Mein Amerika. Jürgen Wiener
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Kapitel 3. Wo alles begann
Wenn ich mich heute frage, warum ich dieses Land und seine Bewohner so faszinierend finde – und dass in einem Land wie Deutschland, wo eher ein Trend zum Anti-Amerikanismus zu erkennen ist – dann muss ich zurückschauen auf meine Kindheit, wo alles begann.
Ich selbst wurde im Mai 1943, also mitten im zweiten Weltkrieg, in der Hansestadt Bremen geboren, in der ich auch aufwuchs und später auch studieren sollte, was damals absolut nicht absehbar war.
Bremen wurde aufgrund seiner Flugzeugbau- und Werftindustrie stark bombardiert, wobei einzelne Stadtteile quasi dem Erdboden gleichgemacht wurden und die Stadt sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges erheblich zerstört präsentierte.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges waren in unserer Nachbarschaft Amerikaner stationiert und dies war auch der erste Kontakt, den ich mit Amerikanern hatte.
Mir als damals kleinem Jungen ist in Erinnerung geblieben, dass die Amis freundlich zu uns waren und uns oft von ihren Trucks mit Apfelsinen, Kaugummi und Schokolade versorgten, Produkte, die wir gar nicht kannten.
Es war auch zugleich das erste Mal in meinem Leben, dass ich schwarzen Menschen begegnete, die uns am Anfang Angst einflößten, aber uns durch ihre Freundlichkeit und ihre kleinen Geschenke immer vertrauter wurden, sodass wir die Angst irgendwann ganz ablegten.
Das ging damals so weit, dass viele Mütter ihre kleinen Mädchen bei allen möglichen Gelegenheiten begleiteten, um ihre Kinder vor Entführung und möglichen anderen Tätlichkeiten der
Besatzer, insbesondere der schwarzen Besatzer, zu schützen. Wie wir heute wissen, eine völlig absurde Annahme, aber die Zeiten waren damals so.
Irgendwann waren die Amerikaner nicht mehr präsent in unserem Viertel und dieser Teil meiner Kindheit wurde ungewollt in der hinteren Schublade meines Gehirns abgelegt. Damals habe ich natürlich noch nicht geahnt, dass dieses Land und seine Bewohner mein späteres Leben doch so stark prägen sollten.
Die Verhältnisse, aus denen ich stamme, sind als einfach bürgerlich zu bezeichnen. Mein Vater war Elektriker und meine Mutter Verkäuferin.
Meine Familie – das waren meine Eltern und meine beiden älteren Brüder – wohnten in der Bremer Neustadt ab 1946 in einer kleinen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, ohne Bad und mit der Toilette auf dem offenen, im Winter eiskalten Balkon. Mein Vater hatte diese Wohnung, die durch eine durchgeschlagene, nicht aktivierte Brandbombe eine direkte Sichtverbindung zum Himmel hatte, abgedichtet und für uns hergerichtet und sie sollte mein Domizil bleiben, bis ich mein Elternhaus verließ.
Meine Kindheit und die meiner damaligen Freunde spielte sich zu einem erheblichen Teil auf der Straße ab, und zwar aus sehr pragmatischen Gründen, denn wir hatten weder Spielzeug noch Räume zum Spielen, so dass es keine Alternative zur Straße gab. Es blieb einem also nichts anderes übrig, als nach gemachten Hausaufgaben auf die Straße zu gehen, wo man seine Freunde traf, die aus den gleichen Gründen dort zu finden waren.
Ich erwähne dies in meinem Buch nicht, um Mitleid zu erwecken, sondern deswegen, um den Unterschied zwischen dem damaligen am Boden liegenden Deutschland und dem uns nur aus Wochenschauen, ersten Magazinen und Zeitungsmitteilungen bekannten Amerika den jüngeren Lesern vor Augen zu führen.
Das Land Amerika blieb mir aber auch aus einem anderen Grund im Unterbewusstsein und zwar deshalb, weil meine regelmäßige Lektüre Wildwestromane waren. Ich erinnere mich noch an die Westernhelden Tom Prox, Doc Holliday und andere Größen und die lebten nun mal im „Wilden Westen“ und somit in Amerika.
Es war damals so, vielleicht ab meinem 10. Lebensjahr, dass wir sonntags am frühen Nachmittag ins Kino gingen und uns Wildwest- und Seeräuberfilme anschauten. Dafür gab es von Mutter am Sonntag immer Taschengeld und das wurde eben auf diese Art verkonsumiert.
Damals gab es immer vor dem Hauptfilm die Fox Tönende Wochenschau und die berichtete über aktuelle Dinge unseres Landes und der Welt. Die Wochenschau begann immer mit einer unverkennbaren Melodie und einer Luftaufnahme, die New York aus einem überfliegenden Flugzeug zeigte, insbesondere das Empire State Building und auch die damalige Queen der Meere der United States beim Einlaufen in den Hafen von New York.
Das war der Moment, in dem meine Neugier auf dieses Land geweckt wurde, das so unendlich weit entfernt war, das bei uns völlig unbekannte Wolkenkratzer hatte, riesige vollautomatische Autoproduktionsstraßen, die Massen von PKW produzierten, während bei uns die ersten Autos überwiegend noch in manueller Bandfertigung gebaut wurden und als Unikate durch die noch verwaisten holprigen Pferdestraßen fuhren. Der Ausdruck Pferdestraße war damals noch sehr wörtlich zu verstehen, da mit Pferd und Wagen sehr viele Güter zu den
Kaufmannsläden, Kneipen, Baustoffhändlern und Schrotthändlern transportiert wurden.
Man muss sich heute auch vor Augen führen, dass damals noch kein normaler Bürger in die USA reiste.
Dies war in Ausnahmefällen einigen Politikern, Wirtschaftsbossen und Millionären vorbehalten und man fuhr per Schiff, da die ersten Linienflüge erst in den Fünfzigerjahren mit Propellermaschinen durchgeführt wurden.
Für mich war klar, dass ich eines Tages auch mal nach Amerika reisen würde. Natürlich war dies damals nicht mehr als ein Traum, dessen Erfüllung noch in weiter Ferne stand.
Kapitel 4. Ein steiniger Weg bis zur ersten Amerika-Reise
Nach Beendigung der Volksschule fing ich eine Lehre als Maschinenbauer an. Da mein Vater Handwerker war und ich gegenüber technischen Dingen auch recht aufgeschlossen war, gab es für mich eigentlich keine Alternative zu einem handwerklichen Beruf.
Ich begann also planmäßig, dem Wunsch meines Vaters folgend, eine Lehre in einem relativ kleinen Betrieb, der aber einen sehr guten Ruf bezüglich seiner Lehrlingsausbildung hatte. Ich war mit meiner Volksschulausbildung nur über den Freund meines Vaters an diese Lehrstelle gekommen, da sonst nur Lehrlinge mit mittlerer Reife oder Abitur eingestellt wurden, also gab es damals auch schon Vitamin B. Das waren die Kandidaten, die fast alle nach der Lehre ein Ingenieurstudium absolvierten.
Mit fortschreitender Lehrzeit und dem Umgang mit diesem erlauchten Kreis begann bei mir die Vorstellung zu reifen, dass ich eigentlich den Rest meines Lebens nicht im Blaumann verbringen wollte, sondern es entstand der Wunsch, auch Ingenieur werden zu wollen. Die Frage war nur, wie ich das anstellen sollte, denn mit meinem Volksschulabschluss konnte ich die Ingenieurschule nicht besuchen.
Ich hatte davon gehört, dass man auf dem zweiten Bildungsweg zur Ingenieurschulreife kommen konnte.
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