Wem gehört die Zukunft?. Jaron Lanier

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Wem gehört die Zukunft? - Jaron Lanier

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von populistischen Ideologen, oder was man dafür hält, verkündet: »Die Regierung ist das Problem, die Märkte sind die Lösung.«

      Zu alldem sage ich: Ich bin Informatiker, für mich ergibt keine der beiden Positionen einen Sinn. Technologien sind nie vollkommen. Sie müssen unaufhörlich verbessert werden.

      Beispielsweise könnte man den Wunsch haben, einen Tablet-Computer zu entwickeln, der nach außen hin völlig makellos und glatt ist, keine Schalter und Tasten hat, sondern nur einen Touchscreen. Wäre er nicht vollkommener und würde dem Ideal viel besser entsprechen? Aber man schafft es nie so ganz. Ein paar zusätzliche Schalter, etwa um das Gerät überhaupt anzuschalten, sind unverzichtbar. Mit absoluten Ansprüchen ist das Scheitern für einen Technologen quasi vorprogrammiert.

      Märkte sind eine Informationstechnologie. Eine Technologie ist nutzlos, wenn man sie nicht verbessern und verändern kann. Wenn die Markttechnologie nicht völlig automatisiert werden kann, sondern noch immer ein paar »Knöpfe« benötigt, hat es keinen Sinn, so zu tun, als würde es auch anders gehen. Man jagt nicht schlechtfunktionierenden Idealen hinterher, sondern man behebt Fehler.

      Und es gibt immer Fehler! Wir haben gerade erlebt, wie Finanzinstitute in der vernetzten Finanzwelt mit Steuergeldern gerettet werden mussten, und anscheinend genügt nicht einmal die strengste staatliche Sparpolitik, um dafür aufzukommen. Also muss die Technologie verändert werden. Der Wille, eine Technologie zu verbessern, zeigt, dass man sich auf sie einlässt, nicht, dass man sie ablehnt.

      Wenden wir uns also wieder unserem vorliegenden Projekt zu, der Frage, ob die Netzwerktechnologie den Kapitalismus verbessern kann, anstatt ihn zu verschlechtern. Bitte tun Sie nicht so, als ob es eine Art »reine« Form des Kapitalismus gäbe, der wir treu bleiben sollten. Sie existiert nicht.

      Einkommen und Vermögen

      In den von der Immobilienblase geprägten ersten Jahren des neuen Jahrtausends war ein Buch mit dem Titel Rich Dad, Poor Dad: Was die Reichen ihren Kindern über Geld beibringen sehr populär. Darin erklärte der Autor, dass sein Vater, ein Akademiker, zwar ein ordentliches Gehalt gehabt hätte, aber nie richtig voranzukommen schien. Er blieb immer der »arme Dad«. Sein Mentor hingegen, der »reiche Dad«, legte sein Geld an, anstatt nur im Rahmen seines Gehalts zu denken. In der Folge jagten Millionen Leser diesem magischen Ding nach, das die Reichen hatten und sie nicht – einem Vermögen anstelle eines bloßen Einkommens. (Leider stellte sich heraus, dass der Kauf eines Hauses, eine der Hauptstrategien dieser Bewegung, eher eine Aufforderung dazu war, betrogen zu werden.)

      Streng genommen sind nur sehr wenige Reiche auch Großverdiener. Es gibt ein paar im Sport und in der Unterhaltungsbranche, aber sie sind wirtschaftlich betrachtet die Ausnahme. Reiche Leute verdienen ihr Geld normalerweise durch Kapital. Sie haben in Immobilien, Aktien und dergleichen investiert und beziehen daraus ihr Geld. Die Reichen haben die Psychologie der Finanzierung verinnerlicht, während wir Normalverdiener Geld immer noch als System zur Abrechnung und Buchhaltung betrachten. Oder anders ausgedrückt: Die Reichen kommen bei den Kapitalströmen in den Genuss großer Deiche.

      Auf den oberen Erhebungen des Reichtums entstehen die Deiche fast von allein. Für die meisten erfolgreichen Leute ist Vermögen wie das Meer, in das sich die Flüsse nach einem großen Sturm des kommerziellen Wandels ergießen.16 Es ist einfacher, reich zu bleiben, als reich zu werden.

      Ein idealer Mechanismus wäre ausreichend beweglich, um Kreativität zu belohnen und nicht zu einer dem Untergang geweihten Machtbasis für planwirtschaftliche Kontrollinstanzen zu werden. Dennoch sollte das Design so robust sein, dass es den unvermeidlichen heftigen Stürmen des Kapitalflusses widersteht, die von den in diesem Jahrhundert entwickelten neuen Technologien entfacht werden. Das Design muss lohnend und normal sein und darf nicht auf Alles-oder-nichts-Ereignisse angewiesen sein. Man könnte es sich also etwa so wie die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft vorstellen. Eine robuste Lösung wäre »skalierbar«, das heißt, sie würde, je mehr Menschen sie übernehmen, nicht schwächer, sondern immer stärker werden.

