Die Zeit mit Anaïs. Georges Simenon

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Die Zeit mit Anaïs - Georges  Simenon Die großen Romane

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des Hundes.

      »So reden Sie doch! Die Gendarmerie ist am Apparat!«

      Er hatte nichts gehört und fühlte sich wie ertappt.

      »Hallo! Ist da die Gendarmerie?«

      »Wachtmeister Rochain am Apparat.«

      »Entschuldigen Sie die Störung, Wachtmeister. Ich befinde mich in …«

      Er musste sich wohl oder übel umdrehen, denn ihm war der Name des Weilers entfallen …

      »In … Einen Augenblick …«

      »Ingrannes!«, soufflierte der Wirt. »Sagen Sie, bei Durieu. Er kennt mich.«

      Folgsam wiederholte er:

      »In Ingrannes. Bei Durieu.«

      »Wer spricht denn?«

      »Das wollte ich Ihnen gerade sagen. Sie kennen mich nicht. Ich wollte Sie bitten, mich hier abzuholen.«

      »Wen sollen wir abholen? Ich kann Sie nicht hören. Ich verstehe nichts.«

      Die Silben drangen fremd und verzerrt durch die Leitung, als befände man sich in einer Grotte.

      »Mich sollen Sie abholen, mein Name ist Albert Bauche. Ich stelle mich der Polizei. Ich habe vorhin in Paris einen Mann getötet. Ich versuche nicht zu fliehen. Das hatte ich nie im Sinn, ganz im Gegenteil.«

      »Einen Augenblick, bitte.«

      In der Ferne hörte er Fetzen eines Gesprächs.

      »Hör mal, was der sagt. Er will einen umgebracht haben und hat die Absicht, sich zu stellen.«

      »Hallo! Wollen Sie bitte wiederholen, was Sie eben dem Wachtmeister gesagt haben?«

      Wie ein Schuljunge sagte er noch einmal sein Sprüchlein auf, bemühte sich, dieselben Wörter zu benutzen. In seinem Rücken hatte sich etwas bewegt, aber er wagte nicht, sich umzudrehen, um nachzusehen.

      »Und wie sind Sie nach Ingrannes gekommen?«

      »Mit dem Auto.«

      »Mit einem gestohlenen Wagen?«

      »Nein. Mit meinem eigenen.«

      »Wollten Sie über die Grenze?«

      »Nein. Ich bin einfach drauflosgefahren. Ich hatte das dringende Bedürfnis, Auto zu fahren.«

      Die erste Stimme, die von Wachtmeister Rochain, flüsterte dem Kollegen zu:

      »Frag ihn, ob er bewaffnet ist.«

      »Sind Sie bewaffnet?«

      »Ich …«

      Er versuchte sich zu erinnern, was er mit dem Revolver gemacht hatte.

      »Nein.«

      »Sind Sie ganz sicher, dass Sie keine Waffe haben?«

      »Ich gebe Ihnen mein Wort.«

      »In Ordnung. Bleiben Sie, wo Sie sind. Warum können Sie nicht mit Ihrem eigenen Wagen zu uns fahren?«

      »Mein Auto hat eine Panne.«

      »Ich rufe jetzt Orléans an und lasse mir weitere Instruktionen geben. Bleiben Sie, wo Sie sind. Warten Sie mal! Ist der alte Durieu gerade in Ihrer Nähe?«

      »Wenn Sie den Wirt meinen, ja.«

      »Geben Sie ihn mir.«

      Er wandte sich nur halb zu den anderen um, aber das genügte, um zu sehen, dass der Jagdaufseher auf der Tischkante saß, sein Gewehr auf den Knien, dessen Lauf auf ihn gerichtet war.

      »Die Gendarmerie möchte Sie sprechen, Monsieur Durieu.«

      In diesem Moment geschah etwas, worauf er nicht gefasst war und das ihn zutiefst traf. Als er dem Mann mit der Schürze den Ebonit-Hörer hinhielt, brachte dieser es nicht über sich, zu ihm zu treten und ihn entgegenzunehmen. Anfangs missverstand Bauche das Zögern und meinte, der Mann habe Angst. Er setzte also wieder sein klägliches Lächeln auf, das eigentlich ganz untypisch für ihn war, und versuchte ihn zu beruhigen.

      »Sie haben doch gehört, was ich gesagt habe. Ich bin nicht bewaffnet. Ich will mich der Polizei stellen.«

      Doch Angst war es nicht gewesen, und als er sich darüber klar wurde, überraschte es ihn zuerst. Was er in den Augen des Bauern las, war ein ihm noch unbekanntes Gefühl, von dessen Existenz er bislang nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte.

      Entsetzen war es nicht. Auch nicht Abscheu.

      Es war schlimmer.

      Den Hörer in der Hand, aus dem die Stimme des Gendarmen ins Leere tönte, wandte er sich den anderen zu, suchte in ihren Augen zu lesen.

      Er begriff, nein, er spürte körperlich, dass zwischen ihm und den anderen unversehens eine unsichtbare Schranke runtergegangen, eine Kluft entstanden war, die weder er noch sie je würden überbrücken können.

      Die Frau blickte unverwandt auf die Scheite im Kamin.

      »Möchten Sie nicht mit ihm sprechen?«

      Beinahe so, als wäre er ein Pestkranker, legte er den Hörer auf das Brett unter dem Apparat und trat zwei Schritte zur Seite, wobei er peinlich genau darauf achtete, nicht zu nahe an die Tür zu gehen und keine verdächtige Bewegung zu machen, denn die Männer wären durchaus imstande gewesen, auf ihn zu schießen.

      Nach kurzem Zögern ergriff der Wirt mit spitzen Fingern den Hörer.

      »Louis am Apparat.«

      Es war nicht zu verstehen, was der Wachtmeister am anderen Ende der Leitung sagte, aber die Hörmuschel vibrierte.

      »Ja … Ja … Fernand ist gerade hier … Und zwei andere … Ja … Was sollen wir? … Ich weiß nicht. So um die dreißig herum … Ja … Vier Gläser Schnaps … Ich weiß nicht … Ich glaube nicht …«

      Bauche, der kein Auge von dem Wirt gelassen hatte, bemerkte, dass der Mann kreidebleich war, als sei ihm übel geworden.

      »Geh mal lieber nach oben, und leg dich schlafen«, sagte er liebevoll zu seiner Frau, nachdem er eingehängt hatte.

      Sie bedeutete ihm, sich zu ihr herunterzubeugen, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er antwortete mit gedämpfter Stimme, redete ihr zu, und sie erhob sich mit der Katze im Arm, wandte sich zu einer Tür, hinter der sich die Treppe befand. Ihr Mann folgte ihr, und als er wieder in den Raum trat, war er immer noch fahl im Gesicht. Er wollte zur Flasche greifen, aus der er Bauche eben eingeschenkt hatte, besann sich jedoch anders und goss sich ein Glas Wein ein.

      Ihm war sichtlich nicht nach Alkohol zumute, etwas bedrückte ihn. Er stand eine Weile hinter der Theke herum, aber dort schien er sich unbehaglich zu fühlen, und er begab sich zu seinen Gefährten im hinteren Raumteil.

      Bauche

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