Trojanische Hühner. Ado Graessmann

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Trojanische Hühner - Ado Graessmann

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hatte. Es begann mit einer Studienreise nach Italien, am Ende der zehnten Klasse. Unser Kunstlehrer hatte uns schon einige Monate vor Beginn der Reise auf verschiedene Kunstwerke aufmerksam gemacht, mit dem Schwerpunkt auf Marmor Skulpturen.

      Er meinte Florenz und Rom, das waren zwischen Ende des fünfzehnten und dem beginnenden sechszehnten Jahrhundert der Nabel der künstlerischen und kulturellen Welt, was zu dieser Zeit geschaffen wurde, kann man nicht beschreiben, man muss es selbst gesehen haben. Die Hochrenaissance sei die Wiedergeburt der griechischen Kunst gewesen und führte zu nie wieder erreichten Schöpfungen, geschaffen für die Ewigkeit.

      Unsere Studienreise begann in Florenz, wir waren in einem kleinen Hotel untergebracht, gleich neben dem Arno, zwei Nebenstraßen hinter der Ponte Vecchio, von meinem Fenster aus konnte ich die Brücke sehen. Am Flughafen in Pisa nahmen wir den Linienbus, und als wir in Florenz ankamen, war es schon dunkel, aber die Brücke überstrahlte die Umgebung, die Geschäfte waren noch geöffnet, ein Wunder dass die Brücke alles tragen kann, besonders bei den vielen Besucher, die auf dem Scheitelpunkt des Brückenbogens stehen, dort sind keine Geschäfte, zwei kleine Plätze, auf jeder Seite einer, mit freien Ausblick auf den Fluss, danach neigt sich die Brücke nach beiden Seiten bis zu den angrenzenden Straßen. Der Regen der letzten Tage hatte den Fluss leicht anschwellen lassen, nur einige Ruderboote kämpften sich zur späten Stunde noch durch das trübe Wasser, die Liegestühle von der Badestelle an der linken Seite des Flusses waren alle unbesetzt.

      Am nächsten Morgen stand ich in der Florentiner Akademie vor ihm, über fünf Meter ist er groß, aus weißen Marmor, der Meister, er war erst fünfundzwanzig Jahre alt, als er ihn aus einem Stein heraus erschaffen hatte, einige Bildhauer zuvor hatten sich schon damit befasst, aber die Arbeit aufgegeben, und nur grobes Stückwerk hinterlassen. Doch was hatte er daraus gemacht, die Vollkommenheit, ein menschlicher Gigant, von da an konnte ich ihm nicht mehr entkommen.

      Er, der ihn erschaffen hatte, er ruht nun für ewig in einem Sarkophag aus braunen Granit, auf einem großen Sockel, an der Wand, am hinteren Ende der Kirche Santa Croce, dort ist er nicht allein, nur einige Schritte von ihm entfernt ruht auch noch der Dichter Dante und ihm gegenüber steht der Sarkophag mit den Überresten von Galileo Galilei, fast wäre er als Ketzer auf dem Scheiterhaufen gelandet, beim Vorzeigen der Folterwerkzeuge hatte er wieder rufen, doch dann sagte er nur leise, mehr zu sich selbst, und sie dreht sich doch. Ich stand lange tief bewegt vor ihnen, noch Stunden nachdem ich die Kathedrale verlassen hatte, fühlte ich mich wie aufgewühlt.

      Zuvor waren Steine nur einfach Steine für mich, dies hatte sich verändert, als ich vor den Giganten stand, ich sah, wie dem toten Stein Leben und Würde eingehaucht wurde, und so begann meine Faszination für den Marmor.

      Eine der Fragen die ich hatte war, wie ist der Marmor denn eigentlich entstanden?

      Unser Lehrer erklärte uns, einst waren es die Schalen von Muscheln und anderen Tieren, die vor mehr als dreihundert Millionen Jahren in den Weltmeeren lebten. Sie hatten sich zum Schutz ein Gehäuse gebaut, aus einer einfachen chemischen Substanz, unser Chemielehrer hatte uns gesagt, es sei Calciumcarbonat, wir hätten es auch in unseren Knochen, das würde für die Stabilität unserer Knochen sorgen.

      Als die Tiere starben fielen sie auf den Meeresboden, unzählbar viele, die Schalen der Tiere wurden zusammengepresst und durch den hohen Wasserdruck und einigen chemischen Reaktionen entstand der Marmor, weißer Marmor entstand aus weißen Schalen und farbiger wenn die Tiere farbige Schalen produziert hatten, und es gäbe über hundert verschiedene Arten davon.

      Eine weitere Frage die ich stellte war, wenn Marmor immer auf dem Boden der Ozeane entstanden ist, wie kommt es dann, dass wir Marmorberge haben.

      Der Lehrer meinte, weißt du, zu dieser Zeit gab es nur einen Kontinent, der zerbrach und neue Kontinente entstanden daraus und Teile des Meeresbodens wurden nach oben gedrückt, so entstanden die Marmorberge auf den neuen Kontinenten.

