Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore

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Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018 - Cedric Balmore

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Gefühl, als sie die Klinik verließ und die Hirschauer Straße in Richtung Stadt entlangging. Sie hätte ein Taxi nehmen und zu ihrer Pension zurückfahren können, aber sie wollte ganz gerne zu Fuß gehen. Beschloss dann, einen Spaziergang durch den Englischen Garten zu machen. Es war herrliches Wetter draußen, und sie hatte Zeit. Zeit den ganzen Tag. Auch die nächsten Tage. Bis zum Monatsende reichte ihr Urlaub. Gekündigt hatte sie ja schon länger. Und irgendwie war sie froh, nicht mehr nach Erlangen zurückzumüssen. Höchstens um ihre Sachen zu holen. Davor graute es ihr. Es bedeutete die Wohnung – die gemeinsame Wohnung – zu betreten, die sie mit ihrem Mann sechs Jahre geteilt hatte. Sechs Jahre einer Katastrophe, wie sie sich eingestand. Ein Mann, den sie viel zu spät als Ehrgeizling und Weiberheld entdeckt hatte. Aber als es ihr klar wurde, war der Würfel schon gefallen, und sie trug seinen Namen. Seit ihrer Scheidung nannte sie sich wieder Fenzing wie früher als junges Mädchen.

      Als sie dann im Englischen Garten war und einen der Wege entlangging, entdeckte sie eine Bank. Sie ließ sich in vollem Sonnenschein darauf nieder, lehnte sich zurück, beugte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Die wärmende Sonne tat ihr wohl. Und zugleich war es ein Platz zum Träumen. Ihr erschien allerdings das, woran sie denken musste, eher wie ein Alptraum. Gedanken an eine Ehe, Gedanken an einen Weiberhelden, der zugleich an nichts mehr dachte als an seine Karriere. Dem jede Form recht war, die ihm helfen konnte, seine Karriere zu beschleunigen.

      Eine Zeit lang war es ihr gelungen, ihn wieder fester an sich zu binden und sein Streben einzudämmen, ihn mehr daran zu erinnern, was das Leben schön macht. Doch es hatte nicht lange gedauert. Er betrog sie, wo sich die Gelegenheit dazu bot, und er machte es geschickt. Sie brauchte Jahre, um dahinterzukommen.

      Vielleicht bin ich lange Zeit die Einzige gewesen in der ganzen Klinik, die von nichts wusste, die ahnungslos war, während alle anderen über ihn und besonders über mich Bescheid wussten.

      Die Gedanken an diese Zeit waren schmerzhaft. Schon dabei regte sich ihr Trotz aufs Neue, ihre Wut. Eine ohnmächtige Wut, wie ihr bewusst geworden war. Spätestens während der ganzen Scheidungsprozedur war sie dahintergekommen, dass ihr Mann sogar diesem Ausgang seiner Ehe vorgebeugt hatte. Vor Gericht spielte er die Rolle eines frustrierten, unverstandenen Ehemannes, dessen kaltherzige, unnahbare Frau ihn geradezu gezwungen hatte, die menschliche Wärme, die ihm seine Frau angeblich nicht geben konnte, bei anderen Frauen zu suchen. Ein Bild des Mitleids. So hatte er auch auf die Richterin gewirkt.

      Eine Richterin!, dachte Doris. Eine Frau wie ich. Aber er hatte ihre volle Sympathie. Und mich hat sie jedes Mal angesehen wie eine, der ganz recht geschieht, von einem Mann betrogen zu werden.

      Ihr eigener Anwalt war auch kein Ausbund juristischen Könnens gewesen. Sie hatte einfach den ersten besten genommen und musste nun die Konsequenzen tragen. Aber das Einzige, was sie wirklich wollte, war, von ihrem Mann loszukommen und von ihm wegzugehen. Männer, das hatte sie sich geschworen, würden niemals mehr in ihre Intimsphäre gelangen.

      Das alles war jetzt zwei Monate her; frisch und kaum vernarbt. Und es tat noch weh. Hier in München wollte sie einen neuen Anfang machen, ein neues Leben beginnen. Ganz von vorn. Mit achtundzwanzig kann man das noch, sagte sie sich. Da ist man jung, so jung, dass ein neuer Anfang lohnt. Und es sollte ein Weg werden, auf dem sie kein Mann begleiten würde.

      Dieser Dr. Graf gefiel ihr, weil er eben gar nicht so war, als habe er irgendwelches persönliches Interesse an ihr. Im Gegenteil, da hatte sie viel mehr Sympathie und Interesse bei Winter entdeckt.

      Sie wollte sich in den nächsten Tagen um eine Wohnung kümmern. Ein Zimmer in einer Pension am Rande der Stadt hatte sie bereits. Was ihr fehlte, war ein Wagen. Natürlich hatte Dieter den Wagen behalten. Darauf war Doris auch gar nicht scharf. So eine riesige Limousine zu fahren, machte ihr ohnehin keinen Spaß. Der Wagen passte im Übrigen ganz zu Dieters Lebensstil.

