Trojanische Hühner. Ado Graessmann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Trojanische Hühner - Ado Graessmann страница 13
Aus der Masse traten drei junge Männer hervor, sie waren dem Aussehen nach Studenten und nicht älter als fünfundzwanzig, Einer von ihnen schien der Mann mit dem Motorrad zu sein, sein Gesicht war nicht genau zu erkennen, er hatte die Kapuze seiner Jacke weit über das Gesicht gezogen und sich ein Tuch über die Nase und den Mund gebunden. Trotz aller Bemühungen war er auch nicht in der Kartei des Geheimdienstes erfasst, sie nannten in nur Mohamed, er war eindeutig der Rädelsführer, auffällig waren seine Hände an denen jeweils einige Finger fehlten, ich nannte ihn daher für mich den Fingerlosen, irgend einen Namen musste ich ihm halt geben.
Er erklärte die amerikanische Botschaft sei hiermit besetzt und sie hätten das Sagen, ab sofort, er sei der Sprecher des Rats der freien Studenten.
Ihre Hauptforderung ist die sofortige Rückführung des Schahs aus den USA und die Auslieferung der Unsummen an Gold und Geld, das sein Klan über Jahre hinweg dem Land geraubt und auf private Konten in der Schweiz und in anderen Ländern deponiert hatten, hierüber kann nicht verhandelt werden.
Nach dieser Mitteilung drangen etwa einhundert Stunden in das Botschaftsgebäude ein, entwaffneten das Personal und fanden kurz danach den Waffenraum, den sie sofort leer räumten und den gesamten Inhalt aus dem Gebäude heraus transportierten. Die entwaffneten Wachsoldaten sahen dem Geschehen datenlos zu, was sollten sie auch anderes machen. Hunderte von Schnellfeuerwaffen aller Art und Kisten mit Munition wurden auf einen bereitstehenden Lastwagen geladen und abtransportiert. Nach einer Stunde waren sämtliche Räume der Botschaft besetzt und das gesamte Personal wurde in Geiselhaft genommen.
Im Büro des Botschafters wurden alle Regale umgekippt und der Inhalt auf den Boden geworfen, ebenso der Inhalt aller Schreibtischschubladen. Hinter dem Bild von G. Washington entdeckten sie den Botschaftssafe und forderten freundlich den Botschafter um die Herausgabe des Codes auf. Im Safe befanden sich die gesamten Passe des Personals, frische Passport Formulare sowie die entsprechenden Stempel für die Ausstellung eines gültigen Passes, Geheimdokumente und eine größere Summe an Bargeld, alles nur US Dollars, die nicht nur für den Kauf von Lebensmittel vorgesehen waren, das meiste war für dunkle Geschäfte bestimmt und tauchte in keiner Bilanz je auf. Zunächst weigerte sich der Botschafter den Safe zu öffnen, schließlich erkannte er die Sinnlosigkeit seiner Weigerung, hatten die Besatzer doch nun hinreichend Mittel den Safe mit Gewalt zu sprengen, so nannte er die Zahlenkombination.
Der Fingerlose hatte das Botschaftsgebäude selbst nie betreten, auch seine Beifahrerin nicht, keiner der Mitarbeiter hatte jemals ihre Gesichter richtig gesehen um Fotos davon machen zu können.
Andere Studenten hatten am ersten Tag nach der Besetzung Fotos von allen Personen der Botschaft gemacht und die Namen registriert, egal ob sie einen roten Diplomatenpass hatten oder nicht. Internationale Regeln interessierten sie nicht. Mein Name nützte ihnen nicht viel. Die CIA, wir nannten sie untereinander nur die Firma, hatte eine lange Liste von Pseudopersonen, die es nicht wirklich gab, für die aber Bankkonten, Telefonrechnungen und weitere Identitäten vorhanden waren, aber von keinen gab es Frontalfotos oder Porträtfotos, nur solche, die Jedermann sein konnten.
Aus dem einen Tag wurden viele, die Anzahl der Besetzer die Tag und Nacht in der Botschaft blieben war fast immer gleich geblieben, nur die Gesichter waren meist anders. Im Konferenzraum wurden Tische und Stühle entfernet und 30 Matten für die männlichen Mitarbeiter als Aufenthalts und Schlafraum ausgelegt. Die Frauen der Botschaft bekamen einen kleinen separaten Raum. Nur der Botschafter und der Militärhäuptling durften ihr Zimmer behalten. Alle anderen Räume okkupierten die Besetzer. Die Besatzer verhielten sich uns gegenüber indifferent, es kam zu keinen Tätlichkeiten oder Übergriffen auch Grundnahrungsmittel wurden nach zwei Wochen zur Verfügung gestellt, die Alkoholvorräte waren bald aufgebraucht, Bier oder Wein zu den Mahlzeiten gab es nicht mehr. Belastend waren die hygienischen Bedingungen, zwar hatte der Botschafter seine Dusche auch für die anderen zur Verfügung gestellt, nur der Militärhäuptling nicht, er meinte ihm stehe auf Grund seines hohen Dienstgrades die alleinige Benutzung seiner Dusche zu und damit basta, trotzdem bildeten sich morgens und am Abend lange Schlangen vor den Duschräumen und die Duschdauer wurde auf fünf Minuten begrenzt.
