Rose of India. Eveline Keller

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Rose of India - Eveline Keller

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Morgen vor dem Flug brachte Amber eine aufgeregte Melanie mit ihrer kichernden Freundin Sara zum Bahnhof. Die beiden reisten in ein zweiwöchiges Kletterlager in den Bieler Jura.

      Dann fuhr sie direkt zum Flughafen, flog nach Kairo und von da aus nach Hurghada. Sonnenschein war hier garantiert, das war nach dem verregneten Sommer in der Schweiz genau das Richtige. Ein Taxi brachte sie an den Pier. Wo sie mit Freudentränen in den Augen vor dem strahlend weißen Schiff stand und ihr Glück kaum fassen konnte.

      Die MS Salander war kein Riesenschiff, dafür aber mit vielen Extras ausgestattet. Denn man legte ebenso Wert auf genügend Platz für die Passagiere wie auf einen tadellosen Service. Ihre Platzzahl war gewollt beschränkt, für luxusverwöhnte Gäste, die gerne Ferien unter ihresgleichen machten.

      Amber würde sich nach allen Regeln der Kunst verwöhnen lassen. Faulenzen stand ganz oben auf ihrer Wunschliste; sich das herzhafte Lachen wieder zurückholen, das ihr im Alltag abhandengekommen war, gleich danach, und dazu würde sie sich eine knackige Bräune besorgen. In ihrem Liebesnest, der Honeymoon-Suite, würde sie all das nachholen können, was sie bisher vermisste. Falls sie Abwechslung suchte, bot die Wellness-Oase alles, was das Herz begehrte. Massagen, wo sie sich in Honigcreme aalen, den schlaffen Körper in Heilschlamm beleben oder sich nach dem Dampfbad mit Mandelöl beträufeln lassen konnte. Stand ihr trotzdem der Sinn nach etwas Nervenkitzel, könnte sie sich im Spielcasino die Zeit vertreiben.

      Einziger Wermutstropfen war, dass Raul mit einem anderen Flug anreiste, damit seine Noch-Ehefrau, von der er sich bald trennen würde, nichts merkte. Er hatte die Teilnahme an einer „Internationalen Konferenz der Hersteller von künstlichen Hüftgelenken“ als Grund für die Reise vorgeschoben.

      Amber verliebte sich auf Anhieb in die romantische Suite mit kleinem Entree, stilvoll eingerichtetem Wohn- und Schlafraum mit Himmelbett, großen Fenstern und einem kleinen Balkon. Ein Schrankzimmer und Badezimmer rundete das Ganze ab.

      Nachdem sie ihre Sachen eingeräumt hatte, duschte sie, cremte sich mit einer nach Orangen riechenden Lotion ein und flocht sich violette und weiße Bänder ins natürliche schwarze schulterlange Haar. Sie schlüpfte in ein hellbeiges Mieder, mit lila Spitzen am Dekolleté und Strumpfhaltern, dazu zog sie rosaseidene Strümpfe an. Prüfend drehte sie sich vor dem bodenlangen Spiegel. Ihre Brust wurde nach oben gepresst, die schlanke Taille lenkte den Blick auf die runden Hüften und die hübschen Beine, Sandalen mit hohen Absätzen dazu machten es komplett. Sie sah aus wie eine Rokoko-Puppe, verspielt und sehr sexy.

      Zufrieden legte sie sich aufs Bett, blätterte in einem Magazin, wählte ein Abendessen von der Menükarte aus und wartete. Minuten reihten sich zu Stunden und Ambers erwartungsvolle Hitze kühlte sich immer mehr ab. Sie versuchte Raul auf dem Handy anzurufen, erreichte jedoch nur seine Mailbox. Sie begann zu frösteln in der leichten Wäsche. Schließlich griff sie sich resigniert ein buntes Cocktailkleid aus dem Schrank, zog es an und gesellte sich zu den anderen Gästen, die sich zum Begrüßungs-Apéro in der Messe versammelt hatten.

      Inzwischen hatte die MS Salander unter begeistertem Beifall abgelegt. Der Kapitän hielt eine kurze Rede, hieß alle herzlich willkommen und machte die Gäste miteinander bekannt. Diese kamen aus allen Teilen Europas, von Russland und Norwegen bis Portugal und der Türkei. Die entstehenden Gespräche wurden, je nach Sprachkenntnissen, mit Gesten reich untermalt und liefen meist auf eine Aufzählung verschiedener Feriendestinationen hinaus.

