Befreites Christentum. Karlheinz Benninger
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„dämonischer“ Götzenbilder galt, und es vollkommen zerstört. Die Gewalt hatte sich rasch ausgebreitet. In ganz Alexandria hatten die Christen sämtliche Darstellungen der alten Götter beschlagnahmt; sie hatten sie aus Thermen und Privatwohnungen geholt, mitten in der Stadt zu einem großen Scheiterhaufen aufgetürmt und in Brand gesteckt … In Alexandria hatten die Christen mit Folter, Mord und Zerstörung dafür gesorgt, dass das geistige Leben mehr oder weniger zum Stillstand gekommen war … (Nixey, Zorn 318 und 320).
Die Legitimation für ihre Zerstörungswut holten sich die Christen aus dem Alten Testament: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. … Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen. Denn ich, der HERR dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der das Vergehen der Väter heimsucht bis in die dritte und vierte Generation an den Kindern derer, die mich hassen (5 Mos 5, 7 und 9). Zerstört alle heiligen Stätten, wo die Heiden, die ihr vertreiben werdet, ihren Göttern gedient haben, es sei auf hohen Bergen, auf Hügeln oder unter grünen Bäumen, und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Steinmale und verbrennt mit Feuer ihre heiligen Pfähle, zerschlagt die Bilder ihrer Götzen und vertilgt ihren Namen von jener Stätte (5 Mos 12, 2 f) .
2015 begann der IS – der sogenannte Islamische Staat – im Irak die in seinen Augen „gottlose“ altassyrische Stadt Nimrud südlich von Mossul zu zerstören. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigten IS-Kämpfer, die drei Jahrtausende alte Statuen von den Sockeln stürzten und mit dem Hammer bearbeiteten: Die „Götzenbilder“ mussten zerstört werden. In Palmyra wurde die große Athenestatue, deren Überreste Archäologen sorgsam restauriert hatten, erneut attackiert. Wieder wurde die Göttin enthauptet; wieder wurde ihr der Arm abgehackt (Nixey, Zorn 24).
Der reine Monotheismus lässt keinerlei Dualismus zu. Das griechische monos bedeutet »allein« oder »nur«. Monotheismus bedeutet: Es gibt nur Gott, nur eine einzige Macht, das Gute. Warum das Gute? Weil das Wirkliche oder seiende das Positive oder Gegebene ist. Das, was das seiende negiert, ist per definitionem das Negative. Das Negative hat keine Eigenexistenz, es ist lediglich die Verneinung des Positiven, ersetzt es aber nicht. Wer auf Nichtwirkliches, also Nichtseiendes setzt, mit illusionen statt mit ideen das Haus seines Bewusstseins baut, macht böse Erfahrungen (Erfahrungen mit dem Bösen), denn er steht, wenn er Halt und Schutz sucht im Nichts – im Nihilismus.
Der erste reine Monotheist, von dem wir wissen, war der Pharao Amenophis IV. Echnaton (1365-1347 vor). Für ihn und Zarathustra (~ 800 vor) gibt es als Wirklichkeit nur das allgegenwärtige Licht, neben dem es keine Finsternis geben kann. Die nächsten Monotheisten sind Parmenides von Elea (ca. 515-445 vor), Platon (427-347 vor), für den Gott das Gute ist, und Jesus von Nazareth. Der reine Monotheismus hat in keiner der Religionen überlebt, die sich auf sie als Gründer berufen.
Die reinen Monotheisten greifen zur Verdeutlichung ihrer Einsicht und Lehre zur »Licht-Finsternis«-Symbolik1. Sie sehen jedoch »Licht« und »Finsternis« nicht als Dualismus von Gott und einem Teufel, nicht als Kampf zweier widerstreitender Mächte, des Guten und des Bösen, die sich auf Augenhöhe im Kampf gegenüberstehen. Was sich da gegenüberzustehen scheint, ist Seiendes und Nichtseiendes.
Es gibt eine Lichtquelle, aber keine Quelle, die Finsternis verströmt. Man kann in einem riesigen dunklen Raum ein kleines Licht anzünden: auch die größte Finsternis kann das kleinste Licht nicht zum Verlöschen bringen: Das Licht erleuchtet in der Finsternis, und die Finsternis kann es nicht überwältigen (Joh 1, 5).
