Die verborgene Kriminalität: Straftaten im Dunkelfeld. Volker Mariak
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Im Fazit ist die Feststellung wichtig, dass weder Dunkelfeld-Daten noch Hellfeld-Statistiken das deutsche Kriminalitätsgeschehen abbilden können und auch in der Ergänzung dazu nicht dazu in der Lage sind.
1. 3 Teilziel c: Diskussion des Indikators „Gewalt gegen Tiere“
Wie bereits in der oben erwähnten Arbeit (Mariak, 2019) wird Gewalt gegen Menschen mit voraufgehender oder parallel stattfindender Gewalt gegen Tiere verknüpft. Wie sich in einer Vielzahl US-amerikanischer Studien bestätigte, gehen Tierquälerei und Tiertötung oftmals einher mit Gewalthandlungen gegen Menschen. Leider hat sich diese Erkenntnis zunächst nur in wenigen deutschen Forschungsarbeiten etabliert. Deutlich wird jedoch - speziell für die Problematik „häusliche Gewalt“: Tierquälerei und Tiertötung sind wissenschaftlich haltbare Indikatoren, die frühzeitig Auskunft geben können über Gewaltbereitschaft und Gewaltausübung im familiären Binnenbereich und im näheren sozialen Umfeld. Bei den US-Forschern Spencer, Kohl und McDonald heißt es dazu:
„In recent years, a strong connection has been made between animal abuse and domestic violence. Because abusers target the powerless, crimes against animals, spouses, children, and the elderly often go hand in hand.”
(Spencer, Kohl und McDonald, 2012, S. 2; Zitat: URL Hodges, C.: „Why You Should Join The War On Animal Cruelty”, in: Coalition for Ani mal Justice) Und weiter führt die Forschungsgruppe aus:
„The deadly violence that has occurred in schools in recent years has, in most cases, begun with cruelty to animals. […] Many of the school shooters committed acts of animal cruelty before turning their aggression on classmates, teachers, and parents.” (Spencer, Kohl u. McDonald, 2012, S. 4)
Eine weitere Stimme aus dem Kreis US-amerikanischer Fachwissenschaftler sei hier gehört. Die erfahrene Kriminologin Prof. Karel Kurst-Swanger (Oswego State University of New York) betont, mit Blick auf vielfältig vorliegende Forschungsresultate, ebenfalls den Zus ammenhang von häuslicher Gewalt und Tierquälerei / Tiertötung:
„However, the evidence is clear that there is a strong connection that should not be minimized. When humans are vulnerable to abuse and neglect, animals are likely to be as well. When animals are identified as being abused or neglected, it is feasible that humans may also be at risk of victimization. The risk within abusive families appears to be of greatest concern. Yet, little has been done to document the extent, on a large-scale basis, of the conditions in which animal mistreatment exists within abusive family environments. Animal welfare officials have long known that many victimized animals live with problematic families. At the same time, child and adult protective caseworkers and domestic violence advocates have observed or heard reports from their clients that animals have been mistreated. Most states have no protocols or formal policy to address the cross-system issues inherent when both animals and humans are at risk of abuse.”
(Kurst-Swanger, Karel: „Animal abuse: The link to family violence”; in: Jackson, Nicky Ali [Ed.]: „Encyclopedia of Domestic Violence”, Routledge, New York und London, 2007, S. 26)
Mittlerweile wird ebenfalls in der deutschsprachigen Forschung – wenn auch sehr verhalten - auf die wichtige und (primär von US-Forschern) belegte Indikatorfunktion der Gewalt gegen Tiere hingewiesen. So findet sich in der das weite und diffizile Feld familiärer Gewalt umfassend abdeckenden Forschungsübersicht von Lamnek u. a. immerhin der Hinweis, dass Formen psychischer Gewalt auch Drohungen und Nötigungen beinhalten, die sich auf mögliche Gewalt gegen Tiere beziehen:
„Weitere Formen psychischer Gewalt, die weit weniger auf Verständnis stoßen als der kurzfristige Liebesentzug, sind Drohungen, Nötigungen und Einschüchterungen. Auch die Androhung, Dritte zu verletzen (Verwandte, Haustiere) wird eingesetzt, um den eigenen Willen durchzusetzen.“ (Lamnek u. a., 2012, S. 115)
Mit Blick auf den „Klassiker“ physische Gewalt stellen Lamnek u. a. klar, dass dazu neben sexueller Gewalt wie etwa der Vergewaltigung auch die Gewalt gegen „Sachen“ zu rechnen ist, die für den Geschädigten einen Wert haben. In der Aufzählung heißt es dann: „… z. B. Kleidungsstücke, Andenken, Spielzeug oder auch Haustiere…“ (Lamnek u. a., 2012, S. 9. Hervorhebung durch V. Mariak). Am Rande interessant ist hier die Benennung der Haustiere als „Sachen“, wobei Lamnek u. a. dieses Wort immerhin in Anführungszeichen setzen und derart als bedenkenswert hervorheben.