      Als ich zurück kam, erzählte ich meinen Vater von meiner Begeisterung, einige Wochen später hielt ein Lastwagen vor unserem Haus, beladen mit vielen Marmorsteinen.

      Ich hatte viel geübt, wurde aber nie ein guter Bildhauer, ich hatte aber gelernt wie beschädigte Skulpturen am besten wieder repariert werden können. Maler können Fehler leicht verbessern und neu gestalten, ist eine Nase zu groß oder zu klein, ein Finger nicht in der richtigen Position, so werden sie einfach neu gemalt und neu gestaltet, auch Modelle aus Lehm für Bronze Skulpturen können jederzeit und beliebig oft verändert werden bevor der Bronzeguss entsteht, daher nenne ich die Künstler auch die Kneter, aber mit den Steinen ist es ganz anders, was einmal weggeschlagen ist, bleibt für immer verschwunden und kann nicht mehr ersetzt werden. Man muss immer genau wissen was man macht, wenn man wieder neues Leben in einen Stein einhauchen will.

      Nach der High-School ging ich zunächst an die Universität of California in Berkeley, ich hatte schon im Biologie Unterricht viel von den Viren gehört und mich dafür interessiert. Dort waren einige der bekanntesten Virologen, in der Stanly Hall, als Forscher tätig. Das Institut liegt gleich hinter dem Kampanile, mit Blick auf San Francisco und die Golden Gate Bridge, nach einem Jahr wechselte ich zur Harvard University nach Boston mit dem Schwerpunkt Biotechnologie und deren Nutzanwendung, als Nebenfach belegte ich Orientalistik und erlernte orientalische Sprachen. Sowohl in Berkeley als auch in Boston hatte ich Kunstgeschichte und praktische Kurse belegt, ich wurde zwar kein berühmter Bildhauer, hatte mir aber einen Namen als Restaurator und anerkannter Kunstkenner gemacht.

      Ich sah sie zum ersten Mal in einer Kneipe, dort am Kanal, ganz in der Nähe wo ich wohnte. Es war nach einem langen Tag in der Uni, Vorlesungen, Übungen und Seminare, sie begannen um 7: 30, die allgemeine Relativitätstheorie, der dreidimensionale Raum, die Zeit hinzugefügt ergibt die vierte Dimension. Wir kennen alle Zeit, Sekunden addieren sich an Sekunden, man kann es an der eigenen Uhr erkennen, unaufhörlich, eine nach der anderen. Und doch, so konstant wie es scheint, ist die Zeit nun auch wieder nicht. Ja auch sie ist abhängig, die Uhren ticken nicht immer gleichmäßig, mal gehen sie langsamer, mal gehen sie schneller, es kommt darauf an wo man sich befindet. Dort wo große Massen sind, vergeht die Zeit langsamer, bewegt man sich ins All, von der Erde weg, dann laufen unsere Uhren schneller, bei den modernen Navigationsgeräten wird dieses Phänomen berücksichtigt, wäre dies nicht der Fall, kämen wir nicht genau am gewünschten Ziel an. Würden die Uhren im All ein schwarzes Loch erreichen, dann würde es die Zeit nicht mehr geben.

      Die Zeit existiert auch nicht seit Ewigkeiten, es gab einen Zustand ohne Zeit, bevor das Universum entstand, als nur Energie existierte, es gab noch keine Materie und diesen zeitlosen Zustand wird es wieder geben. Zuvor war das Nichts und Nichts wird wieder sein.

      Nur sehr schwer vorstellbar, aber wir kennen es alle, wir müssen nur an uns selbst denken. Bevor ich war, war ich Teil des Nichts, wenn ich nicht mehr bin, bin ich wieder Teil des Nichts, was zählen da noch meine Knochen, auch die werden irgendwann vergehen.

      Die nächsten Vorlesungen waren auch nicht einfacher, mir konnte nie jemand überzeugend erklären warum Elektron negative geladen sind, man kann es aber spüren, man muss nur den Finger in eine Steckdose stecken. Sie bewegen sich auf festgelegten Bahnen um den Kern, man weiß nur nie wo sie genau sind, sie können sowohl Materie als auch reine Energie sein und sie haben noch eine Besonderheit, scheinbar können sie zur gleichen Zeit auch an unterschiedlichen Orten sein.

      Ich betrat nach Sonnenuntergang die Kneipe, von der Metro Station aus sind es nur einige hundert Meter bis dorthin, meistens, wenn ich von der Uni kam, gönnte ich mir noch einen Trink, ein Bier vom Fass. Schon als ich mit der Rolltreppe nach oben kam, bemerkte ich den Regen, er hatte plötzlich eingesetzt, ohne Schirm, mit hochgezogener Kapuze, etwas durchnässt, betrat ich meine Stammkneipe.

      Ich sah sie sofort, sie saß alleine an einem Tisch, gleich neben dem Eingang, hatte einen Softdrink vor sich zu stehen und las einen Artikel

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