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Der jüdische Gelehrte Ben Chorin bemerkt dazu: Die Pharisäer bildeten die Partei der Schriftgelehrten. … Ihr Streben war die Einheiligung des ganzen Lebens, das in Gesetz und Brauch dem geoffenbarten Willen Gottes unterstellt werden sollte. Nichts lag außerhalb dieser einzuheiligenden Sphäre: Essen und Trinken, Arbeit und Ruhe, Geschlechtsleben und Hygiene, Kleidung und Haartracht, und nichts war zu gering, um nicht mit letztem Ernst in den Dienst Gottes mit hineingenommen zu werden. Damit wurden die Pharisäer … zu den geistigen Vätern der späteren jüdischen Orthodoxie.
Wir können an der Realität und Problematik der heutigen jüdischen Orthodoxie die Pharisäer des Neuen Testamentes wie in einem Spiegel erkennen. Tiefer Ernst, bedingungslose Hingabe an das Gesetz Gottes, minutiöse Pflichttreue gegenüber diesem Gesetz zeichnen die Enkel der Pharisäer noch heute aus.
Andererseits sehen wir bei ihnen die Gefahren einer Entartung, von der das Neue Testament fast ausschließlich spricht. Diese Entartung besteht darin, dass der Gläubige in einen Panzer von 613 Geboten und Verboten eingeschnürt wird, so dass der Regung des lebendigen Glaubens nicht mehr der nötige Raum gegeben ist (Ben Chorin, Jesus 17 f).
Der christliche »neue Weg zu GOTT« geht von einem völlig neuen Gottesbild aus. Aus dem alttestamentlichen »HERRN« ist der liebende »Vater« geworden, im philosophischen Sinne also das schöpferische Prinzip, das zugleich Leben und Liebe ist. Als Geist ist dieser Vater und Schöpfer unendlich, allgegenwärtig. Er ist uns immer nah, untrennbar mit uns verbunden wie die Lichtquelle mit dem Licht. Unsere einzige Aufgabe ist es, sich dies bewusst zu machen. Falsche Gottesbilder führen in die Irre. Sie sollen Gott suchen, ob sie ihn fassen und ihn finden können, ihn, der ja nicht weit entfernt von jedem einzelnen von uns ist. Denn in ihm leben wir, in ihm bewegen wir uns, und in ihm sind wir, wie es auch einige von den Dichtern bei euch ausgesprochen haben: “Denn wir stammen von ihm“ (Apg 17, 27 f).
Gott ist nicht mehr der Verborgene, der im Dunkeln wohnt. Matthäus berichtet vom Tode Jesu und schreibt: Und siehe, der Vorhang des Tempels riss entzwei von oben bis unten (Mt 27, 51). Wohl kein historischer Vorgang, wohl eher sinnbildlich gemeint: Die neue Lehre verkündet, dass jeder Mensch freien Zutritt zu Gott hat (Eph 3, 11 f). Gott wohnt im Licht: Und die Botschaft, die wir von ihm gehört haben, besteht in folgendem: Gott ist Licht und in ihm ist keinerlei Finsternis (1 Joh 1, 5).
Der Jahwe des alten Gottesbildes fordert von seinem Volk geliebt und gefürchtet zu werden: Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein! Und du sollst den HERRN deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft (5 Mos 6, 4). So hüte dich, dass du nicht den Herrn vergisst, … , sondern du sollst den Herrn, deinen Gott, fürchten und ihm dienen … Denn der Herr, dein Gott, ist ein eifernder Gott in deiner Mitte, dass nicht der Zorn des Herrn, deines Gottes, über dich entbrenne und dich vertilge von der Erde (5 Mos 6, 12 ff).
In starkem Gegensatz dazu will der christliche Gott nicht gefürchtet werden. Er ist sogar die primäre, vorbehaltlose und unverlierbare Liebe (1 Joh 4, 19), die nur absolute Zuwendung kennt: Furcht gibt es nicht in der LIEBE, sondern die vollkommene LIEBE treibt die Furcht aus, weil Furcht mit Strafe rechnet. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollendet in der Liebe. Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt (1 Joh 4, 17 ff). Dieser Gott kennt auch keine Strafe. Jakobus bekräftigt: Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk stammt von oben; es kommt herab vom Vater der Lichter, bei dem es keine Veränderung gibt noch Verschattung im Wechsel (Jak 1, 17). Jakobus bringt hier noch eine Präzisierung, wenn von Gott als dem Vater der Lichter spricht. Vater bedeutet Schöpfer und Ursache, hier also Lichtquelle: GOTT ist die Lichtquelle, die das Licht schafft. Und deswegen lässt Johannes den Christus sagen: Ich bin für die Welt das Licht.
