Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen
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Читать онлайн книгу Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5 - Antje Ippensen страница 11
Seine unergründlichen Augen schauten wieder tief in die ihren.
„ Du hast immer die Wahl, Riyala Falken. – Du könntest auch zum Haupttor gehen – eine entsprechende Nachricht würde deine Eltern darauf vorbereiten, und sie könnten Vorsichtsmaßnahmen treffen und dich hineinlassen, ohne dass eine Gefahr für die Sicherheit der Stadt entstünde.“
Alles in ihr sträubte sich gegen die Vorstellung, derart öffentlich zurückzukehren – nein, das war es nicht, was sie wollte. Sie würde dann doch endlosen Fragen und Verhören ausgesetzt sein, erklären und sich rechtfertigen müssen ... sie kannte doch ihre Eltern und Lania. Gerade ihre Kinderfrau konnte unglaublich hartnäckig sein, und ...
Sie funkelte den Edelstein-Magister an und war eine Weile sprachlos, unfähig, eine Entscheidung zu treffen.
„ Weshalb tut Ihr das alles? Was bezweckt Ihr damit? Welches ist der Preis, den ich dafür zahlen muss, dass Ihr meine Angelegenheiten in Ordnung bringt?“, brach es ungestüm aus ihr hervor.
Diesmal lächelte er nicht, sondern blickte sie mit ausdrucksloser Miene an.
„ Komm hin und wieder zu mir und finde es selbst heraus.“
Riyala schwieg. Gedankenverloren betrachtete sie die blassen ringförmigen Striche an ihrem Unterarm, die einzigen Spuren, die von den Krallenabdrücken ihres genesenen – ihres von ihr geheilten! – Falken zurückgeblieben waren.
Immer noch fühlte sie sich teils abgestoßen, teils angezogen von dem alten Mann und seinen Worten. Aber es wäre tatsächlich das Einfachste, auf seinen Vorschlag einzugehen ...
Der Edelstein-Magister lehnte sich in seinem Weidenrohrsessel zurück.
„ Ich war ein paar Jahre jünger als du, als mir bewusst wurde, welche Fähigkeiten in mir schlummerten. Meine Eltern – einfache Leute, die sich mit Ackerbau und kleinen Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielten – wären niemals im Leben auf diese Idee gekommen. Ich schien ein ganz normaler Junge zu sein; ich ging gern jagen und fischen und hatte sonst keine ausgeprägten Interessen. Eines Tages trieb ich mich wieder einmal im Wald herum und hoffte auf ein wenig Jagdglück, das mir endlich auch hold war. – Du musst wissen, dass ich nicht aus dieser Gegend stamme; in meinem Heimatland gab es ausgedehnte Wälder. Mit Pfeil und Bogen stellte ich einem jungen Makanbock nach und erwischte ihn auch, schoss ihn aber nur waidwund. Ich war zornig auf mich selbst, denn im Grunde war ich kein schlechter Jäger, und es gefiel mir nicht, ein Beutetier leiden zu lassen. Ich folgte also der blutigen Fährte ... bis plötzlich wie aus dem Erdboden gewachsen eine alte Frau vor mir stand. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen – aber sie kannte mich, redete mich mit meinem Namen an und zeigte mir drei schimmernde Steine. Und dabei lächelte sie auf sehr merkwürdige Weise.“
Gespannt beugte sich Riyala vor. „Was geschah dann, und wie habt Ihr Euch gefühlt?“
„ Ich war verwirrt und ärgerlich; ich wollte die Alte zur Seite schieben, davonlaufen, mich wehren – doch irgendetwas hielt mich davon ab. Diese drei Kristalle ...“
„ Ich könnte schwören, dass es diese drei hier waren“, unterbrach Riyala den Magister, und sie strich mit den Händen über das nun wieder geschlossene Kästchen.
„ Du sagst es“, sagte er und grinste dabei wie der Junge, der er damals gewesen war. „Bernstein, Herz der Rose, Blutstein. – Die Greisin schaute mich an, drückte mir alle drei in die Hand und meinte nur, ich wisse ja, was ich nun tun solle. Ich wusste überhaupt nicht, wovon sie sprach. – Nur wenige Meter weiter fand ich den zusammengebrochenen, sterbenden Makan, und auf einmal begann in mir eine Ahnung zu wachsen ...“
„ Ihr habt das Tier geheilt!“, fiel ihm Riyala wiederum ins Wort.