      Weiter unten werde ich einen Vorschlag für ein derartiges Design präsentieren.

      Der Geschmack der Politik

      Die Mittelschicht, die bisher durch »Deiche« abgesichert wurde, wird mittlerweile von zwei Seiten bedroht. Von oben schauen die Reichen, die vom Auftrieb des Kapitalflusses profitierten, manchmal nach unten und sehen eine künstliche Blockade der Kapitalströme. So hindert möglicherweise eine Gewerkschaft einen Arbeitgeber daran, sich Mitarbeiter zu suchen, die für weniger Geld arbeiten, eine geringere soziale Absicherung oder weniger Sicherheit am Arbeitsplatz verlangen. Was einem Arbeitnehmer als Sicherheit erscheint, kann einem Arbeitgeber oder Investor wie ein Hindernis für die korrigierenden Kräfte des Marktes vorkommen.

      Von unten betrachtet lehnen diejenigen, die vielleicht nicht in den Genuss einer speziellen Schutzmaßnahme kommen, die Absicherung der anderen ab. Dann wird beispielsweise die Legitimation von Lizenzgebühren, der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder einer akademischen Festanstellung infrage gestellt, weil diese Maßnahmen als künstlich herbeigeführte Vorteile anderer wahrgenommen werden oder, noch ärgerlicher, als Hindernisse für die eigenen Kapitalströme.

      Ein solches Beispiel erlebte ich in den achtziger Jahren, als ich ungewöhnliche Musikaufführungen organisierte, bei denen eine frühe Virtual-Reality-Technik zum Einsatz kam.

      In Städten mit starken Gewerkschaften war eine Aufführung nahezu unmöglich. Beispielsweise wurde mir in Chicago nicht einmal erlaubt, das Equipment auf der Bühne selbst aufzubauen. Das durfte nur ein Gewerkschaftsmitglied machen. Das Dumme war nur, dass kein einziges Gewerkschaftsmitglied je mit Lichtwellenleitern mit Sensorsystem oder der Verkabelung von Magnetfeld-Generatoren zu tun gehabt hatte, die nötig waren, um die Körperbewegungen der auftretenden Künstler zu verfolgen. Die Situation war verfahren und völlig absurd. Außerdem konnten einem die Gewerkschaftler manchmal regelrecht Angst einjagen. Auf intellektueller Ebene argumentierten sie kaum, es ging vielmehr eine konkrete körperliche Bedrohung von ihnen aus. Bei dem Kompromiss, den wir schließlich aushandelten, um meine experimentelle Aufführung auf die Bühne zu bringen, ging es vor allem darum, Gewerkschaftsmitglieder sehr gut dafür zu bezahlen, einfach nur herumzusitzen, und andere dafür, dass sie bestätigten, dass die Gewerkschaftler tatsächlich da gewesen waren, auch wenn sie nur herumsaßen.

      Damals schien also die Gewerkschaft nichts anderes zu sein als ein Hindernis, das sowohl die Kunst als auch den technischen Fortschritt blockierte. Dennoch kenne ich die Entstehungsgeschichte der Gewerkschaften und weiß ihre Bedeutung zu würdigen. Die Auseinandersetzungen zur Gründung der Gewerkschaften endeten oft tödlich, manchmal erinnerten sie fast an einen Krieg. Die Mitglieder der Arbeiterbewegung nahmen große Risiken und viel Leid auf sich, damit ganz normale Menschen heute ein freies Wochenende genießen und ein abgesichertes, ruhiges Leben führen können. Die Arbeiterbewegung war natürlich nicht frei von Fehlern, aber ich respektiere sie und bin dankbar für die Verbesserungen, die sie uns gebracht hat.

      Obwohl ich den Gewerkschaften also positiv gegenüberstehe, muss ich dennoch auf ein paar entscheidende Mängel hinweisen. Dabei geht es mir weniger um die Arbeiterbewegung als um die Natur der Deiche oder Absicherungen. Was man als »Deiche der Oberschicht« bezeichnen könnte, etwa exklusive Investmentfonds, hat sich bekanntermaßen oft als Schneeballsystem oder ein anderes Betrugsschema entpuppt. Und dieses Muster existiert leider bei den Sicherungsmaßnahmen auf allen Ebenen.

      Die Absicherungen sind eher menschlich als algorithmisch, was nicht unbedingt gut ist. Ob sie nun für die Reichen oder die Mittelschicht gedacht sind, sie haben unweigerlich etwas Konspiratives, und eine Verschwörung zieht naturgemäß die Korruption an. Kriminelle nutzen bestimmte klassische Absicherungen der Mittelschicht aus. Es ist ja allgemein

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