Trojanische Hühner. Ado Graessmann

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Trojanische Hühner - Ado Graessmann

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ihn besorgen. Komplizierter war die Versorgung der Wunden auf seinem Rücken, die mussten mehr als zwanzigmal auf ihn eingeschlagen haben, die Wunden erstreckten sich über den gesamten Rücken und reichten hinein in den Flankenbereich, das waren keine Stockhiebe, die mussten mit Lederpeitschen gnadenlos zugeschlagen haben. Zunächst entfernte sie einige Stofffezen aus den Wunden, dann reinigte sie den gesamten Bereich mit Alkohol und bestrich den Rücken großflächig mit einer Jodlösung. An einigen Stellen klafften die Wunden soweit auf, dass Özlem sie zunähen musste.

      Am nächsten Tag stand ausführlich in allen Zeitungen ein langer Bericht, die Polizei hätte frühzeitig von einer Studenten Revolte gegen die Regierung seiner Majestät erfahren und die Aufwiegler vorläufig festnehmen.

      Leider sei ihnen der Anführer entkommen, er nenne sich Sait. Als der Transportwagen an einer roten Ampel halten musste, nutzte er die Gelegenheit aus, sei von der Ladefläche herunter gesprungen und in der Menschenmenge spurlos verschwunden. Die Polizei fordere daher die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf, der Mann sei gefährlich und unberechenbar. Wenn er irgendwo gesehen wird, soll sofort die Polizei verständigt werden, man solle nicht selbständig handeln, er sei zu gefährlich, und es sei auch eine hohe Kopfgeldprämie auf ihn ausgesetzt.

      Ein vergleichbarer Bericht mit einem Foto von ihm wurde ebenfalls stündlich von allen Fernsehstationen ausgestrahlt. Da Sait nun ein Geächteter war, wurden besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, kein weiterer durfte erfahren wo er sich aufhält und die medizinische Versorgung musste unauffällig erfolgen.

      Özlem hatte Zugang zum erforderlichen Verbandsmaterial und zu fast allen Medikamenten, ausgeschlossen waren die Morphium Präparate, die befanden sich in einem Sonderschrank. Das Nötigste nahm sie täglich in kleinen Mengen an sich. Für die Blutkonserven hatte sie von Sait eine Injektionsspritze mit seinem Blut gefüllt, um damit in der Klinik seine Blutgruppe bestimmen zu können. Bei der Entwendung der Blutkonserven musste sie vorsichtig vorgehen, jede einzelne war registriert und sie musste dafür den Namen eines Patienten eintragen, den sie aus dem OP-Saal kannte und der die gleiche Blutgruppe wie Sait hatte. Zwei davon legte sie zunächst in einen Kühlschrank, verstaute sie dann in ihrem Rucksack, bevor sie die Klinik wieder verließ.

      Noch in der ersten Nacht bekam Sait hohes Fieber und Schüttelfrost, sie gab ihm hohe Dosen Antibiotika und Schmerzmittel. Sie wechselte stündlich die feuchten Wadenwickel und täglich seinen Verband und rieb die Wunden mit Salben ein.

      Erst nach einigen Tagen senkte sich das Fieber und Sait kam wieder zu Bewusstsein. Sait hatte drei Tage keine Nahrung zu sich genommen, Özlem hatte ihn aber Wasser und Tee über eine Magensonde eingeführt. Als er wieder ansprechbar war, bekam er von ihr, bevor sie in die Klinik fuhr und am Abend als sie wieder nach Hause kam, eine warme Suppe. Er selbst konnte keinen Löffel halten, sie steckte ihm ein Kissen hinter den Rücken, damit sich sein Kopf etwas nach vorne neigte, und führte den Löffel mit der Suppe in seinen Mund. Jeder Schluck wurde zu einer unerträglichen Qual für ihn, oft verschluckte er sich dabei, aber Özlem gab nicht auf, bevor die Schüssel leer gegessen war.

      So vergingen drei, oder waren es schon vier Wochen, bis er wieder auf den eigenen Beinen stehen konnte, das gebrochene Nasenbein war etwas schief zusammen gewachsen, so wie bei manchen Boxern, die ausgeschlagenen Zähne wuchsen aber nicht mehr nach. Rasieren konnte er sich auch nicht, dafür waren seine Wunden im Gesicht noch nicht hinreichend verheilt, gegen seine Dauerschmerzen nahm er alle vier Stunden Analgetika ein.

      Im gleichen Haus wohnten nur Junggesellen, die schon früh morgens zur Arbeit gingen und erst wieder am späten Nachmittag zurück kamen. Das Haus hatte vier Stockwerke und eine Dachterrasse, die nicht einsehbar war, dort konnte sich Sait für einige Stunden aufhalten, ohne gesehen zu werden. Geschlafen hatte Sait bisher in der Küche auf dem Boden, auf einer Luftmatratze von ihr.

