Omnipotens. Thorsten Klein

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Omnipotens - Thorsten Klein PSYCHE

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und die werden Sie kaum da draußen finden“, sagte Herr von Sälzer. „Die Entscheidung zwischen den Kommunisten und uns kann doch nicht so schwer sein.“

      Herr Brandenburger mochte es, als Reichskanzler angesprochen zu werden. Aber er mochte nicht, dass man ihn unter Druck setzte. Erstrecht nicht, wenn dieser Druck durch einen ehemaligen Offizier und Diplomaten ausgeübt wurde.

      „Ich persönlich habe eine sehr feste Meinung zum Kommunismus, Herr von Sälzer“, antwortete er deshalb. „Demokratie heißt aber auch, Koalitionen einzugehen. In Sachsen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten und den Spinnern von der Linken gut. Vielleicht auch, weil sie funktionieren muss. Aber sie funktioniert. Selbst die sonst so stockkonservativen Bayern haben eine Räterepublik nach russischem Vorbild ausgerufen. Regiert von Linken und Sozialdemokraten. Warum sollte eine solche Regierung in Berlin nicht ebenfalls funktionieren?“

      Es war keine Frage, es war eine Provokation. Herr von Sälzer empfand das auch so. Herr Brandenburger konnte es im spiegelnden Fensterglas deutlich erkennen. Auch die Mühe, die von Sälzer hatte, eine ruhige Antwort zu geben. „Wollen Sie dieses Land etwa den Kommunisten überlassen? Sie? Als Sozialdemokrat? Die werden Sie kaum an der Macht lassen. Wir schon.“

      Der Reichskanzler drehte sich vom Fenster weg und sagte mit einer Verbindlichkeit, die er nicht fühlte: „Wenn wir in der Regierung zusammengehen, Herr von Sälzer, müssen auch sozialdemokratische Punkte im Regierungsprogramm erkennbar sein. Sehr viele, denn wir bilden die größere Fraktion. Es ist nicht sozial und erst recht nicht demokratisch“, fuhr er fort, „auf Kommunisten zu schießen. Nicht, wenn man miteinander in dem einen oder anderen Bundesland regiert. Das werden Sie doch einsehen.“

      Herr von Sälzer sah das nicht ein, schwieg aber dazu.

      „Ebenso werden wir nicht umstoßen, was die Herren Stinnes und Legien beschlossen haben“, bekräftigte Brandenburger. „Der Achtstundentag ist nicht nur eine Forderung der Kommunisten. Wir werden das erste Land sein, das ihn einführt. Da wir damit in Deutschland die russische Räterepublik verhindern, wünsche ich darüber keine Diskussionen.“

      Mit einem Kaiser an der Spitze gäbe es solche Eskapaden nicht, dachte von Sälzer. Noch war Kaiser Wilhelm im Exil, aber er würde bald wiederkommen. Auch durch die Hilfe von seiner Politik. Bis dahin war Geduld erforderlich. Und Diplomatie. Von Sälzer war einst Botschafter in Washington, der Hauptstadt Hinterindiens. Brandenburger würde schon merken, was man auf einem solchen Posten alles lernt.

      „Unsere Partei fordert die Auflösung aller Strukturen, die aus den Revolutionstagen übrig sind“, stellte er erst einmal seine Forderungen. „Diese Räterepubliken gehören dazu. Also weg mit ihnen. Wir verlangen dabei nicht, auf Deutsche zu schießen. Nur, wenn das unbedingt notwendig ist. In diesem Land muss wieder Ordnung herrschen. Sind wir uns wenigstens darin einig? Wir werden Gesetze erlassen, die diese Leute in die Illegalität treiben.“

      Herr von Sälzers Selbstgefälligkeit, mit der er diese Worte sprach, würde auskühlen, wusste der Reichskanzler. Der hatte vielleicht Ideen … Gesetze erlassen? In einer Demokratie? So etwas konnte dauern. So viel hatte Brandenburger bereits gelernt. Auch der Parteivorsitzende der konservativen Zentrumspartei würde das lernen.