Auch kann man in einen hellen Raum keine Finsternis einleiten und so das Licht schwächen oder zum Verlöschen bringen. »Raum« ist wie »Haus« ein Symbol für Bewusstseinskapazität: sie kann erleuchtet sein, dann ist es hell; sie kann unterbelichtet sein, dann herrscht mentale Finsternis.
Auch kann GOTT, die Quelle des Guten, nicht gleichzeitig die Quelle des Bösen sein. Lässt denn die Quelle aus demselben Loch Süßwasser und Meerwasser fließen (Jak 3, 11)? Gott ist nach Paulus Alles in Allem (1 Kor 15, 28). GOTT ist Licht und in ihm gibt es keinerlei Finsternis (1 Joh 1, 5). – wenn der Unwissende belehrbar ist. Er kann auch kein Vergehen gegen seine Gesetze bestrafen, indem er Unheil schickt, um den Übeltäter zu züchtigen und krank zu machen.
Im monotheistischen Gottesbild kennt Gott das sogenannte Böse gar nicht, weil es nicht zur Wirklichkeit, sondern in die Nicht-Wirklichkeit gehört. Ebenso kann die Mathematik keine Fehler kennen oder bestrafen, weil Fehler in der Mathematik nicht enthalten sind. Sie sind außerhalb, in einer sogenannten mutmaßlichen Nicht-Mathematik.
Monotheisten aus wissenschaftlicher Überzeugung kennen keine militante Intoleranz. Sie wissen: Wer da behauptet, 2 x 2 sei 5, ist einfach unwissend. Unwissenheit kann aber nicht mit physischer Gewalt bekämpft werden, sie kann nur durch das Licht der Erkenntnis Aufklärung erfahren und verschwinden – wenn sich der Unwissende belehren lässt. Aus der Toleranz würde aber Tollheit werden, würde man sein Schicksal einem Überseeschiff anvertrauen, das von einem blinden oder in der Seefahrtkunst unkundigen Kapitän gesteuert wird. In ein Haus, dessen Bau auf einer falschen Statik beruht, sollte man klugerweise nicht einziehen.
1 Vgl. Exkurs Licht und Finsternis
Kapitel 2
GOTT und die Gottesbilder
Du sollst dir kein Bild noch irgend ein Gleichnis machen,
-weder von dem, was oben im Himmel ist,
noch von dem, was unten auf Erden ist, …
bete sie nicht an und diene ihnen nicht!
2 Mos 20, 4 (Luther 84)
Das Göttliche oder Unvergängliche, wie Epikur es ausdrückt, ist ein Neutrum, d.h. es ist keinem menschlichen Geschlecht zuzuordnen.
Der Lehre der Sophisten, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei, tritt Platon entgegen mit dem Wort, dass Gott das Maß aller Dinge sein müsse und nicht ein Mensch. Und mit Gott meint Platon das Absolute, die Trinität des Guten, Wahren und Schönen.
Gibt es aber ein Absolutes, einen ewig unveränderten Maßstab für alles menschliche Handeln? Wer sich nach Gott umschaut, dem halten tausend verschiedene Religionen ihr jeweiliges Gottesbild vor Augen und fordern Anbetung. Und verwirrt fragt man sich mit Horaz: Belua multorum es capitum, nam quid sequar aut quem – Du bist ein Ungeheuer mit vielen Gesichtern, was soll ich annehmen, auf wen soll ich hören?
Die Psyche schafft einen Gott nach ihrem Bild und Gleichnis: das Gottesbild, das sie entwirft, spiegelt den psychischen Zustand eines Einzelnen oder einer Gruppe wider. In einem Brief an einen Anhänger seiner Lehre schrieb Epikur (341 - 270 vor): Halte Gott für ein unvergängliches und glückseliges Wesen, wie die allgemeine Gotteserkenntnis vorgeprägt wurde. Schreibe ihm nichts zu, was mit seiner Unvergänglichkeit und Glückseligkeit unvereinbar ist. … Denn Götter gibt es; ihre Erkenntnis ist ja evident. Wofür sie aber die Masse hält, so sind sie nicht. Denn die hält sich nicht an die Vorstellung, an die sie glaubt. Ein Gotteslästerer aber ist nicht, wer die Götter [Gottesbilder] der Masse beseitigt, sondern wer die Auffassungen