Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten. A. F. Morland
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„Es gibt Probleme, Al“, sagte Carlos Terruzzi jetzt. Carlos war einer der wenigen, die ihn direkt mit Al anreden durften.
Don Alfredo zuckte zusammen. Probleme. Wie er dieses Wort hasste! Dabei hatte er die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan.
„Drück dich deutlicher aus“, sagte er.
„Freed ist bei mir.“
Freed ist bei ihm, echote es in Don Alfredos Hirn. Was suchte Freed bei Carlos? Natürlich wusste der Don ganz genau, was – oder besser wen – der G-man bei Carlos suchte. Seinen Sohn Ronny. Gern hatte der Don den Befehl zu der Entführung dieses Jungen nicht gegeben. Das ungeschriebene Gesetz forderte, die Familien der Feinde nach Möglichkeit aus dem Spiel zu lassen.
Es hatte sich herausgestellt, dass der Sohn von Ernesto Tardelli mit gewöhnlichen Methoden nicht zu fassen war. Also waren außerordentliche Maßnahmen geboten.
„Was will er?“, fragte er, obwohl ihm die Sinnlosigkeit dieser Frage bewusst war.
„Er will dich sprechen, Al.“
„Nein.“ Alfredo Plancata schluckte.
„Er hat Taccani umgelegt und Orlando hier angeschleppt.“
„Orlando? Einfach so?“ Der Don hielt große Stücke auf Augie Orlando. Deshalb hatte er den Leutnant auch aus Mexico zurückgeholt, unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen, versteht sich. Neue Papiere, eine andere Frisur und so. Er hatte auch eine Gesichtsoperation vorgeschlagen, aber die hatte Augie abgelehnt. Weil der Kerl so gut aussah, hatte der Don diesen Wunsch verstanden und war deshalb nicht darauf gekommen, dass Augie nur Angst vor einer Operation hatte.
„Freed ist ziemlich wild, Al. Um es klar zu sagen – er wird Amok laufen, wenn er dich nicht zu sehen bekommt.“
Amok laufen. Noch einer. Großer Gott, was würden die Mitglieder von der Commissione sagen, wenn er noch einen Mann in einen Rächer verwandelte! Und dieses Mal sogar einen gelernten G-man! Sein Mund wurde trocken.
„Was schlägst du vor?“, fragte er. Ihm wurde bewusst, dass er seinen Neffen zum ersten Mal um Rat fragte.
„Ich könnte mit ihm zu Roger’s Point rausfahren“, schlug Carlos vor. „Ich kann in einer Viertelstunde dort sein, und du kannst den Freeway benutzen.“
Roger’s Point, dachte der Don anerkennend, ja, das war ein guter Treffpunkt. Er hatte das Stück Land oben auf der Klippe über Roger’s Beach erst vor ein paar Monaten gekauft, und weil er nicht so recht wusste, was er mit dem sandigen, ständig vom Sturm überwehten Gelände anfangen sollte, hatte er es erst einmal mit einem Zaun umgeben lassen.
„Noch keine Spur von, du weißt schon?“
„Er kann es noch nicht geschafft haben“, meinte Carlos Terruzzi. „Aber, wenn er kommt, sollte Freed zu Hause sein. Deshalb denke ich, dass du nachgeben solltest. Dieses Mal“, schloss der Caporegime diplomatisch.
„Sag diesem Mistkerl, dass ich in einer halben Stunde draußen sein werde“, sagte er mit neuer Härte in der Stimme, womit er seine Entschlossenheit bekräftigte. Er ließ den Hörer auf die Gabel fallen. „Vince!“, brüllte er dann. „Sag den anderen Bescheid! Sie sollen den Lincoln fertigmachen. Wir fahren in zehn Minuten ab!“
22
Die Asphaltstraße wand sich um eine weite Bucht und führte langsam in die Höhe, eine öde, mit hartem Gras und verkrüppelten Fichten bewachsene Klippe hinauf.