      „Wenn Sie einverstanden sind, dass wir bis dahin friedlich regieren, Herr General von Sälzer, bin ich mit einer Koalition ihrer Partei mit der SPD einverstanden.“

      Herr Brandenburger reichte seinem Kollegen die Hand. Der nahm sie und schüttelte sie mit einer Kraft und Heftigkeit, die den ehemaligen General verriet. „Einverstanden, Herr Reichskanzler. Erst einmal schießen wir nicht auf die Kommunisten.“

      „Wir lassen auf niemanden mehr schießen, Herr General. Der Krieg ist vorbei und diese Gewalt, welche durch die Freischaren ausgeübt wird, muss auf die einzige Macht übergehen, die in Deutschland Gewalt ausüben darf: Die deutsche Regierung. Wir sind die deutsche Regierung, Herr General. Unser einziges Regierungsprogramm sollte sein, dass wieder Friede, Ruhe und Ordnung herrscht.“

      Ort: Psyche, Bad Döttelbach, Schwarzwald

      Es war friedlich im Schwarzwald. Ruhig sowieso. Die beiden Herren gingen plaudernd einen Waldweg entlang.

      Der Minister gestand sich ein, die kleine Wanderung war eine wunderbare Idee. Selten hatte er sich so frei und entspannt gefühlt. Bis in dieses Gebirge war der Krieg nicht gekommen. In der Stille und Harmonie dieser Landschaft versuchte der Minister, seinen inneren Frieden wiederzufinden, und den verlorenen Krieg und die damit in Verbindung stehenden politischen Probleme einen Spaziergang lang zu vergessen.

      Er erzählte gerade einen jener Herrenwitze, die er so liebte, wunderte sich aber, dass der Herr Kriminalrat mit so wenig Konzentration zuhörte. Na ja, immerhin war der bei der Sitte. Schon möglich, dass er schmutzigere Witze kannte.

      Er wollte gerade bitten, einen solchen zu erzählen, als ihn der Kriminalrat an der verletzten Schulter fasste und zu Boden riss. Der Aufforderung, in Deckung zu gehen, kam der Minister automatisch nach. An der Front gelerntes vergisst man nie. Auch nicht das Knallen von Schüssen, die nun zu hören waren.

      „Wieder so ein verfluchter Attentäter? Hier, im Schwarzwald?“, fragte der Minister fassungslos.

      Der Kriminalrat sah durch das Gebüsch, welches vorerst Deckung bot. „Ich bin mir sicher, es sind mehrere Attentäter. Nach den Geräuschen der Schüsse tippe ich auf drei. Gut verteilt, wenn sie clever genug sind.“

      „Drei?“, wiederholte der Minister. „Und alle bewaffnet? Dann haben wir keine Chance.“

      „Es gibt immer eine Chance. Wir müssen versuchen, auf öffentliches Terrain zu kommen. Ein paar Schritte weiter ist eine Straße. Dort werden sie nicht einfach so rumballern.“

      „Als man mich in Moabit anschoss, interessierte es den Schützen auch nicht, mitten in der Großstadt zu sein.“

      „Wollen Sie sich lieber im Wald abknallen lassen, Herr Minister? Wir sind doch keine Rehe. Wir sind Soldaten. Bleiben Sie in Deckung, Kopf runter. Da ist die Straße.“

      „Da“ war mindestens hundert Meter entfernt, wie der Minister mit einem heimlichen Seufzer feststellte. Er hatte keine Lust, zu sterben. Aber auch die Schnauze voll davon, ständig um sein Leben rennen zu müssen. Irgendwann ermüdet man durchs Kämpfen.

      Also stand er auf. Mit erhobenen Händen. Das sollten die Angreifer verstehen. Seine Worte auch: „Ihr verdammten, feigen Schweine. Ihr wollt Deutsche sein? Vielleicht noch deutsche Soldaten? Deutsche Soldaten schießen nicht aus dem Hinterhalt auf ihre Offiziere. Zeigt euch, wenn ihr den Mut dazu habt. Wir sind unbewaffnet.“

      „Wir sind nicht unbewaffnet.“ Mit diesen Worten stand einer der Attentäter auf. Er war nur dreißig Schritt entfernt, aber so gekleidet, dass er gut mit der Umgebung verschmolz.

      Der Minister erkannte ihn trotzdem. „Oberleutnant Baltheisser? Sie sind sich also nicht zu schade, einen ehemaligen Vorgesetzten anzugreifen?“

      „Es heißt inzwischen Hauptmann Baltheisser. Nur, damit der Herr Minister auf dem Laufenden ist. Außerdem waren Sie von dem Moment an nicht mehr mein Vorgesetzter, als Sie den Waffenstillstand mit dem Feind unterschrieben haben. Als erster, wie ich hörte.“

      „General von Dietrichstein hatte die Freundlichkeit, mir den Vortritt zu lassen. Schließlich hatte ich die Vereinbarungen zum Waffenstillstand hauptsächlich ausgearbeitet.“

      „Sie haben seit Beginn des Krieges gegen diesen gekämpft. Sie und dieser

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