Mein Amerika. Jürgen Wiener
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Natürlich spielte ich damals wie die meisten meiner Freunde Fußball im Verein. Um spielen zu können, war regelmäßiges Training angesagt und das kollidierte zwangsläufig mit der Abendfachschule.
Ich lernte damals dann auch noch ein Mädchen kennen (meine heutige Frau) und damit war das Maß an Durchhaltevermögen überschritten. Das Ende vom Lied war, dass ich meine Abendfachschule schmiss, was bei meinem Vater die aufbauende Bemerkung erzeugte: „Ich habe ja schon immer gewusst, dass du nicht genug Mumm hast, so etwas durchzustehen.“ Er lehnte eine finanzielle Unterstützung jeglicher Art für zukünftige Flausen klar ab.
Da stand ich nun mit meinen knapp 18 Jahren, kurz vor Abschluss meiner 3,5 Jahre währenden Lehre, und musste feststellen, dass es bis zum Ingenieur noch viele, durchaus menschliche, Hindernisse, zu überwinden galt.
Mein damaliger und auch heute noch bester Freund Manfred hatte während unserer Lehrzeit ganz ähnliche Gedanken gehabt wie ich, mit dem einzigen Unterschied, dass er erst gar nicht die Strapazen der Abendfachschule auf sich genommen hatte, keinen Fußball spielte und auch keine Freundin hatte. Er war also in einer unvergleichbar besseren Position damals.
Mein Freund Manfred hatte einige interessante Neuigkeiten zu berichten, die bei mir auf offene Ohren stießen. Er erzählte mir, dass man die Ausbildung zum Schiffsingenieur machen konnte, indem man einige Jahre als Ingenieurassistent zur See fuhr, dann ein Vorsemester absolvierte und bei erfolgreicher Abschlussprüfung gleichzeitig die Aufnahmeberechtigung für die Ingenieurschule erhielt.
Da Personal bei der wachsenden Deutschen Handelsmarine knapp war, wurde einem auch noch die Bundeswehr erspart, was ein zusätzlicher Bonus war.
Er erzählte mir, dass man als Ingenieurassistent schon ganz gut bezahlt wurde und da an Bord eines Schiffes sämtliche Verpflegung kostenlos war, man gut das nötige Geld für das Studium zusammensparen konnte.
Da ich ohnehin jegliche finanzielle Unterstützung von zu Hause ausschließen konnte, schien mir dies der einzig gangbare Weg zu sein, im Leben voranzukommen, ohne völlig abstinent zu leben.
Das erforderliche Vorsemester und das eigentliche Studium waren ja noch ein paar Jahre hin und bis dahin würde sich schon manches von alleine regeln.
Es kehrte Frieden in meiner Seele ein, hatte ich doch jetzt einen klaren Weg vor mir, vom Maschinenbauer zum Ingenieur zu avancieren.
Es galt nur noch eine Kleinigkeit zu regeln, nämlich meiner Freundin meine Pläne nicht nur mitzuteilen, sondern sie auch noch davon zu überzeugen.
Ich hatte zwischenzeitlich die fehlende Werftlehre, die erforderlich war, um diese Ausbildung zu machen, durch eine einjährige Tätigkeit in einer Schiffspumpenfirma in Bremen kompensiert und es war der Sommer 1962, als es ernst wurde. Ich war in diesem Sommer heimlich 3 Wochen mit meiner Freundin nach Österreich gefahren, um ihr nochmals meine Liebe zu beteuern und ihr beizubringen, dass die Trennungen ja nur von kurzer Dauer seien und einer Liebe wie unserer nichts anhaben könnten.
Ich hatte mich zwischenzeitlich beim Norddeutschen Lloyd als Ingenieurassistent beworben, einen Vorstellungstermin gehabt und auch schon die Zuweisung eines Schiffes, dass in Kürze in Hamburg einlaufen würde und auf dem ich dann anheuern sollte.
Meine Freundin und ich machten dann unmittelbar vor der Anmusterung auf dem Schiff an einem stürmischen Sonntag einen Tagesausflug nach Helgoland mit einem Seebäderschiff, um meine Seestandfestigkeit nachzuweisen. Diese Probe habe ich im Gegensatz zu meiner Freundin mehr schlecht als recht überstanden. Ihr ging es so dreckig, dass sie sich auch nach dem Ausbooten an Land noch übergeben musste. Nun hatte sie eigentlich gar nichts mehr für meine neue Berufswahl übrig und fragte mich nur, ob ich mir das alles richtig überlegt hätte, was ich bejahte.