Wer sich mir anschließt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern er wird das Licht des LEBENS haben (Joh 8, 12). Licht ist auch das Symbol für den Logos der griechischen Kirchenlehrer.
Gott führt auch niemanden in Versuchung: Keiner soll in der Versuchung sagen: Von Gott werde ich versucht, denn Gott ist nicht versuchbar zum Bösen, und er selbst versucht niemanden. Jeder, der versucht wird, wird es, weil er sich von seiner eigenen Begierde fortreißen und ködern lässt (Jak 1, 13 f).
Die reine Liebe kennt nur Vergebung, sie ist nicht eifersüchtig und rechnet das Böse nicht zu. Sie kennt es ja gar nicht. Als Petrus Jesus fragt, ob es genügt, siebenmal zu vergeben, antwortet ihm der Meister: Ich sage dir: Nicht bis zu 7 mal, sondern bis zu 77 mal (Mt 18, 22).
Als verbindend wird auch gerne ein Wort aus Levitikus zitiert: Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR (3 Mos 19, 18). Doch wird hier meist übersehen, dass hier nur die Kinder deines Volks gemeint sind. Shlomo Sand, Professor für Geschichte in Tell Aviv, sagt dazu: Bekanntlich studierten die Juden über Jahrhunderte viel intensiver den Talmud als die hebräische Bibel. … Die Zurücksetzug des nichtjüdischen Anderen kommt kaum irgendwo so deutlich zum Ausdruck wie in dem talmudischen Satz „Ihr werdet Mensch genannt und nicht die Völker der Welt werden Mensch genannt“ (Babylonischer Talmud, Jevamot 61a). Nicht von ungefähr schreibt Abraham Isaak Kook, Architekt der Nationalisierung der jüdischen Religion im 20. Jahrhundert und erster Oberrabbiner der sich in Palästina ansiedelnden Gemeinde, in seinem berühmten Werk »Lichter«: „Der Unterschied zwischen der israelischen Seele, ihrem Wesen, ihren inneren Wünschen, ihrem Streben, ihrer Beschaffenheit und ihrer Haltung, und der Seele der Gojim, ungeachtet ihrer Entwicklungsstufe, ist größer und tiefer als der Unterschied zwischen der Seele des Menschen und der Seele des Viehs. Zwischen Letzteren nämlich besteht ein quantitativer, zwischen Ersteren aber ein qualitativer Unterschied.“ Hierbei ist zu bedenken, dass die Schriften Kooks den nationalreligiösen Siedlern in den besetzten Gebieten bis heute als geistiger Leitfaden dienen (Sand, Jude 113 f). Weil diese Auffassung von Gott und Mensch bis heute ihre negative Auswirkung zeigt, erklärt Shloma Sand am Ende seines Buches: Jetzt, da ich klar erkenne, dass man mich in Israel per Gesetz einem fiktiven Ethnos von Verfolgern und deren Unterstützern zuschlägt und überall auf der Welt einem geschlossenen Club von Auserwählten und deren Bewunderern, möchte ich nun aus diesem austreten und aufhören, mich selbst als Juden zu betrachten (Sand, Jude 148).
Jacob Neusner arbeitet in seinem Buch Ein Rabbi spricht mit Jesus – ein jüdisch-christlicher Dialog, von Josef Kardinal Ratzinger beurteilt als das bei weitem wichtigste Buch für den jüdisch-christlichen Dialog, das in den letzten zehn Jahren veröffentlicht worden ist, noch viele andere Unterschiede heraus, die seine Aussage untermauern, dass Judentum und Christentum gänzlich unabhängig voneinander zu sehen sind. Das Christentum ist nicht die
„Tochterreligion“, und es gibt keine gemeinsame fortlaufende „jüdischchristliche Tradition“.
Ihm stimmt der Theologe Nikolaus Walter zu, indem er betont, dass zwischen Altem und Neuen Testament ein Paradigmenwechsel liegt. … Dieser Paradigmenwechsel macht eine glatte, ungebrochene Übernahme oder Weiterführung alttestamentlicher Glaubensaussagen in die christliche Theologie unmöglich. Auch der Versuch,