Komfortzone. Robin Becker

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Komfortzone - Robin Becker

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ich nehme Sie mal mit nach draußen … Ich sehe gerade, der Sprinter mit dem genannten Kennzeichen steht hier auf unserem Gelände. Soweit ich informiert bin, hat der Wagen einen Motorschaden beziehungsweise Totalschaden und soll demnächst verschrottet werden. Sie können Ihre Sachen im Prinzip jeder Zeit abholen lassen.“

      „Danke, ich werde dann noch mal genauer Bescheid geben. Tschüss.“

      Ich steckte weitere Münzen in den Apparat und wählte Alex’ Telefonnummer.

      „Hallo.“

      „Helle hier.“

      „Helle? … Ach, ich erinnere mich.“

      „Ha, ha, du Komiker“, sagte ich.

      Er lachte beherzt. „Wie geht’s dir?“

      „Soweit so gut.“

      „Wann fängt die Arbeit an?“

      „Zum Glück erst nächste Woche … Hast du ein Umzugsunternehmen gefunden?“

      „Ja, klar. Donnerstag um zehn Uhr holen die deine Sachen bei der Werkstatt ab. Am frühen Abend sind sie dann bei dir. Ich schätze zwischen fünf und sechs Uhr.“

      Ich atmete erleichtert durch.

      „Ist das deine neue Nummer?“

      „Nein. Warte mal, ich muss Geld nachwerfen.“

      Die Verbindung war weg, ich hatte kein Kleingeld mehr. Auch egal. Ich kam auf der Suche nach einer Bank am Bundesplatz vorbei, wo junge Leute, die Anzüge und Krawatten trugen, auf mich zukamen. Einer bat mich, von ihnen mit dem Bundeshaus im Hintergrund ein Foto zu machen und reichte mir eine kleine Digitalkamera. Ich knipste sie, gab dem Mann seine Kamera zurück und fragte ihn, ob er wisse, wo die nächste Bank sei. Er lachte, öffnete prophetisch die Arme, sah sich um, meinte, wo man hinschaue, ich könne mir eine aussuchen. Jetzt sah ich es auch, der Bundesplatz war abgesehen vom Bundeshaus geradezu von Banken umstellt.

      Ich betrat das Gebäude der Post Finance und richtete bei einer Frau, die wie Nelly mit den Augen klimperte, ein Konto ein. Zudem bestellte ich einen Telefon- und Internetanschluss und kaufte das billigste Festnetztelefon. Zur Belohnung bot die eloquente Verkäuferin mir 20 Prozent Ermäßigung auf einen Mini-Laptop an, den ich ebenfalls nahm.

      „Wollen Sie auch ein paar Rubbellose? Wenn Sie neun kaufen, bekommen Sie eines gratis“, sagte sie.

      Ich nickte und machte mich gleich ans Rubbeln.

      Die letzten drei ließ ich von ihr aufrubbeln – es brachte nichts. Sie empfahl mir ein besonders handliches Handy, erklärte einen Haufen Vorzüge.

      „Das klingt verlockend. Ich nehme es, wenn Sie mit mir essen gehen“, sagte ich, obwohl die Frau mir unlebendig und steif vorkam. Aber manchmal muss man halt probieren, was beim anderen Geschlecht geht, sonst rostet man ein.

      Sie klimperte weiter mit den Augen. „Ich bin nur die Post.“

      „Ach so, das habe ich mir schon gedacht. Wegen dem Horn auf der Brust und so.“

      Sie versuchte mir noch dies und das aufzuschwatzen.

      „Ist gekauft“, unterbrach ich sie. „Sie haben vollkommen recht. Ich habe mir das redlich verdient. Neue Stadt, neuer Mensch, neues Handy. Ich hab’s ja. Oder werde es noch verdienen.“

      Im Kaufhaus nebenan kaufte ich dann noch eine Bettdecke, Bettzeug, Handtücher und Unterwäsche.

      ***

      Ich rief meine Mutter an und erzählte ihr von dem Motorschaden und den ersten Eindrücken von Bern.