      Ihr Gedanken schweiften weiter, und sie erinnerte sich an ihre Schwangerschaft. Unmittelbar nach der Geburt starb das Kind. Ein Mädchen. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut. Aber auch ein hervorragender Geburtshelfer konnte die Kleine nicht am Leben halten. Was danach kam, war das Bitterste gewesen, was sie in ihrem Leben erfahren hatte. Sie war von Dieter mit Vorwürfen überhäuft worden. Hätte in der Schwangerschaft irgendwelche Fehler gemacht, dass es so weit kommen konnte. Dabei war sie sich nicht nur keiner Schuld bewusst, sondern bekam auch von zwei Gynäkologen bestätigt, dass sie gar nichts mit dem Tod des Kindes zu tun hatte. Dass dies etwas gewesen sei, was kein Arzt voraussagen konnte, und keine Mutter, die das Kind unter dem Herzen trug, zu beeinflussen imstande gewesen wäre. Eine Atemlähmung, die unter zehntausend Geburten einmal vorkommt. Und bei ihr war eben dieses eine Mal. Das Kind zu verlieren, war schon sehr schlimm gewesen. Ein Schock ohnegleichen. Aber dann Dieters Verhalten. Im Grunde war damals das letzte Gefühl in ihr für ihn abgestorben. Danach hatten sich nur noch Jahre der Quälerei angeschlossen, gegenseitiger Vorwürfe, Schikanen, eine Kette von Peinlichkeiten, Streitereien und Hass.

      Ich muss mich um die Wohnung kümmern, dachte sie, statt hier herumzusitzen. Aber diese halbe Stunde hat mir gutgetan.

      Als sie weiterging und den Englischen Garten durchquerte, versuchte sie sich über die Person Dr. Wieland Grafs klar zu werden. Aber sie kam zu keinem Ergebnis. Professor Winter, den konnte sie sofort einordnen. Er war ihr sympathisch. Ein Mann, mit dem sie gerne zusammengearbeitet hätte. Und wiederum auch nicht. Sie spürte, dass er in ihr auch die Frau sah. Mit Dr. Graf war das anders. Sollte sie sich nun wirklich darüber freuen, dass er sie wie ein Neutrum betrachtete? Ein wenig verletzte es ihre Eitelkeit. Zum anderen aber wirkte es auf sie beruhigend. Von ihm, dachte sie, droht mir nie Gefahr.

      In ihr war im tiefsten Innern eine Ahnung, dass sie sich da irrte. Aber sie wollte diese Ahnung nicht wahrhaben. Hörte nicht auf die innere Stimme, die ihr das Gegenteil ihrer Überzeugung signalisierte.

      Wenn ich die Wohnung habe, dachte sie, und versuchte sich selbst auf ein anderes Thema zu bringen, werde ich nur noch meine Sachen holen. Und dann ist es vorbei. Vorbei mit Dieter, vorbei mit Erlangen, vorbei mit den trüben Erinnerungen. Hier in München werde ich ganz neu anfangen. Alles wird anders sein. Es wird so sein, wie ich mir noch während unserer letzten Zeit unserer Ehe geschworen habe, dass es sein müsste. Ich werde Tennis spielen, ich werde wieder Rad fahren. Natürlich, ein Rad will ich mir besorgen. Kein Auto. Vielleicht finde ich ein Zimmer irgendwo in der Nähe. Oder eine kleine Wohnung. Eine kleine Wohnung wäre besser. Etwas Geld habe ich ja zum Glück noch. Und was mir Dieter auszahlen wird, hilft noch dabei. Und das Gehalt, das ich in Zukunft verdiene, ist auch höher als in Erlangen. Merkwürdig. Und ich hatte gedacht, das ließe sich niemals steigern.

      Sie fand an diesem Tage keine Wohnung. Auch nicht am nächsten. Aber sie nahm sich Zeit. Bis zum Monatsende war noch eine ganze Weile. Sie hoffte, dass es bis dahin klappen würde.

      Aber sie brauchte noch eine ganze Woche, um eine Apartment-Wohnung zu finden. Und die war teurer, als von ihr einkalkuliert. Trotzdem griff sie zu. Und am selben Tage noch kaufte sie sich ein Rad. Mit einem Taxi zu fahren, wurde ihr allmählich doch zu teuer.

      Die Wohnung lag im vierten Stock eines fünfstöckigen Neubaues. Eine winzige Küche, ein großes Wohnzimmer, ein kleiner Schlafraum, Abstellkammer und ein für diese Verhältnisse recht luxuriöses Bad mit Toilette. Die Wohnung gefiel ihr. Die Aussicht auf eine Bahnlinie war nicht berauschend. Aber dazwischen standen einige Bäume. So gab es doch etwas Grün. Auf der anderen Seite ging die Aussicht auf einen Neubau, der seiner Fertigstellung entgegenging. Auch kein schöner Anblick. Doch auch dort ein paar grüne Flecken. Die Straße war ruhig, und die Bahn störte weiter nicht. Es fuhren da offensichtlich nur sehr wenig Züge.

      Sie hatte ein neues Fahrrad erstanden und machte die ersten Probefahrten. Schon von Anfang an bereitete es ihr Spaß, mit dem Rad zu fahren. Sie hatte etwa drei Kilometer bis zur TANNENHOFKLINIK. Kein weiter Weg mit dem Rad, wenn es nicht gerade in Strömen goss. Gegenwärtig war das Wetter herrlich.

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