Andere Länder - andere Bärte. Miguel Gutierrez
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Der erste Teil zur Umsetzung meines Plans bestand in einer Crowdfunding-Kampagne, die das Projekt bekannt machen und ein paar Tausend Pfund einbringen sollte. Und obwohl sie sehr erfolgreich war, fehlte immer noch ziemlich viel Geld. Ich hatte mehrere Firmen angeschrieben, die mit Haarpflege zu tun haben, aber nur von Marc eine Antwort bekommen. Er arbeitete bei einem der weltweit führenden Hersteller von Haarschneidemaschinen, und nach mehreren Treffen und Telefongesprächen entschied sich die Firma mitzumachen. Für sie sollte die Reise eine Art ethnografische Recherche zum Gebrauch ihrer Haarschneidemaschinen werden. Das brachte übrigens ein erstaunliches Ergebnis: Ihre Produkte waren tatsächlich überall in Gebrauch, von den teuersten Salons bis hinunter zu den ärmlichsten Läden.
Bis heute war diese Reise die anstrengendste und gleichzeitig beeindruckendste Erfahrung meines Lebens.
Der Termin wurde festgelegt – und zehn Jahre, nachdem ich zu meiner Lebensreise als Barbier aufgebrochen war, reiste ich um die Welt, um die ganze Breite des Barbierwesens zu dokumentieren.
Unbedarft, aber voller Tatendrang sitze ich hier vor der unglaublich beeindruckenden Akropolis. Fast wie ein ganz normaler Tourist.
GRIECHENLAND
WOHIN ZUERST? Diese Frage erwies sich bei der Planung dieser verrückten Reise als gar nicht so einfach. Ich wusste aber, dass griechische Barbiere einen großen Anteil daran hatten, die Tradition des Barbierens ins moderne Europa zu bringen. Griechenland grenzt an die Türkei, das Tor zum Nahen Osten – durch diesen Filter war das Barbierhandwerk einst gegangen, und ich war sehr neugierig, wie sich die Kultur heute darstellte.
Außerdem war mein Kameramann Mike ein halber Grieche, und seine Tante lebte in Athen, also: auf nach Griechenland! Es war der perfekte Ort für den Anfang. Meinen Kameramann Mike hatte ich übrigens über eine Anzeige auf einer Website für Film-Freiberufler gefunden. Zum Vorstellungsgespräch hatten wir uns um 10 Uhr morgens in einem Café verabredet. Als er auftauchte, hatte er die Nacht durchgemacht und überhaupt noch nicht geschlafen. Aber er war gut drauf; wir fingen gleich an, über Kameras und Filme, die wir beide toll fanden, zu fachsimpeln. Offenbar hatte Mike kein Problem mit Arbeit am frühen Morgen und funktionierte auch bei Schlafmangel: Er war engagiert! Unser Tagesbudget für dieses Reisejahr sollte 20 Pfund pro Person betragen – einschließlich Reisekosten, Essen und Unterkunft! Da war es ideal, dass wir zu Beginn bei Mikes Tante unterkommen konnten.
Panagiotis, stolzer Grieche und Besitzer des »1900«. In seinem Laden fing alles an.
ATHEN
Barbershop »1900«
Vor der Abreise hatte ich nur mit einem Barbierladen in Athen Kontakt aufgenommen. Ein Herr Panagiotis vom Barbershop »1900« hatte uns eingeladen, die erste Episode bei ihm zu drehen. Die Adresse lautete Ipsilantou 35 im Viertel Kolonaki.
Auf dem Weg zu seinem Laden war ich mit den Nerven völlig runter. Worauf hatte ich mich da eingelassen? Ich hatte noch nie zuvor eine Dokumentation gemacht! Am Hauseingang kamen wir uns vor wie vor einer Privatwohnung – wir mussten erst durch eine Sicherheitstür und dann an der Ladentür klingeln. Panagiotis selbst öffnete. Er trug einen schicken cremefarbenen Anzug und hatte das Haar zu einem Männerdutt hochgebunden. Sein langer, präzise gestutzter Bart sah aus wie von einem der Schauspieler im Film »300«. Er begrüßte uns sehr freundlich und bat uns, es uns gemütlich zu machen. Ganz unverkennbar war er auf seine Manieren nicht weniger stolz als auf sein Aussehen. »Whisky anyone?« Es war noch Vormittag, aber wir nahmen beide das Angebot an. Wäre ja sonst unhöflich gewesen, oder?