Art Freed saß hinten in dem braunen Malibu, den Revolver hielt er in der verkrampften Faust.
Vorn saßen Orlando und Terruzzi. Keiner von den beiden trug eine Waffe. Freed hatte den Wagen vorher auf versteckte Waffen hin abgesucht und keine gefunden. Was jedoch nicht bedeutete, dass die Kerle nicht doch noch irgendwo eine Kanone hervorzaubern konnten. Allerdings galt Terruzzi als Gegner von Schusswaffen. Freed rechnete jedoch mit jeder nur denkbaren Schweinerei.
Er beobachtete die Landschaft, die sich unter der milden Morgensonne unter ihm ausbreitete, ohne jedoch einen Blick für ihre Schönheit übrigzuhaben. Er wusste, dass er den Tiger am Schwanz gepackt hatte. Wenn der Don seinen Neffen und designierten Nachfolger zu opfern bereit war, von Augie Orlando würde kaum die Rede sein, dann war sein, Freeds, Leben keinen Cent mehr wert.
Der Wagen fuhr an einem neuen Maschendrahtzaun vorbei. Sandhügel türmten sich zwischen dem Zaun und dem Rand der Klippe auf. Soweit Freed das Gelände überblicken konnte, befanden sich keine Gebäude darauf, nicht einmal eine Schutzhütte. Nein, Terruzzi hatte ihm nichts vorgemacht.
Der Neffe des Capo hielt an einem hohen Gittertor. Er stieg aus und öffnete es. Freed beobachtete den Mann dabei. Er wusste, dass der Mafioso 35 Jahre alt war. Er hatte schwarzes Haar und nervöse Bewegungen. Der unstete Blick zuckte hin und her, ohne längere Zeit an einer bestimmten Stelle zu verharren.
Orlando bewegte seine Schultern. Freed widmete ihm sofort seine Aufmerksamkeit, aber der Gangster stöhnte nur und presste ein Taschentuch auf die zerschlagene Nase. Freed spürte jetzt die Müdigkeit und Erschöpfung in jeder Faser seines Körpers. Dabei musste er hellwach bleiben, wenn er sich nicht überrumpeln lassen wollte.
Terruzzi lenkte den Malibu durch das Tor und fuhr dann quer über das Gelände auf den Rand der Klippe zu.
„Halt!“, befahl Freed scharf. Terruzzi trat auf die Bremse und sah über seine Schulter in Freeds Gesicht. „Wenden Sie und bauen Sie sich so nah am Tor auf, dass wir jederzeit wieder verschwinden können!“
„Dann wird der Don nicht kommen“, gab Terruzzi zu bedenken.
„Wenden Sie! Und bleiben Sie hundert Yards vorm Tor stehen.“
Terruzzi zuckte die Achseln, dann rangierte er das Malibu so, wie Freed es verlangte und drehte den Zündschlüssel herum. Als er ihn aus dem Zündschloss ziehen wollte, stieß Freed einen scharfen Laut aus, und der Caporegime ließ den Schlüssel stecken.
Sie brauchten nicht lange auf den Don zu warten. Schon nach wenigen Minuten sahen sie das schwarze Dach einer großen Limousine hinter den Hügeln, die die Fahrtstraße säumten, und kurz darauf bog der Lincoln durch das Tor.
Mitten zwischen den Pfosten blieb er stehen. Hinter den blaugrün getönten Scheiben war nicht einmal eine Bewegung zu erkennen.
Terruzzi sah den G-man an. „Und jetzt?“, fragte er spöttisch.
„Augie, du gehst jetzt zum Don. Sag ihm, er soll sich mit dem Schlitten neben unseren Wagen stellen. Carlos bleibt bei mir.“
Augie Orlando öffnete die Tür und stellte einen Fuß draußen auf den Boden. Er war sichtlich froh, endlich aus Freeds