ERITREA. Katharina Füllenbach

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ERITREA - Katharina Füllenbach Reisepostillen

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vielleicht auch, weil sie so unangestrengt und selbstverständlich daherkommt.

       Sonntagnachmittag im Café des Cinema Roma

      Eine weitere Gemeinsamkeit der Kinopaläste ist, abgesehen vom italienischem Ursprung und der Übertragung britischer Fußballduelle der Premier League, die Tatsache, dass in allen Foyers auf großen Bildschirmen nonstop Nachrichten von CNN oder der BBC laufen. Zwar ohne Ton, aber die beiden Sender arbeiten mit so vielen Unter- und Zwischentiteln in ihren Nachrichtensendungen, dass eine fehlende Akustik dem Informationsfluss kaum einen Abbruch tut. _

       Café-Foyer Teatro Asmara

      Mein Touristenvisum impliziert eine generelle Erlaubnis zu photographieren. Seitdem ich das weiß, mache ich ausgiebig Gebrauch von Kamera und Mobiltelefon und nehme alles auf, was mir bemerkenswert erscheint. Hin und wieder werde ich von Passanten darauf aufmerksam gemacht, dass Photographieren verboten ist. Anscheinend haben sich manche Verhaltensrestriktionen tief ins kollektive Bewusstsein eingegraben und man achtet argusäugig darauf, dass sich auch die anderen daran halten. Das spricht natürlich für ein gewisses gegenseitiges Beobachtungs- und Kontrollsystem, aber sowas erlebt man, mit Verlaub, in anderen Ländern auch. Wenn ich an meine Studienzeit in der Schweiz denke, wird mir diesbezüglich bei der Erinnerung an das ständig zu hörende: „Eh, mais ca c’est interdit ici“ manchmal heute noch ganz anders. Und auch in ländlichen Gegenden Deutschlands wird dem Fremden zuweilen unaufgefordert von jemandem mitgeteilt, wo es im übertragenen Sinne langgeht.

      In Asmara reicht es in einem solchen Moment fast immer, den Besitz einer ‚Permission‘ fürs Photographieren zu erwähnen, um die Situation zu entschärfen. Heute begegnen mir bei der Aufnahme diverser Straßenszenen auch zwei Soldaten, die ein bisschen herumschäkern und mich schließlich auffordern, Photos von ihnen zu machen. Das geht mir dann aber doch zu weit. Wie fast überall auf der Welt ist das Photographieren von militärischen Einrichtungen oder militärischem Personal auch in Eritrea verboten. Ein Zuwiderhandeln scheint mir deswegen riskant und ich lehne dankend ab. Wir lachen und gehen einander winkend wieder auseinander. _

      An einem der letzten Tagen habe ich in den sauren Apfel gebissen und ein Foto für meinen Simkartenantrag machen lassen. Infolgedessen bin ich seit heute Morgen Besitzer einer eritreischen Simkarte mit der dazugehörigen Mobilfunknummer. Das ist wirklich ein großes Glück, denn ständig komme ich mit Menschen ins Gespräch, mit denen sich eventuell weiter zu verabreden nun wesentlich leichter geworden ist. Die Bearbeitungszeit meines Antrags ist damit, wie ich inzwischen erfahren haben, sensationell schnell, denn Eritreer warten dem Vernehmen nach manchmal monatelang darauf, bis sie ein Mobiltelefon aktivieren können. —

       Keren, 11. Februar 2020

      Wie schon vor ein paar Tagen festgestellt, ist der einzige echte Nachteil meiner derzeitigen gehobenen Wohnblockunterkunft ohne fließendes Wasser die Tatsache, dass man morgens um fünf oder sechs Uhr ohne eigenes Fortbewegungsmittel nicht von dort wegkommt. Es dauert entsprechend erneut eine ganze Weile, bis diesmal ein ‚contrac‘ Taxi aufgetan ist, das mich zu dem Busbahnhof bringt, von dem aus die Busse Richtung Keren abfahren. _

      Große politische Leitsätze behandelt der eritreische Präsident in seinen Ansprachen an das Volk, wie zum Beispiel letzte Woche in einer Rede anlässlich des dreißigsten Jahrestages der Befreiung von Massawa. Sie wurde zum Auftakt der Feierlichkeiten Freitag abends im Radio übertragen und ohne das Geringste zu verstehen, hatte ich einer ersten Partie dieser Rede im Bus auf der Rückfahrt nach Asmara zugehört, einen weiteren Abschnitt später am Abend im Sammeltaxi Richtung Wohnung und den Rest über meine dortigen Nachbarn mitbekommen, die sämtlich ihre Radios eingeschaltet hatten und ihrem Präsidenten lauschten.