An manchen Tagen schikanierten sie uns, stellten Strom und Wasser für einige Stunden ab. Am dritten Tag der Belagerung versuchte ich heimlich einen Fluchtversuch aus der Botschaft. Nur dem Botschafter teilte ich am Nachmittag mein Vorhaben mit, er erzählte mir von der Existenz des Geheimgangs als möglichen Fluchtweg und händigte mir den Schlüssel für die Sicherheitstüren aus.
Am späten Abend betrat ich den kleinen Abstellraum im Kellergeschoss hinter dem Sitzungssaal, schob den Schrank zur Seite und verharrte noch eine Weile im Dunklen, die Taschenlampe hatte ich noch nicht angeschaltet, um sicher zu sein, dass mein Vorhaben nicht bemerkt werden konnte. Als ich mich sicher fühlte öffnete ich problemlos die Stahltür mit dem Schlüssel und betrat den dunklen Gang, er war schmal, nicht breiter als eine männliche Person und roch muffig, ich lehnte die Tür hinter mir an, ohne sie zu verschließen und schaltete die Taschenlampe ein, nach wenigen Minuten erreichte ich eine zweite Stahltür am anderen Ende des Ganges, im Lagerhaus auf deren Straßenseite, ich steckte den Schlüssel in das Schloss und versuchte die Tür möglichst geräuschlos zu öffnen. Nach dem zweiten Versuch ging sie mit lautem Knarren auf, zu meiner Überraschung sah ich nicht in einen Lagerraum hinein, sondern stand vor einer weiteren Stahlwand, die kein Türschloss hatte. Mir wurde klar, dass diese Tür auch nicht mit Gewalt zu öffnen war, dies hätte auch zu viel Lärm gemacht und die Besatzer herbei gelockt. Da in der letzten Zeit der Gang nicht benutzt wurde und keiner von der Botschaft den Lagerraum aufgesucht hatte, war die Veränderung auch nicht aufgefallen. Die Besatzer hatten also den Gang entdeckt und den Ausgang versperrt. So verblieb mir nur die Rückkehr in das Botschaftsgebäude. Ich machte kehrt, und ging den stinkenden Gang eilig zurück.
In der Grundschule, ich glaube es war im vierten Schuljahr, hatte uns der Musiklehrer auf dem Flügel die Nocturnes op 9 no1 und op 9 no 2 vorgespielt, danach ließ er die Noten auf dem Flügel liegen, ich ging in der Pause hin, sah sie mir genau an und prägte sie mir sicher ein, auf den wenigen Metern im Gang bis zur Botschaft zurück sah und hörte ich es wieder, jede einzelne Note, nur wenige Töne, vier bis fünf unterschiedliche, sie waren wie sanfte Wolken, die kreisend mein Gemüt durchzogen und jeder einzelne Ton umfasste meine Seele wie mit beiden Händen. Ich wusste nicht warum ich es plötzliche hörte, war es die Dunkelheit die mich an die Nocturnes von Chopin erinnerten?
Gemälde und Skulpturen fixieren den Moment, können auch Geschichten erzählen, man muss sie nur intensiv betrachten und etwas nachdenken um sie zu erfassen, Musik erfühlt man, man braucht nicht nachzudenken, jedes Mal klingt es anders, wird immer wieder zum neuen Erlebnis, aber jeder hat die Freiheit es so zu hören wie es ihm gefällt, es klingt nicht immer gleich, der Moment bestimmt es, wie ich es höre. Religionen wollen keine Wahrheiten vermitteln, die Kunst auch nicht, sie will uns Wesentliches von uns selber zeigen, es gibt keine richtige oder falsche Kunst, nur gute oder schlechte.
Ich hatte mich schon öfters darüber gewundert, dass ich in einem Bruchteil einer Sekunde plötzlich ganze Szenarien sehen, Stimmen hören und Gerüche wahrnehmen kann. Dabei bin ich zugleich Akteur und Betrachter, so als würde ich mich in meinem eigenen Film von allen Seiten sehen können.
Noch bevor ich alles richtig durchdacht hatte, stand ich schon wieder neben der ersten Stahltür, trat hindurch und verschloss sie, schob den Schrank davor, alles sah wieder so wie zuvor aus.
Dies war der erste Ausbruchsversuch und nur der Botschafter wusste davon, es sollte nicht mein letzter Versuch sein. Vom Fenster aus im zweiten Stock hatte ich das tägliche Treiben auf dem Hof und vor dem Gebäude genauestens verfolgt. Dabei war mir aufgefallen, dass die Anzahl der Besatzer immer etwa gleich blieb, aber