Fantasy Sammelband Riyala - Tochter der Edelsteinwelt Band 1 bis 5. Antje Ippensen
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Es war nur schwach und trübe beleuchtet und wirkte nicht sehr einladend.
Zu dieser nächtlichen Stunde war niemand außer ihr auf der einsamen Straße unterwegs. Ein Gefühl der Erregung packte Riyala und ließ sie mehrmals den Atem anhalten – sie spürte, dass diese Nacht ihr Leben verändern würde.
2. Kapitel: Nigel
Die Umrisse der ersten strohgedeckten, dunklen Hütten von Arjenez schimmerten matt im Mondlicht, und Riyala steuerte geradewegs auf ein halb verrottetes Eingangsgatter zu – als sie plötzlich etwas Entsetzliches entdeckte.
Um ein Haar wäre sie über ihren grausigen Fund gestolpert, und es fehlte nicht viel, und sie hätte laut aufgekreischt. Wie angewurzelt stand Riyala da, eine Hand auf die Brust gepresst.
Verkrümmt am Boden lag eine Frau in Lumpen – eine ihrer abgezehrten Hände hing in flehender Gebärde steif in der Luft.
Die Frau musste schon seit mehreren Stunden tot sein. Riyalas Grauen bei diesem Anblick steigerte sich noch, als sie den Inhalt des Bündels sah, das die Tote mit der anderen Hand an sich drückte: es war ein ebenfalls totes Baby.
Verhungert. Kurz vor dem rettenden Dorf, deren Bewohner ihr und dem Kind doch wohl in irgendeiner Weise hätten helfen können ... Die Kräfte verließen sie, so dass sie nicht einmal mehr schreien konnte.
Solche furchtbaren Gedanken wirbelten durch Riyalas Hirn ... und dies waren die ersten Leichen, die sie überhaupt in ihrem Leben sah.
Es schien ein noch schlechteres Omen zu sein als das Verschwinden ihres Falken, und nur unter großen Mühen gelang es dem Mädchen, zu ihrem alten Zaubertrick zu greifen: Sie verdrängte das Gesehene so tief es ging und schritt dann weiter, in das stille, düstere Dorf hinein.
Ob wirklich alle Dorfbewohner schliefen? Riyala wusste nicht warum, aber sie glaubte es nicht. Etwas Sonderbares lag hier in der nach Armut riechenden Luft und schien auf einen bestimmten Ort hinzudeuten, der etwas erhöht am Dorfrand lag.
Als Riyala dieser Stimmung nachging, hörte sie bald tatsächlich gedämpft murmelnde Stimmen, ab und zu sogar abgerissene Satzfetzen. Und bald darauf tauchte die Ruine eines Tempels vor ihr auf – von dort kamen die Stimmen ... und bald waren auch ein paar flackernde Lichter zu erkennen.
Vorsichtig schlich Riyala näher an das halb verfallene Gebäude heran, von dessen Kuppel nur noch traurige Reste standen.
Ja, hinter diesen Mauern hatten sich offenbar ein Dutzend oder mehr Dorfbewohner versammelt – aber weshalb? Neugierig umkreiste Riyala die Tempelruine, bis sie schließlich einen Riss im Mauerwerk fand, durch den sie hindurchspähen konnte. Vom Eingang mit seinem schief in den Angeln hängenden Holztor hatte sie sich lieber ferngehalten.
Das, was sie sah, war zunächst nicht besonders beeindruckend, sondern eher enttäuschend: schmutzige, abgerissene und hohlwangige Dörfler hockten auf den Dielen, gestikulierten müde und sprachen miteinander: manchmal lauter, manchmal leiser. Riyala hatte sich etwas Aufregenderes gewünscht und wollte sich schon mit einem leisen Seufzer zurückziehen, als etwas geschah, was ihren Blick auf der Stelle fesselte:
Ein junger Bursche mit kühner Hakennase, flammenden schwarzen Augen und tief gebräunter Haut sprang plötzlich auf den einfachen Holztisch im Altarbereich des Tempelraumes. In einer Hand hielt er eine kleine Trommel.
Was Riyala jedoch am meisten faszinierte, war die Tatsache, dass dieser Junge sein rotbraun-schwarzes Haar unbedeckt trug. Es war schulterlang und dicht und flatterte bei jeder Bewegung, die er machte. Jetzt strich er es sich schwungvoll aus der Stirn.
