Lichtfisch. Arthur Witten
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Читать онлайн книгу Lichtfisch - Arthur Witten страница 11
»Hallo Ulla.«
»Hallo Martin.«
»Sorry, ich habe Musik gemacht und hatte den Kopfhörer auf.«
Ich deute in Richtung Decke, zu meinen Lieblingsnachbarn im Stockwerk über mir.
»Mietwohnung. Du hast schon ein paarmal angerufen, das hab ich jetzt erst gesehen.«
»Kein Problem, ich war … ich hatte … ich war sowieso gerade in der Stadt und dachte …«. Sie sucht nach Worten.
»Darf ich reinkommen?«
»Sicher. Setz dich.«
Ich räume schnell zwei Stühle für uns frei. Wir setzen uns.
»Danke.«
Sie atmet tief durch.
»Ich will dich auch gar nicht lange aufhalten. Ich dachte, vielleicht wäre Harald bei dir? Ich erreiche ihn seit eineinhalb Tagen nicht.«
Sie klingt aufrichtig besorgt.
»Hari und ich haben uns gestern auf dem Weihnachtsmarkt getroffen. Ich hatte einen Gig mit Hanna. Danach haben wir eine …«
Ja, was eigentlich? Einen Feldversuch für seine Theorie, die Ulla als Hirngespinst abtut?
»… eine Art Experiment durchgeführt. Eine – Befragung. Naja, irgendwie sind wir dann bei einer Bekannten gelandet, die uns freundlicherweise bei sich hat übernachten lassen. Hari hat ein bisschen was getrunken und deshalb heute leider wieder Migräne, daher liegt er vermutlich immer noch auf dem Sofa.«
»Eine Befragung? Sicher wieder eine seiner dummen Ideen und Theorien. Er soll sich mal um seine Arbeit kümmern, wenn er sich da so reinhängen würde, wie in seine Theorien, dann …«
Ulla stockt. Sie sieht mich an, ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie schluchzt.
»Es … es tut mir leid. Ich … ich will doch nur … ich mache mir solche Sorgen um Harald. Eigentlich will ich doch nur, dass es ihm gut geht, und dass er sein Leben endlich irgendwie auf die Reihe bekommt. Seit dem Unfall …«
Sie beißt sich auf die Unterlippe und schließt die Augen. Tränen laufen ihr über das Gesicht.
»Ulla, ich … es tut mir leid, ich … «
Ulla weinend in meiner Wohnung, das wirft mich komplett aus der Bahn. Ulla, die sonst alles und auch sich unter Kontrolle hat. Ich weiß nicht mehr weiter und klappe den Mund wieder zu.
Sie wischt sich über die Augen, fasst sich wieder.
»Nein, mir tut es leid, dass ich vor dir sitze und rumheule wie ein kleines Mädchen. Ich bin froh und dankbar, dass du ein Auge auf Harald hast. Wer weiß, wo er wäre, wenn er dich nicht hätte. Es ist nur … ich bin seine große Schwester, und ich mache mir immer noch Sorgen um ihn, genau so wie früher, als er ein kleiner Junge war. Und seit dem Tod unserer Eltern fühle ich mich noch mehr dazu verpflichtet, für ihn zu sorgen. Er ist so ein Träumer, das war er schon immer.«
Sie sucht in ihrer Tasche nach einem Taschentuch, findet es schließlich, trocknet sich damit die Augen und putzt sich die Nase. So verzweifelt wie gerade eben habe ich Ulla noch nie gesehen. Sie ist immer die Chefin gewesen, hat Hari hart rangenommen und herumkommandiert.
Langsam beginne ich zu begreifen, was wohl der tiefere Grund für ihr Verhalten ist.
»Ja, manchmal ist er wohl tatsächlich ein bisschen – unorganisiert.«
Sie blickt mich mit ihren verheulten Augen an und lächelt sogar ein bisschen.
Wenn sie lächelt, erkennt man, dass sie Haris Schwester ist, dann ist die Ähnlichkeit echt verblüffend. Ich überlege. Sehr oft habe ich Ulla nicht lächeln gesehen, und Hari lacht in letzter Zeit auch selten – außer gestern, als er voller Begeisterung Sina seine Theorie erklärt hat.
»So könnte man es auch ausdrücken – ›unorganisiert‹.«
Sie macht eine kleine Pause, das Lächeln verschwindet.
»Ich weiß, dass ich ihm schon sehr zusetze mit meiner Kritik an seinem Lebensstil. Vielleicht setze ich ihn zu sehr unter Druck? Ich will ihn ja nicht bevormunden, aber wenn ich sehe, dass er die einfachsten alltäglichen Dinge komplett vergisst? Soll ich ihm zusehen, wie er am Ende noch verhungert, weil er nicht dran gedacht hat, sich was zu Essen zu besorgen? Ich glaube ja nicht, dass er den Schussligen mimt, um mich zu ärgern.«
»Nein, auf keinen Fall! Hari ist tatsächlich … bleiben wir bei unorganisiert. Aber er ist froh, dass sich seine große Schwester um ihn kümmert. Ich bin sicher, dass er das zu schätzen weiß, auch wenn er dir das vielleicht nicht sagt.«
Da ist es wieder, das kleine Lächeln.
»Und ich glaube auch nicht, dass er verhungern würde oder so. Ich denke eher, dass du manchmal zu schnell für ihn bist, zu weit nach vorne denkst. Bis Hari bewusst wird, dass die Geschäfte am Sonntag gar nicht offen haben, hast du schon für ihn eingekauft.«
Und ihm eine ordentliche Standpauke gehalten, denke ich mir, traue mich aber nicht, es auszusprechen.
Ulla überlegt.
»Meinst du wirklich? So habe ich das noch gar nicht gesehen.«
»Hab ein bisschen Geduld mit ihm. Du weißt doch, Jungs sind immer langsamer als Mädchen, das war doch schon in der Schule so. Ihr wart uns doch immer meilenweit voraus, stimmt’s?«
Ich grinse Ulla an. Sie grinst zurück.
»Ja, da ist vielleicht was dran. Wenn du das sagst.«
Ihr Grinsen wird breiter.
»Ganz bestimmt. Ich war auch mal ein Junge, bin also vom Fach.«
»Du meinst also, ich soll ihn einfach mal machen lassen? Auch auf die Gefahr hin, dass er am Sonntag vor dem Supermarkt steht?«
»So ein Erlebnis kann sehr lehrreich sein, glaub mir.«
Mir ist das tatsächlich mehr als einmal passiert, ich weiß also, wovon ich rede. Aber auch das sage ich ihr nicht.
»Hm.«
Sie scheint die Situation in Gedanken durchzuspielen, wirkt aber noch nicht vollends überzeugt.
»Darf ich offen zu dir sein, Ulla?«
Ich probiere es jetzt trotzdem und hoffe, dass ich mich in der Wortwahl nicht vergreife.
»Ja klar, Martin, ich bitte darum!«
Also gut.
»Weißt du – Hari