Das Wetter vor 15 Jahren. Wolf Haas

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Das Wetter vor 15 Jahren - Wolf  Haas

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Trotzdem. Die Leidenschaft für das vergangene Wetter allein war es noch nicht, was Ihr Interesse geweckt hat.

      Wolf Haas Das allein hätte mich vielleicht begeistert. Aber eben nicht länger als – ein paar Minuten vielleicht. Eventuell solange die Sendung dauert, oder maximal bis zum nächsten Tag, wo man noch einmal mit wem darüber reden kann.

      Literaturbeilage Entscheidend für Sie war, dass es ein östreichischer Urlaubsort war?

      Wolf Haas Nein, das war mir völlig egal! Im Gegenteil. Diese Österreichthematik hängt mir schon von Wien bis Bregenz zum Hals heraus.

      Literaturbeilage Wo liegt Bregenz?

      Wolf Haas In der Schweiz.

      Literaturbeilage Also was war dann für Sie das Entscheidende?

      Wolf Haas Mich hat fasziniert, dass es der Urlaubsort seiner Kindheit war. Dazu muss ich sagen, dass ich selbst aus so einem Touristenkaff stamme. Ich kenne das so gut. Diese Liebesgeschichten, wenn man es so nennen darf, die sich zwischen Touristen und Einheimischen anbahnen. Besonders wenn jemand jedes Jahr in denselben Ort kommt. Die regelmäßige Wiederholung. Jeden Sommer ein paar Wochen. Das hat was Erotisches, das Warten, das Sehnen, das Träumen. Bei Kindern kommen dann noch die Entwicklungssprünge dazu, wenn man sich immer in so großen Abständen sieht.

      Literaturbeilage Haben Sie gleich geahnt, dass eine Liebesgeschichte dahintersteckt? Bei der Sendung hat er darüber ja kein Wort verloren.

      Wolf Haas Ich habe es gehofft, sagen wir so.

      Literaturbeilage Haben Sie auch selbst schon mal so was erlebt?

      Wolf Haas Leider nicht. Ich habe mich ja im Verdacht, dass ich gerade deshalb so auf diese Geschichte angesprungen bin. Aus Neid sozusagen. Oder als Kompensation, was weiß ich. Das ist ja schon eine wichtige Triebfeder fürs Bücherschreiben. Dass man selbst nichts erlebt.

      Literaturbeilage Aber Sie waren dann ja ziemlich tatkräftig. Immerhin sind Sie gleich ins Ruhrgebiet gefahren, um den Mann zu treffen.

      Wolf Haas Na ja, »gleich« ist übertrieben. Aber ich muss zugeben, für meine Verhältnisse war ich erstaunlich aktiv. Obwohl ich so etwas normalerweise ewig vor mir herschiebe, hab ich gleich am nächsten Morgen bei der ZDF-Redaktion angerufen. Im Nachhinein wundert mich wirklich, dass ich da schon so zielstrebig war. Wo ich noch gar nichts wusste!

      Literaturbeilage Sie haben die romantische Geschichte gewittert.

      Wolf Haas Anders kann ich es mir eigentlich auch nicht erklären. Der Anruf beim ZDF war natürlich sinnlos.

      Literaturbeilage Da rufen wahrscheinlich viele an.

      Wolf Haas Die waren zwar freundlich, aber die Adresse haben sie natürlich nicht rausgerückt.

      Literaturbeilage Klar, Datenschutz.

      Wolf Haas Sie haben mir angeboten, dass sie dem Wettkönig Kowalski meine Telefonnummer weitergeben. Er ist ja sogar Wettkönig geworden an dem Abend. Vielleicht haben die das sogar getan und ihm die Nummer gemailt oder was. Ich war ja wahnsinnig charmant am Telefon.

      Literaturbeilage Aber er hat nicht zurückgerufen?

      Wolf Haas Seltsamerweise bin ich erst nach dem Anruf bei der Redakteurin auf das Naheliegendste verfallen.

      Literaturbeilage Sie haben ins Telefonbuch geguckt.