      Offenbar ist man nach der Übertragung einer Präsidentenansprache im ganzen Land tagelang damit beschäftigt, konkrete Anhaltspunkte aus diesen Botschaften heraus zu analysieren und alle dazu Befragten beschreiben seinen Redestil als wolkig und wenig konkret. In der aktuellen Ansprache – so haben mir Gesprächspartner inzwischen übereinstimmend erklärt – deklinierte er, nicht zum ersten Mal, sämtliche außenpolitischen Beziehungen zu den unmittelbaren Nachbarländern und dem Rest der Welt durch. Er erklärte dabei nächste oder geplante Schritte der Zusammenarbeit oder aber auch, warum es Maßnahmen zum Aufbau einer solchen Zusammenarbeit nicht gebe. Abgesehen davon blieben seine Aussagen aber anscheinend eher vage. Jüngere Eritreer bemängelten außerdem im Nachgang, dass sie von ihrem Präsidenten keine allgemeine Betrachtungen und Philosophien über das Leben hören wollen, sondern konkrete politische Pläne, Entscheidungen und Aktionen von ihm erwarten. Es scheint fast, als prallen hier Lebens-, Erfahrungs- und vielleicht auch Alterswelten aufeinander, die sich gegenseitig kaum mehr verstehen können.

      Auf der Taxifahrt zum Busbahnhof höre ich die Rede des Präsidenten vom vergangenen Wochenende erneut und der Fahrer bestätigt, dass ihre Übertragung über Tage mehrfach wiederholt wird. Vielleicht um sicherzustellen, dass wirklich alle Bewohner des Landes sie mitbekommen? Und er, der Fahrer, bestätigt auch noch einmal, dass in dieser Rede keine der auch von ihm heiß ersehnten Erleichterungen des täglichen Lebens angekündigt wurden. _

      Der Andrang an der Bushaltestelle Richtung Keren ist gemäßigt, entsprechend braucht es diesmal keine Filzstiftmarkierung auf den Handrücken der Passagiere und gegen viertel nach sieben rumpelt der Bus von dem Sandplatz, der, von etlichen Verkaufsbretterbuden umgeben, als zentrale An- und Abfahrtstelle gen Norden dient. Vor Reisebeginn sind noch Hundertschaften fliegender Händler durch den schmalen Gang des Busses gezogen und haben alles zum Kauf angeboten, was üblicherweise auf so einer Fahrt irgendwann benötigt werden könnte. Erstmalig im Angebot sind allerdings diesmal gebrauchte kleine schwarze Mobiltelefone, wie man sie vor dem flächendeckenden Siegeszug der Smartphones auch bei

       Straßenszene in Keren

       uns kannte. Die Fahrt nach Keren führt über eine einspurig geteerte löchrige Straße und durch verschiedene Vegetationszonen während man zugleich viele hundert Meter Höhenunterschied überwindet. Dichterer Baumbestand wechselt mit trockenen Böden, bessere Straßenabschnitte mit Schlaglochpisten, die zu einer maximalen Fahrgeschwindigkeit von vielleicht dreißig Stundenkilometern nötigen. Die Entfernung zwischen Asmara und Keren beträgt sechzig oder neunzig Kilometer, je nachdem in welcher Quelle man die Information recherchiert. Beides sind beileibe keine gigantischen Distanzen, aber trotzdem braucht der Bus mehr als drei Stunden, bis er kurz vor halb elf Keren erreicht.

      Auch bei der Anzahl der Einwohner von Keren können sich die diversen Nachschlagewerke nicht einigen und geben die Gesamtzahl der Bevölkerung mit entweder fünfunddreißig- oder siebzigtausend Menschen an. Einig ist man sich im Gegensatz dazu, dass die Stadt stark von einer muslimischen Mehrheit geprägt ist und diesen Eindruck kann ich nach einem ausgiebigen Stadtbummel nur bestätigen. Überall begegnen dem Besucher Männer in blütenweißen, knöchellangen Gewändern, während die Frauen in den verschiedenen Abstufungen muslimischer Kleidung bis hin zur Vollverschleierung in der Hitze unterwegs sind. Auffallend auch der Bekleidungsunterschied bei den Schulkindern. Wie überall im Land gibt es in Keren Schuluniformen. Während in Asmara aber Jungen und Mädchen quasi Unisex die gleichen Hosen und Blusen tragen, stecken die kleinen Mädchen hier in bodenlangen Abayas mit fest unter dem Kinn zugebundenem Kopftuch. Und auch das Verhalten Fremden gegenüber ist deutlich weniger entspannt und vorbehaltlos, wie man es zum Beispiel in Asmara erlebt. Jungs rufen mir hier öfter etwas hinterher, Männer mustern

      

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