      Amber war nur mit halbem Herzen bei der Sache und eben im Begriff, sich nochmals aus der Bowle zu bedienen, als sie ein bekanntes Gesicht erblickte. War das wirklich David Maler; und wer war die schwangere Frau an seinem Arm? „Möchtest du dich setzen? Wäre es nicht bequemer, wenn du die Füße hochlegen könntest? Magst du noch einen Gemüsedip? Nein, kein Salzgebäck, das schadet dir in deinem Zustand.“

      Der ehemalige Partylöwe trug seine Frau praktisch auf Händen. Alle waren entzückt von den beiden - bis auf Amber. Ihr Magen hob und senkte sich beim Gedanken, den beiden vorgestellt zu werden. Das war so ätzend! Bewusst umging sie die Turteltäubchen großräumig. Was hätte sie auch sagen sollen? „Gratuliere David, eine weitere Frau geschwängert?“ Sie wollte das junge Glück nicht zerstören.

      Irritiert wandte sie sich der nächsten netten Dame zu, die sich ihr vorstellte: „Mia Reber, und das ist Raul, mein Mann.“

      Er lächelte ihr zu, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Amber biss beinahe in ihr Glas.

      „Raul ist in der Gesundheitsprothesen-Branche tätig. Wir kommen gerade von einer internationalen Konferenz in Kairo.“

      Da stand ihr Raul. Gestern noch hatte er ihr die wahre Liebe geschworen. Die Luft zwischen ihnen vibrierte, doch Mia fuhr unbeirrt fort. „Da sag ich: ‚Chrauli‘ - das ist sein Kosename – also, Chrauli, bald sind wir zwanzig Jahre verheiratet. Wie wäre es, wenn wir auf einer Kreuzfahrt feiern würden? Wie in dieser Serie von äh - Dings. Das ist doch mal eine Abwechslung zu Marbella oder Fiji.“

      Die Frau, die Raul abschätzig ‚Elefäntli‘ nannte, bebte vor sympathischer Lebendigkeit. Sie sah wie die jüngere Schwester von Miss Marple, der Hobby-Detektivin aus den Agatha-Christie-Krimis, aus. Okay, sie war nicht schön, und sicher stand Rauls sorgsam konserviertes Sunnyboy-Aussehen höher im Kurs, aber sie hatte Pfiff.

      „Was für ein bezauberndes Kollier“, bewunderte eine hinzutretende Brünette, die Amber als Managerin einer Kosmetik-Kette vorgestellt worden war.

      „Chrauli hat es mir zum Hochzeitstag geschenkt“, strahlte Mia, was reihum beeindrucktes Kopfnicken auslöste. „‚The Rose of India‘ heißt der Rubin. Nur die wertvollsten Steine erhalten Namen.“ Dann senkte sie geheimnisvoll ihre Stimme: „Er fördert die Liebe, behütet das Leben und soll für besseren Sex sorgen.“ Sie winkte ab. „Was für uns ja kein Problem ist. - Und er besitzt heilende Kräfte.“ Wieder lauter: „Der Juwelier in Kairo hat uns Geschichten erzählt, eine abenteuerlicher als die andere. Ursprünglich hat ihn der Scheich von Mosambik seiner ersten Frau zur Hochzeit geschenkt.“

      Mia reckte ihr umfangreiches Dekolleté zur näheren Betrachtung vor. „Ist er nicht wunderschön?“ Alle bestaunten den roten Edelstein, der, von Diamanten eingefasst, an einer goldenen Kette um ihren Hals hing. Er machte sich sehr hübsch in dem Tal zwischen den weichen Hügeln und funkelte wie eine Königin, die Hof hielt.

      Amber fehlten die Worte. Schließlich quetschte sie ein „Ja, sehr, sehr …“ hervor, blinzelte mit brennenden Augen. „Oh, entschuldigen Sie, mir ist da was ins Auge geraten“, und verschwand in Richtung Frauentoilette.

      „Ah, das tut mir leid“, rief ihr Mia hinterher und zu Raul gewandt: „Sympathisch und offensichtlich alleine. Chrauli, wir müssen was für das arme Ding tun, sie ist scheu. Du kennst mich, ich verkupple für mein Leben gerne Menschen. Mal sehen…“

      Nichts von den Absichten ihrer neu gewonnenen Freundin ahnend, marschierte Amber in ihre Kabine, riss den Koffer hervor und stopfte ihre Kleider hinein. Nichts wie weg hier! Dieser hinterhältige Lügner, dieser schleimige Heuchler! Er hatte sie als Mätresse eine Etage höher einquartiert, während er bei Mia den liebevollen Ehemann mimte.

      Ohne anzuklopfen trat Raul ein und breitete seine Arme aus. „Hier lässt es sich leben. Ist das nicht die schönste Kabine auf dem ganzen Schiff? Aber für mein Mausibällchen ist mir nichts zu teuer! Nun gib mir mal einen richtigen Begrüßungskuss, mit vollem Körpereinsatz.“

      Er hätte sich nicht mehr irren können.

      „Du Heuchler! Lügner! Was macht deine Frau hier? Die Kreuzfahrt war meine Idee, es sollte uns den Alltag vergessen lassen, ohne deine Frau und ohne

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