Man folgt hier wohl der immer noch aktuellen deutschen Rechtslage, nach der Tiere eben als „Sachen“ definiert werden (z. B. StGB § 242 (Diebstahl: Strafrechtlicher Begriff der Sache) oder rechtlich als solche zu behandeln sind (BGB § 90a Satz 3). Damit resultiert auch im Fall der ärgsten Tierquälerei – juristisch-logisch korrekt – nur eine Beschädigung „lebender“ Sachen (siehe dazu auch: Mariak, 2019, S.32 ff.).
Insgesamt bleibt jedoch als positiv festzuhalten: Auch in deutschsprachiger Forschung (Deutschland und Österreich) wird nunmehr anerkannt, dass angedrohte oder ausgeführte Tierquälerei und Tiertötung (psychische oder physische Gewalt) in das Spektrum der bestimmenden Faktoren „häuslicher Gewalt“ zu zählen ist. Nun rechtfertigt sich Sozialforschung nicht als Selbstzweck: Sie ist grundsätzlich dem ethischen, soziokulturellen und auch (straf-)rechtlichen Nutzen der Gesellschaft und ihrer Teilgemeinschaften verpflichtet. Das bedeutet im konkreten Fall: Zielsetzung ist die Minderung innerfamiliärer Gewalt, die – zumindest anzustrebende – körperliche und geistige Unversehrtheit der Familienmitglieder. Der Indikator „Gewalt gegen Tiere“ wäre folglich in der Präventionsarbeit und praktischen Familienhilfe vor Ort einsetzbar. Polizeiliche Behörden und die Judikative könnten mit dieser Zusatzinformation ihre Eingriffe durch das Früherkennen häuslicher Gewalt effektiver gestalten und fatale Eskalationen verhindern.
Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich ist Tierschutz keinesfalls speziesistisch zu begrenzen auf ein soziales Vehikel zur Verminderung der Gewalt im rein zwischenmenschlichen Bereich. Wir wären dann wieder bei Immanuel Kant und seiner These: eine Verrohung des Menschen durch Tierquälerei führe ebenfalls zu Unbarmherzigkeit und Brutalität gegenüber seinen Mitmenschen. Die gängige Interpretation der Kantischen Tierethik unterstellt, dass diese Aussage nicht etwa das Leid und Unrecht anprangert, welches betroffenen Tieren widerfährt. Vielmehr handle nach dieser Tugendlehre Kants der Tierquäler nur verwerflich, weil er seine Pflicht gegen sich selbst und seine Mitmenschen verletzt: Indem er Tiere quäle, mindere er zugleich seine sozial wertvolle Fähigkeit zur Empathie gegenüber der eigenen Spezies (URL Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften [drze], Kapitel III.: „Kernfragen der ethischen Diskussion. Der moralische Status von Tieren und Menschen.“, Abschnitt: „1. Tiere haben keinen genuinen moralischen Status: sie sind nicht um ihrer selbst willen schützenswert“. Siehe dazu auch: Mariak, 2019, S. 14 f.
Zur Kantischen Tierethik siehe: Kant, Immanuel: „Die Metaphysik der Sitten“, Teil: „Episodischer Abschnitt. Von der Amphibolie der moralischen Reflexionsbegriffe: das, was Pflicht des Menschen gegen sich selbst ist, für Pflicht gegen andere zu halten“, § 17, Sammlung Hofenberg, vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors, Hrsg.: Karl-Maria Guth, 2. Auflage, Verlag: Contumax, Berlin, 2016. S. 224 f.)
Die Problematik dieser philosophisch