„ Meine Freunde, Brüder und Schwestern!“, rief er. „Lasst uns nicht länger hier herumhocken wie erloschene Kerzen, sondern Lasst uns Mut fassen und überlegen, was wir tun können! Die Zeit ist reif, um endlich eine Entscheidung zu fällen!“
Es war beinahe so, als schwinge Zauberkraft in seiner Stimme mit, denn die bislang lethargisch wirkenden Dörfler richteten sich allesamt auf.
Als ob ein Funke überspringt, dachte die heimliche Zuschauerin an ihrer Mauerspalte.
Dann jedoch sagte ein alter Mann: „Schön gesprochen, Nigel – aber sagst du uns auch, was genau wir tun sollen, junger Hitzkopf? Wir sind halb verhungert. Es bleibt uns kaum die Kraft, die alltäglichen Geschäfte zu besorgen. Die kleinsten Dinge fallen uns schwer ...“
„ Eben deshalb, Gratan, müssen wir diese Reste an Kraft sinnvoller einsetzen!“, entgegnete der junge Mann, der also den Namen Nigel trug. „Nicht für die ‚kleinsten Dinge‘, sondern für die Befreiung, die Rettung! Und wir werden sehen, dass viel mehr in uns steckt, als wir ahnten.“
Er blickte mit seinen feurigen Augen in die Runde und konzentrierte sich dann wieder auf den alten Gratan.
„ Ich mag jung sein, aber du brauchst mir gewiss nicht zu erklären, wie schlecht es um uns steht! Unsere Familien siechen dahin – in meiner Hütte liegt meine Mutter, gealtert vor ihrer Zeit, zu schwach, um sich von ihrem Lager zu erheben. Und meinen drei Schwestern geht es nicht viel besser. – Ich sage euch: Ich ertrage das nicht länger! Und tief in eurem Innern wisst ihr auch, dass wir diesen Zustand nicht länger hinnehmen können! Wir wissen es alle!“
Bei diesen leidenschaftlich hervorgestoßenen Worten klopfte Nigel sich mit der Faust gegen die Brust, und seine schlanke, aber kräftige Gestalt straffte sich noch mehr.
Riyala konnte ihren Blick nicht von ihm lösen. Sie war vollkommen fasziniert.
„ Ja, er hat ganz recht!“, krächzte die Stimme eines vielleicht fünfzigjährigen Bauern, dessen Hände den Griff einer schartigen Sense umklammerten. Er stieß sein Werkzeug heftig gegen den Boden.
„ Wir müssen uns endlich wehren!“, schrillte eine hagere Frau mit wirrem salzfarbigem Haar. Sie hielt einen leeren Kochtopf zwischen den Fingern und begann nun, mit einem Löffel rhythmisch dagegen zu schlagen.
Die anderen Dörfler fielen in den Lärm ein mit allem, was sie an kümmerlichem Gerät bei sich hatten; manche klapperten auch nur ohrenbetäubend mit ihren Holzpantinen.
Bis Nigel die Arme hob. Es wurde wieder ruhiger.
Als er abermals zu sprechen anfing, lief es Riyala heiß und kalt über den Rücken, ihr Herz begann zu klopfen; Furcht und Empörung schnürten ihr die Kehle zu. Der Bursche rief ja zum offenen Aufruhr auf!
„ Co-Lha hat uns im Stich gelassen!“, rief der junge Bauernsohn mit seiner klangvollen Stimme. „Die Matriarchin und ihr Heros verschanzen sich im Inneren der Stadt und scheren sich nicht darum, ob wir verrecken! Wir sind ihnen egal! Und in Co-Lha gibt es alles, was wir brauchen – warum also gehen wir nicht dorthin und holen es uns?“
Zustimmendes Gebrüll aus vielen Kehlen antwortete ihm. Nigel griff nach seiner Trommel und entlockte dem Instrument dunkle, dröhnende Töne, die unmittelbar ins Blut gingen.
Wie erstarrt stand Riyala da, klebte förmlich an ihrer Mauerspalte. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Hals über Kopf davonzurennen und dem heftigen Verlangen, weiterhin dem Trommelschlag zu lauschen und den jungen Nigel mit ihren Blicken zu verschlingen.
Die Dörfler im Inneren der Tempelruine