      „He-ll-le“, hörte ich im Hintergrund meinen Vater undeutlich sagen. Ich schloss kurz die Augen, sah meinen blinden Vater, wie er im Rollstuhl saß und der Sprechanlage lauschte, erinnerte mich daran, wie wir vor einer Ewigkeit zusammen mit dem Auto nach Amsterdam gefahren waren.

      Bei frühlingshaftem Sonnenschein hatte ich ihn an Kanälen entlanggeschoben, hatte die Boote, die da schipperten und ruhten, zunächst als romantisch, touristisch, praktisch – später als stolz, geduckt, häuslich, stur, traurig, lustig, verliebt beschrieben. Die Brücken hingegen sahen meistens wie farblose Regenbögen aus, so weit war ich irgendwann vor Erschöpfung. Es war schön, ihm konnte ich praktisch jeden spontanen Einfall ungefiltert unterbreiten. Er verurteilte mich nie für mein Geschwätz, fand mich gar witzig, egal was ich für einen Unsinn von mir gab.

      Am frühen Abend schob ich meinen Vater durch eine düstere Kirche. Wir schmatzten englische Weingummis, und ich flüsterte, dass Gott ein Arschloch sei, weil er seinen Sohn geopfert hat. So etwas würdest du nie machen, habe ich recht?

      Ein Priester schwebte heran und bat uns, hier drinnen nicht zu essen und leiser zu sein. Ich wurde dann tatsächlich immer stiller, als wir nicht weit von der Kirche an Schaufenstern vorbeikamen, hinter denen sich halbnackte Damen räkelten. Mein Vater musste dringend auf Toilette. Ich wusste, länger als vier Minuten würde er den Stuhlgang nicht zurückhalten können. Also schob ich ihn in die erstbeste Bar, einen Coffeeshop, total verraucht. Die Leute darin waren nicht gerade erfreut uns zu sehen. Als ich meinen Pa endlich vom Rollstuhl auf die winzige Toilette verfrachtet hatte, war bereits alles zu spät. Ich zwängte mich zwischen seine Beine, zog ihm die Hose und die vollgeschissene Windel aus, während er sich den Bart kraulte. Jemand klopfte an die Tür. Ich putzte meinem Vater gerade den Hintern ab, brauchte Unmengen Papier, versuchte Ruhe zu bewahren, wühlte aus meinem Rucksack eine neue Windel hervor, zog sie ihm an. Wieder dieses Klopfen, diesmal lauter.

      „Just a moment, please!“, rief ich.

      Je mehr ich mich beeilte und an ihm herumzerrte, desto brummeliger lachte mein Vater.

      „Hilf mal mit“, sagte ich.

      Er legte mir seine Arme auf die Schulter und zog sich einen hochroten Kopf bekommend in die Senkrechte.

      „Ja, so ist gut.“

      Jemand hämmerte jetzt regelrecht gegen die Tür, sagte etwas, das ich nicht verstand. Ich brauchte nur noch diese verdammte Hose zuzuknöpfen, dann war es geschafft.

      „Bauch einziehen oder meinen Fußball ausspucken“, sagte ich.

      Er lachte wieder, hatte seinen Spaß, na immerhin. Ich betätigte die Spülung. Die Toilettenschüssel lief voll Wasser, Papier und Scheiße wirbelten durcheinander, ohne abzufließen. Bauch an Bauch stand ich mit meinem Vater, stocherte mit der Klobürste in der widerlichen Kloschüssel herum und fluchte, während mein Vater mir versuchte zu erklären, dass die Toilette bestimmt verstopft sei. Ich betätigte noch einmal die Spülung, das war allerdings eine dumme Idee, denn die Kloschüssel lief über.

      „O Scheiße, Mann!“, rief ich, öffnete die Toilettentür, schob meinen Vater aus der Pfütze vor die Tür, wo ein tätowierter Skinhead-Typ entsetzt an uns vorbei in seine geflutete Toilette schaute. Ich entschuldigte mich für die Sauerei, die wir verursacht hatten, bat um einen Aufnehmer, doch der Typ sagte aggressiv, wir sollten verschwinden, aber ganz schnell.

      Vom vielen Rollstuhlschieben und Erzählen was in der Welt der Amsterdamer vor sich ging, wurde ich hungrig und begab mich mit meinem Vater in die nächste Bar. Wie sich herausstellte, war es wieder ein Coffeeshop.

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