      Wolf Haas Genau! In letzter Zeit geht das ja alles viel leichter. Früher musste man zur Wiener Hauptpost rein und einen widerwilligen Beamten bitten, dass er einem ein Telefonbuch fürs Ruhrgebiet gibt. Oder die Dame bei der Telefonauskunft hat einen zur Schnecke gemacht. Mein Problem war ja auch, dass ich mich nicht genau erinnerte, aus welcher Stadt im Ruhrgebiet er war. Also war’s jetzt Dortmund oder Bochum oder Gelsenkirchen? Sie dürfen nicht vergessen, dass das für mich als Österreicher alles irgendwie gleich klingt, das ist für uns ja einfach alles Ruhrpott.

      Literaturbeilage Für uns eigentlich auch.

      Wolf Haas Die Namen kennt man im Grunde nur von Fußballmannschaften.

      Literaturbeilage Sind Sie Fußballfan?

      Wolf Haas Eigentlich überhaupt nicht. Aber dadurch, dass Riemer so ein wahnsinniger Fan von Schalke 04 ist, hab ich da auch ein bisschen Feuer gefangen.

      Literaturbeilage Riemer, das ist Wettkönig Kowalskis Freund und Arbeitskollege, den Sie dann als Erstes getroffen haben.

      Wolf Haas Ja, also um das noch schnell zu beenden. Ich gebe einfach den Namen im Computertelefonbuch ein. In Österreich heißt die Netzadresse www.etb.at, also »etb« steht für elektronisches Telefonbuch.

      Literaturbeilage Und was bedeutet »at«?

      Wolf Haas Österreich. Austria.

      Literaturbeilage Ach ja, klar. Ich bin doof.

      Wolf Haas Mir ist es genauso gegangen. In Deutschland hatte ich noch nie gesucht. Und »etb« gibt’s da nicht. Ich gebe also auf gut Glück www.telefonbuch.de ein, und –

      Literaturbeilage Volltreffer beim ersten Versuch!

      Wolf Haas Kowalski gibt es zwar jede Menge im Ruhrgebiet.

      Literaturbeilage Ja klar, die Nachfahren der polnischen Bergarbeiter. Da heißt ja jeder ürgendwie Schimanski oder Kowalski.

      Wolf Haas Zum Glück hat er so einen auffälligen Vornamen.

      Literaturbeilage Sein Vorname kommt ja im ganzen Buch gar nicht vor. Dadurch, dass er selbst der Erzähler der Geschichte ist.

      Wolf Haas Gottseidank! Mit einem Deutschen namens Vittorio hätte ich mir schon schwer getan. Erstens klingt es saublöd. Und zweitens hätte dann alles viel zu gut zusammengepasst.

      Literaturbeilage Weil Anni einen italienischen Nachnamen hat.

      Wolf Haas Ja, Bonati. Es gibt bei uns einige italienische Familiennamen, besonders in Westösterreich. Aber was ich damals nicht wusste: im Ruhrgebiet eben auch! Weil es ja nicht nur polnische, sondern auch italienische Grubenarbeiter im Ruhrgebiet gegeben hat.

      Literaturbeilage Allerdings erklärt sich damit nicht ein italienischer Vorname. Ich muss zugeben, Vittorio wäre mir im Roman auch etwas too much gewesen.

      Wolf Haas Das war eben, weil seine Mutter vor der Hochzeit einen italienischen Familiennamen hatte. Aber ich vergesse den Namen immer, wie die früher geheißen hat.

      Literaturbeilage Sie schreiben, dass sie sich ürgendwie als was Besseres gefühlt hat mit ihrem italienischen Namen gegenüber dem Kowalski ihres Mannes. Dass da so eine Rivalität lief zwischen den beiden. Sie sagt auch einmal zu Frau Bonati, sie würde sie um ihren Familiennamen beneiden.

      Wolf Haas Jedenfalls hat sie ihren italienischen Namen bei der Hochzeit aufgegeben, und das musste eben dann der Sohn büßen.

      Literaturbeilage Also ich finde Vittorio eigentlich sehr schön.

      Wolf Haas Mir hat’s jedenfalls sehr geholfen. Und ein paar Sekunden nachdem ich den Namen eingegeben hatte, hab ich

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