Ein schwieriger Fall: Arztroman. G. S. Friebel
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Читать онлайн книгу Ein schwieriger Fall: Arztroman - G. S. Friebel страница 6
»Versuchen Sie es, meine Liebe!«, meinte Johanna freundlich. »Weglaufen kann man immer noch. Aber ich wäre enttäuscht, ehrlich.«
Alle lachten.
Dann wurden die Patienten vorgestellt.
Ein älterer Mann, der wirklich nicht reich zu nennen war, brauchte auch nicht viel zu zahlen. Nur gerade so viel, wie man auch für einen Urlaub anlegen würde. Die Behandlungskosten übernahm glücklicherweise seine Krankenkasse. Allmählich wurden die Kassen wach. Sie erkannten: Wenn man nicht neue Wege ging, würde bald wohl nichts mehr gehen. Die Kosten stiegen ins Unermessliche, und kein Ende war zu erkennen. Sie hatten bereits bemerkt, dass Patienten, die zu Dr. Bernstein gingen, für lange Zeit gesund blieben, sich also keine neue Krankheit ankündigte, was oft an der Tagesordnung war, denn alle Medikamente haben ihre Nebenwirkungen.
Dieser Patient war ein verschmitzter lustiger Mensch; er lachte den Arzt freundlich an.
»Er ist erst vier Tage bei uns!«
»Ei, ehrlich?«, fragte der Mann.
»Ja, Paul!«
»Und was fehlt Ihnen?«, wollte die junge Ärztin wissen.
»Ach, das ist so eine Sache. Ich habe da einen offenen Fuß, verstehen Sie. Das Biest will und will nicht heilen. Hab’ selbst schon ewig daran herumgedoktert. Mein Hausarzt meint, das würde für immer so bleiben. Aber ich will das nicht glauben. Wozu haben die Herren denn so lange studiert? Tja, und dann hab’ ich von Dr. Bernstein gehört und bin also jetzt hier.«
Dr. Losse sah ihren Chef an.
»Ich versuche die Wunde mit Spitzwegerich und Zinnkrautwaschungen, Salben aus Ringelblume und Schwedenbitter - Sie haben schon mal davon gehört? - zu heilen.«
»Aber ...«
Paul, der lustige Patient, mischte sich ein.
»Und das Zeug muss ich auch noch selber suchen«, klagte er der jungen Ärztin sein Leid.
Bettina war sprachlos. Das hatten sie doch früher nicht tun müssen.
»Damit er nicht faul herumsitzt und dick wird, unser Paul«, erklärte Dr. Bernstein lachend. »Mein Vater hat ihm das Pflänzchen gezeigt, und jetzt wandert er jeden Tag durch die freie Natur und sucht es.«
Bettina musste unwillkürlich lachen.
»Das ist ja ungeheuerlich!«
»Ja, das hat sich mein Vater ausgedacht.«
»Ja, dieser alte Gauner«, meinte Paul fröhlich. »Aber ich sage Ihnen: Das macht richtig Spaß. Was man doch noch alles lernen kann! Ich bin schon ganz grün im Kopf.«
Bettina lachte hell auf und wirkte jetzt direkt ein wenig hübsch.
»Ja, dann muss ich jetzt weiter. Nach dem Abendessen muss ich wieder Kräuter anbringen. Immer frisch! Aber ich weiß ja jetzt, wo sie wachsen.«
Die Gruppe ging weiter, als Frau Dr. Losse sich wieder an den Chef des Hauses wandte.
»Das ist sehr ungewöhnlich, Herr Kollege. Meinen Sie nicht, dass man damit Unmut ernten wird?«
»Ich habe einen breiten Rücken. Niemand wird gezwungen, hier zu leben. Wer es nicht möchte, der kann gehen.«
Bettina glaubte einfach nicht an einen Erfolg. Lag es vielleicht daran, dass sie noch nach altem Schema dachte? Wie so viele?
Der zweite Patient war eine Dame. Und die konnte zahlen. Sie hatte Rheuma wie Johanna und wurde von dieser auch betreut. Auch sie schien sich hier ganz wohlzufühlen, obwohl sie nicht danach aussah, dass sie sonst arbeiten müsste.
»Nun?«, fragte der junge Arzt seine Kollegin abschließend.
»Werden immer so wenige Patienten hier sein?«
»Ich kann nicht in die Zukunft schauen, Frau Losse. Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss zurück.«
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