„ So war es.“ Sein Grinsen verwandelte sich in ein heiteres Lächeln. „Seit jenem Tag habe ich nie wieder gejagt und auch kein Fleisch mehr gegessen. Von Stund an änderte sich mein Leben. Alles veränderte sich, und das war nicht immer leicht. Ich ging bei der alten – nennen wir sie Kristallhexe – in die Lehre. Es war anfangs hart, mein gewohntes Leben aufzugeben, mich von meiner Familie zu trennen und mehr und mehr in diese neue Welt hineinzuwachsen. Als meine Lehrzeit abgeschlossen war, verließ ich mein Land und wanderte lange Jahre rastlos umher. Ein Kristallheiler wurde überall gebraucht ... und dann fühlte ich eines Tages, dass ich hier in Co-Lha sesshaft werden sollte, und ich bezog diese gemütliche Höhle. Die Kristallmagie wird immer zum jeweils anderen Geschlecht weitergegeben. Ich wusste, dass ich hier meine Nachfolgerin finden würde ...“
Die Augen des Magisters schimmerten jetzt wie Smaragde, und seine einfachen, aufrichtigen Worte hatten Riyala stark berührt. Sie fühlte sich ihm nun verbunden, er wirkte nicht mehr so unnahbar und rätselhaft, sondern wie ein Mensch mit normalen Gefühlen und Empfindungen.
Ein längeres Schweigen trat ein, das jedoch nicht unangenehm lastete, sondern sich ganz natürlich entfaltete.
„ Ich will versuchen zu lernen, damit ich würdig bin, diese Aufgabe zu erfüllen“, sagte Riyala endlich leise.
In ihrem Inneren aber flüsterten zur gleichen Zeit zwei Stimmen: Nun weißt du ja, was er von dir will ... sagte die eine. Er hat es klar und einfach gesagt. – Aber die andere Stimme entgegnete: Doch hinter seinen Worten: Komm zu mir und finde es selbst heraus, steckt sicher noch etwas anderes. Du willst ihm doch nicht wirklich vertrauen?
Als sie an der Seite des Magisters ins helle Sonnenlicht hinaustrat und geblendet die Augen zukniff, kam ihr alles, was in der Höhle geschehen war, bereits wie ein Traum vor.
Beinahe jedenfalls.
Der greifbare Beweis dafür, dass all dies Wirklichkeit war und kein Traum, lag in ihrer Hand: das Kästchen mit den „Steinen der Nachfolgerin“. Und jetzt reichte ihr der alte Mann auch noch einen vierten. Er war goldfarbig mit einem dunklen Fleck in der Mitte.
„ Dieser Stein – das Auge des Falken – ermöglicht das Reisen “, sagte der Magister, wobei er die beiden letzten Worte betonte. „Es erfordert allerdings ein wenig Übung. Ich werde dir also ein wenig Kraft von mir leihen, damit du genau an den Ort gelangst, an den dein Wunsch dich führt. – Sag, gibt es sonst noch etwas, was ich für dich in Ordnung bringen soll?“
Riyala dachte nach, doch ihr fiel nichts ein. Sie verneinte seine Frage.
Ohne ein weiteres Wort schloss der Magister seine Finger um ihre Linke, die das Falkenauge hielt. Dieses Mal war das Gefühl freigesetzter und überströmender Energie für sie fremdartiger, aber doch auf seltsame Weise vertraut ... ihr wurde ein wenig schwindelig, und sie schloss die Augen.
Aber sie bewegte sich ja gar nicht! Sonderbar ... sie hatte geglaubt, es müsse sich so anfühlen, als sei sie ein Falke, der durch die Lüfte flog. Etwas enttäuscht öffnete sie die Augen einen Spalt weit, und sie sah, dass in ihrer unmittelbaren Umgebung eine seltsame Veränderung vor sich ging. Sämtliche Farben – das Ockerbraun und Schiefergrau der Felsen, das Graugrün der Grasbüschel, das Gelb des Staubes – wurden von einer unsichtbaren Kraft aus den Dingen herausgesogen. Mit dem neben ihr stehenden Magister, der ihre Hand losgelassen hatte, geschah das gleiche. Und dann verblasste alles immer mehr; die Konturen begannen sich allmählich aufzulösen. Alles, was weiter als zehn Schritt entfernt war, verschwamm bereits, verwandelte sich in nebelhaftes, flimmerndes Grau.