Der Laden war eine Pracht, eine Schatzkammer voller Erinnerungsstücke und Antiquitäten längst vergangener Zeiten. Offensichtlich wollte er eine Atmosphäre wie in einem Herrenclub schaffen. Jedes Detail war von ausgesuchter Schönheit.
Panagiotis war Grieche, wurde aber in Ägypten geboren, wohin seine Familie im 19. Jahrhundert ausgewandert war. Schon als Kind war er dort gern zum Friseur gegangen, und diese Kultur, verbunden mit seinem persönlichen Stil, wollte er ins Heimatland seiner Familie mitbringen, als er dorthin zurückkehrte.
Das Interview fing kurios an: Wir fragten Panagiotis, warum er einen Barbierladen aufgemacht hatte, und im Gegenzug fragte er uns, welches Format unsere Videos hätten. Das wussten wir allerdings nicht so genau. Alles bei uns war improvisiert; im Vergleich zu einer professionellen Ausrüstung war unsere Kamera ja eher ein billiges Modell. »Keine Ahnung!«, antworteten wir also.
Dieses erste Interview war ein Totalschaden. Ich hatte keinerlei Erfahrung damit, Leute zu interviewen, und unterbrach ihn dauernd, während er noch redete – beim Schnitt der reine Horror. Und als wäre das nicht schon genug, sahen wir, als alles fertig war, dass unser Audiorekorder »Error« anzeigte. Er hatte das gesamte Interview nicht aufgenommen. Das war mega-peinlich, wir mussten Panagiotis bitten, zum Filmen später noch einmal wiederkommen zu dürfen. Wir kreuzten dann am Nachmittag erneut auf, und inzwischen hatte er legerere Kleidung angezogen. Deshalb ist er der Einzige in der ganzen Serie, von dem es kein gefilmtes Interview gibt. Immerhin, diese Lektion hatten wir gelernt!
Dann fragte Panagiotis uns, wo wir sonst noch filmen wollten, und wieder konnten wir ihm keine richtige Antwort geben. Er war dann so nett, uns ein paar Tipps für Barbershops in der Stadt zu geben, die sich von seinem unterschieden. Was gut passte, denn ich wollte Kontraste zeigen, und nach seinem Gentlemen’s Club im Vintage Style konnten wir nun etwas anderes filmen.
Beim Barbier sind Politik und Nachrichten Tagesgespräch.
Das »1900« war eine reine Pracht. Man fühlte sich wie in einem Herrenclub längst vergangener Zeiten.
Don Barber & Groom
Das Don Barber & Groom (Amerikis 23) von Ioannis ähnelte mehr einer Grooming Lounge mit allen möglichen Dienstleistungen im Schönheitssektor, einschließlich Waxing und Maniküre. Zum ersten Mal gingen wir einfach so und ohne Vorbereitung in einen Shop und mussten erklären, was wir machten, warum wir es machten und was das Ganze eigentlich sollte – wie verwirrt die Leute jedes Mal aussahen, wenn wir sie damit überfielen, finde ich immer noch ziemlich lustig.
Ioannis ließ sich auf uns ein. Sein Salon war so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir am Tag zuvor gesehen hatten. Ioannis war Eigentümer, Geschäftsführer und Barbier in einer Person – selbstbewusst, aber vor der Kamera etwas nervös. Das kam nicht selten vor und passierte auch mir selbst immer wieder. Doch das Interview lief gut und brachte uns ein paar schöne Einblicke in seinen USP: Haarschnitt, Bartpflege und Wellness speziell für Männer, und alles aus einer Hand.
Beim Hochzeitstanz auf dieser unglaublichen griechischen Hochzeit unseres