Im August 1962 kam dann der Tag, Tschüss zu sagen und nach Hamburg zu fahren und auf der MS Saarstein anzuheuern.
Als ich an Bord kam, erfuhr ich dann auch die anstehende Reiseroute unseres Schiffes: Es war die sogenannte Golf-Reise, also der Golf von Mexiko, und somit ging es das erste Mal in meinem damals knapp 20-jährigen Leben nach Amerika. Ich war glücklich und gespannt.
Kapitel 5. Endlich die erste Reise nach Amerika
Das Schiff, auf dem ich anheuerte, war die MS Saarstein (zur Erklärung: Schiffe sind immer weiblich und daher „die“); die Rundreise Deutschland/USA/Deutschland sollte ca. 2 Monate dauern und wird von Insidern als Golftrip bezeichnet (Golf von Mexiko).
Die folgenden Häfen waren geplant: Miami, Tampa, New Orleans, Houston, Corpus Christie und Bronsville und zurück nach Deutschland.
Ich hatte natürlich wahnsinnige Erwartungen und konnte es nicht abwarten, dass die Reise nun endlich losging. Die Tage in Hamburg verliefen nur sehr langsam und ich hatte zu lernen, dass es auf solch einem Schiff mit seiner großen Antriebsanlage und den vielen Nebenaggregaten viel zu tun gab.
Beim Norddeutschen Lloyd – denn das war die Reederei, bei der ich angefangen hatte – wurde täglich nochmals zwei Stunden zugetörnt (für Nichtseefahrer: zwei Stunden extra gearbeitet). Der Sinn dieser Tätigkeit lag darin, die erforderlichen Reparatur- und Wartungsarbeiten durchzuführen, und wenn diese beendet waren, auch durchaus darin, Verschönerungsarbeiten durchzuführen, wozu auch die von mir so "geliebte" Tätigkeit des Messingputzens gehörte. So eine Anlage hatte verdammt viel Messing und Kupferleitungen und die mussten blinken. Das war übrigens das erste Mal, dass ich die Richtigkeit meiner Entscheidung in Frage stellte und mit zunehmender Zeit immer mehr in Frage stellte, da dies auch zum Teil in Schikane ausartete.
Die Arbeitszeit auf dem Schiff für uns Ingenieurassistenten wurde in Wachen aufgeteilt, d.h., regulär 4h Wache, 4h Freizeit und in diesem Rhythmus eben 3x am Tag dieser Wechsel. Die
Wachen nannten sich 0-4 Wache (die sogenannte Hundswache), 4-8 Wache (die vielleicht angenehmste Wache) und die 8-12 Wache (ebenfalls angenehm).
Es war gleichzeitig auch eine gute Gelegenheit, die Nachbarstadt Hamburg, in der ich seit meinen Schultagen nie wieder gewesen war, kennenzulernen. Ich entdeckte hier für mich nicht weit von unserem Liegeplatz entfernt, die River Kasematten, in denen seinerzeit jeden Tag eine andere Life-Jazzband spielte und ich als Liebhaber des Jazz einige Male hinging, spätere Hamburg-Aufenthalte eingeschlossen.
Es war schon erstaunlich, dass ich als echter Bremer "Jung" bei einer Bremer Reederei angefangen hatte und nun nicht von Bremen, sondern von Hamburg aus zu meiner ersten Reise antreten musste. Auf jeden Fall war es soweit, der Tag des Auslaufens war gekommen.
Wir waren irgendwie noch auf der Außenelbe mit Landsicht und nicht schon in der Nordsee und ich hatte gerade Wache und machte meine Rundgänge in der Maschine, als ich mich im Wellentunnel aufhielt und ein leichtes Unwohlsein sich in der Magengegend einstellte. Ich dachte so bei mir, dass es doch nicht sein konnte, dass ich noch auf der Elbe bereits seekrank war – das durfte ich natürlich keinem erzählen, weil ich das schrecklich peinlich und unmännlich fand, bereits so früh mich übergeben zu müssen. Aber die Natur machte auch vor einem 182 cm großen und 86 kg schweren jungen Mann wie mir nicht halt und wenige Minuten nach den ersten Anzeichen ergoss sich ein Teil meines Mageninhaltes in den Wellentunnel. Da es ganz achtern im Schiff war (Übergang