit ihrer Musik! Tolle Mischung aus Folk und Rock und richtig schöne Balladen«, schwärmte Lou. »Wenn du magst, spiel ich dir mal was vor.«

      Motte riss ein Streichholz an und sah zu, wie die Flamme langsam auf ihre Fingerspitzen zuwanderte. »Was spielst du denn?«

      »Gitarre. Ma hat mir ihre alte zum Geburtstag geschenkt. Sie hat keine Zeit mehr zu spielen. Dabei war sie früher sogar mal in einer Band!«

      Motte leckte ihre Fingerkuppen an und fasste das verkohlte Ende des Streichholzes. Auf der anderen Seite erlosch die kleine Flamme.

      »Und du spielst seit letztem Jahr?«

      »Ne, erst seit diesem, aber ich kann schon ein paar Akkorde!«, sagte Lou.

      »Ahhh!«, machte Motte und holte das nächste Streichholz aus der Schachtel.

      »Spielst du nicht auch ein Instrument?«, fragte Lou.

      »Klavier«, nickte Motte. »Seit ich fünf bin.«

      »Wow! Dann können wir ja mal zusammen spielen!«

      Motte riss das nächste Streichholz an.

      »Ich spiele aber keinen Folk und auch keinen Rock.«

      »Macht doch nichts«, widersprach Lou. »Dann spielen wir eben was anderes, was dir gefällt. Klavier und Gitarre passen doch total gut zusammen.«

      Motte zog ihre Bluse aus der Hose und hielt die kleine Flamme gegen den Stoff.

      Lou sprang auf. »Hey, was machst du denn da? Sei bloß vorsichtig!«

      Schon verfärbte sich die weiße Baumwolle braun und die Flamme fraß ein Loch in den Stoff. Unbewegt hielt Motte das Streichholz fest.

      Lou sah sich suchend um. Wenn der Stoff jetzt Feuer fing… Entschlossen griff sie das Glas auf dem Nachttisch und kippte Motte das Wasser über den Bauch, um das Feuer zu löschen.

      »Hey!!! Bist du verrückt?!«, schrie Motte und sprang von der Fensterbank. Die Bluse klebte nass an ihrem Bauch und das Wasser rann ihr in die Hose.

      »Ich… ich dachte, deine Bluse fängt Feuer. Ich wollte dir nur helfen…«

      Motte wischte sich mit einer heftigen Bewegung über den nassen Stoff. »Das hab ich schon tausendmal gemacht! Ich brauch deine Hilfe nicht!«

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      6. Song

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      Die nächsten Tage herrschte im Kutscherhaus rege Betriebsamkeit. Alle Familienmitglieder waren so damit beschäftigt, sich einzurichten, dass es niemandem auffiel, dass die zwei Mädchen sich kein einziges Mal trafen. Lou hatte Mottes sonderbares Verhalten vom ersten Abend mit keinem Wort erwähnt. Etwas musste passiert sein, das ihre Cousine aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, da war Lou sicher. Für einen Moment hatte sie daran gedacht, mit Grandmère darüber zu reden – denn sie schien die Einzige zu sein, mit der Motte sich verstand. Aber dann hatte Lou sich anders entschieden. Wenn Motte sie erst besser kannte, würde sie es ihr sicher von ganz allein erzählen.

      Fünf Tage später stand Lou wie verabredet um halb acht am Gartentor und wartete auf Motte. Nervös spielte sie an ihrer Fahrradklingel herum. Ab heute würde sie auf eine Schule mit tausend Schülern gehen! Das musste echt der reinste Ameisenhaufen sein. Auf der Inselschule in Kanada waren sie mit Jody, der alten Labradorhündin, und den zwei Erdhörnchen, die unter der Veranda lebten, keine zwanzig gewesen! Lou dachte gerade darüber nach, was sie in der neuen Klasse erwarten würde, als die Haustür aufging und Motte herauskam. »Hey!«, rief Lou. Sie war so erleichtert, ihre Cousine zu sehen, dass sie ihr grimmiges Gesicht kaum bemerkte. Hauptsache, sie musste nicht allein zur Schule!

      Motte stapfte stumm zu ihrem Rad, das an der Hauswand der Villa lehnte. Kein Zweifel: Dies war der ultimative Albtraum – ein Albtraum, aus dem einen nicht einmal das Weckerklingeln erlösen konnte. Zum millionsten Mal fragte Motte sich, mit welchem Recht ihre Eltern sie dazu verdonnerten, den Begleitservice für ihre Cousine zu spielen. War es nicht gruselig genug, dass Louise in ihre Klasse kam? Motte schob zum Tor und stieg aufs Rad. »Rechts«, sagte sie tonlos und zeigte die Allee hinunter. Sie konnten sie zwingen, mit Louise zu fahren – aber nicht dazu, mit ihr zu reden!

      Die Lessing-Schule war ein altes, zweistöckiges Gebäude. Links vor dem Eingang befanden sich die Fahrradständer, rechts die Parkplätze der Lehrer. Von allen Seiten kamen Schüler auf die Schule zu. Lou wusste nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte, und blieb stehen.

      Motte ging weiter. Wenn ihre Cousine in der Einfahrt festwachsen wollte, bitte schön, sie würde nicht auf sie warten. Motte schob ihr Rad gerade in einen der Ständer, als David von der anderen Straßenseite auf seinem Skateboard herüberkam.

      »Hey, Motte, was geht?« Geschickt sprang er von seinem Board, tippte es mit dem Fuß hoch und klemmte es unter den Arm. »Wie waren deine Ferien?«

      »Frag nicht«, stöhnte Motte und nahm ihren Rucksack aus dem Fahrradkorb. »Und bei dir? Warst du weg?« Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Louise sich suchend nach ihr umguckte.

      »Wir waren Anzelten auf dem Campingplatz«, erzählte David. »Mit Osterfeuer und so.«

      Motte zog den Schlüssel aus ihrem Fahrradschloss. »Cool! Erzähl!«, sagte sie, und ohne noch einen Gedanken an ihre Cousine zu verschwenden, eilte sie mit David die Treppe zum Eingang hoch.

      Lou blickte sich um. Wo war Motte? Vor einer Sekunde war sie doch noch direkt neben ihr gewesen! Nun konnte Lou sie in dem Gedränge nirgends mehr entdecken. Lou schluckte. Es gab ihr schon einen kleinen Stich, dass Motte sie so stehen gelassen hatte. Sie schob ihre Umhängetasche nach hinten. Aber vielleicht war es ja gar nicht ihre Absicht gewesen. Möglicherweise hatte Motte sie einfach nur aus den Augen verloren und gedacht, dass Lou schon ins Gebäude gegangen war. Ja, so musste es sein. Der Gedanke beruhigte Lou ein wenig, und nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte, gab sie sich einen Ruck und betrat die Schule.

      Genau

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