      Eines Tages meinte Özlem, in ihrem Bett sei auch genug Platz für zwei, erst wusste er nicht was er sagen sollte, schließlich war es unter Strafe verboten, dass Mann und Frau zusammen liegen, wenn sie noch nicht verheiratet waren. Es vergingen einige Tage, dann schlief Sait nicht mehr in der Küche auf dem Boden, für beide begann ein neues Leben, die Welt veränderte sich grundlegend für sie.

      Einmal, nachdem sie sich geliebt hatten, fragte Özlem ihn unvermittelt, Sait bist du eigentlich religiös?

      Nein, ich glaube nicht an Gott, Religionen sind dafür da, um Menschen zu verdummen und um sie abhängig zu machen. Nicht Gott hat die Menschen erschaffen, sondern die Menschen erschufen für sich Gott. Einst war die Natur mit ihren Gewalten für die Menschen nicht erfassbar, nur ein höheres Wesen konnte dies alles regeln und steuern, Blitze und Donner, die konnten nur von Göttern gesendet werden. Um diese höheren Wesen freundlich zu stimmen, brachten sie Opfer dar, auch Menschen. Dann führten sie die Priester ein, die hatten ja angeblich die Gabe den Göttern näher zu stehen und zu vermitteln, zwischen den Menschen und den Göttern, sie konnten belohnen oder auch bestrafen, dann hatten sie die Hölle eingeführt, mit ihr lässt sich erfolgreich drohen, die Menschen fürchten sie mehr als sie den Himmel lieben. Das Vermitteln war aber nicht selbstlos, daran hat sich nicht viel verändert, heute ist es auch immer noch so.

      Sait meinte nur, ich weiß, Religionen sind wichtig, das hält zusammen, da fragt man nicht danach ob es richtig oder falsch ist, ob es sinnvoll oder ob es Unsinn ist, da muss man einfach alles glauben was einem vorgesetzt wird, auch wenn es gegen jede Logik spricht, wer Zweifel hat und den Zweifel von sich gibt, der steht dem Feuer oder dem Schwert sehr nahe.

      Der Mensch wurde auch nicht am sechsten Tage erschaffen, von Gott, angeblich hatte er ihn aus Lehm geformt, nach seinem Ebenbild, dann hatte er ihm das Leben eingehaucht, so steht es jedenfalls geschrieben. Als er danach sah, dass er alles gut gemacht hatte, ruhte er sich am siebten Tag aus.

      Was für ein Fehler, was er da erschaffen hatte, entwickelte sich zu einem Monster, das meist rücksichtslos handelt und nur auf seinem Vorteil bedacht ist, Menschen, die etwas anders aussehen oder anders denken, vernichtet er, immer im Namen Gottes, die Waffen hierfür werden von den Priestern noch vor der Schlacht gesegnet.

      Wesentliche Unterschiede werden als unwesentlich abgetan und Unwesentliches wird zum Wesentlichen erklärt.

      Auch Moses hat es sicherlich nie gegeben, nicht durch die Steintafeln wurden die zehn Gebote in die Welt gebracht, dort am Berg.

      Nein, einst war ein kluger Herrscher, der König von Babylon, er trug den Titel König von Sumer und Akkad, sein Name war Hammurabi der Erste. Er hatte einen Codex erstellen erlassen, mehr als tausend Gesetze, in Steinstelen gehauen, für jeden nachlesbar, viel mehr als nur die zehn Gebote.

      Dort standen nicht nur die Gesetze, sondern auch welche Strafen bei Zuwiderhandlung drohten, gleiches galt nicht für alle, nur um dir ein Beispiel aus unserem Bereich der Medizin zu nennen, war einem Arzt ein Fehler unterlaufen, dann wurde er dafür bestraft, war der Patient vom einfachen Volke, dann konnte dies mit Schekel beglichen werden, eine Maßeinheit für Gold und Silber, den Schekel gibt es heute noch, war der Patient vom hohen Stand, dann wurde dem Arzt die Hand abgeschlagen.

      Wenn es den Urvater aller großen Religionen wirklich je gab, dann kannte er auch den Codex und damit auch die zehn Gebote, die hatte er dann in die Welt gebracht.

      Früher hatten es sich die Herrscher sehr einfach gemacht, sie ernannten sich selbst zum Gott und wer wagt schon an der Weisheit eines Gottes zu zweifeln, auch wenn es keiner verstand. Etwas später ließ sich das Ganze nicht mehr so überzeugend verkaufen, daher fanden die Herrscher wieder eine neue Lösung, sie nannten sich einfach Herrscher aus Gottes Gnaden, und wer kann schon gegen die Gnade Gottes verstoßen oder Zweifel erheben, heute macht man es sich noch viel einfacher, man sagt oder man schwört, so wahr wie mir Gott helfe, du siehst überall bringen sie auch heute noch Gott ins Spiel.

      Es waren schon mehr

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