Die Zeit mit Anaïs. Georges Simenon
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Читать онлайн книгу Die Zeit mit Anaïs - Georges Simenon страница 4
»Was hat François gesagt?«
Dann tuschelten sie miteinander. Als einer der Hunde zu dem Fremden ging, rief ihn sein Herr zurück und befahl ihm, sich zu seinen Füßen niederzulegen.
Er hätte sich gerne hingesetzt, doch in seiner Nähe stand kein Stuhl, und er fürchtete, ihnen einen Schrecken einzujagen, wenn er sich bewegte. Er hätte auch gerne noch etwas getrunken oder vielleicht etwas gegessen. Er bildete sich plötzlich ein, Hunger zu haben, und der Anblick der Sardinenbüchsen verursachte ihm einen stechenden Schmerz in den Eingeweiden.
Er war sich bewusst, dass er sie um nichts bitten durfte, auf keinen Fall! Sie würden es ihm sehr verübeln, wenn er auch nur einen Bissen zum Munde führte, denn es war ja, als hätte er unvermittelt aufgehört, ein Mensch zu sein. Ein anderes, überaus natürliches Bedürfnis, dem er aber noch weniger nachkommen durfte, quälte ihn während der vierzig Minuten, die er noch zu warten hatte, den Blick unverwandt auf den Stuhl gerichtet, der zwei Meter von ihm entfernt stand und auf dem er sich so gerne ausgeruht hätte.
Zuerst hatten die Hunde etwas gehört und spitzten die Ohren. Dann war das Brummen eines Motors zu vernehmen, es wurde lauter, Bremsen quietschten, eine Wagentür wurde zugeschlagen. Zwei uniformierte Gendarmen stießen die Tür auf. Das Ladenglöckchen bimmelte. Mit ihnen drang nächtliche Kälte und Feuchtigkeit in den warmen Raum.
»Sind Sie der Mann, der vorhin angerufen hat?«
Das Folgende spielte sich ab wie ein Taschenspielertrick, so als wäre die Szene in allen Einzelheiten geprobt worden. Bauche spürte die Hände eines der beiden Gendarmen an seinem Körper entlanggleiten, man wollte wohl sichergehen, dass er keine Waffe trug. Der Zweite pflanzte sich vor ihm auf, deutete auf seine Handgelenke.
»Streck die Hände aus!«
Im Nu waren die Handschellen zugeschnappt.
Der Tonwechsel hatte sich völlig übergangslos vollzogen. Gerade noch hatte man ihn gesiezt.
›Sind Sie der Mann, der vorhin angerufen hat?‹
Und dann unvermittelt das brutale ›Du‹, das nichts von einer vertraulichen Anrede hatte.
›Streck die Hände aus!‹
Die drei Männer stellten ihre Gewehre in die Ecke, und man spürte, dass das Leben wieder in die altgewohnten Bahnen zurückkehrte.
»Deine Papiere.«
»In der Innentasche meines Jacketts.«
Er schien sich geradezu dafür zu entschuldigen, dass er sie wegen der Handschellen nicht selber hervorholen konnte.
Der Wachtmeister nahm auf einem Stuhl Platz, um die Brieftasche zu untersuchen, und setzte seine Brille auf. Als er den Ausweis gefunden und ihn hin- und hergewendet hatte, ging er zum Telefon und drehte die Kurbel.
»Verbinden Sie mich bitte mit Orléans. Vordringliches Gespräch. Wachtmeister Rochain am Apparat.«
Er gab eine Nummer durch. Hinter den Brillengläsern wirkten seine Augen groß und streng.
»Hallo! Ist da die Bereitschaftspolizei Orléans? Hier spricht Wachtmeister Rochain, Vitry-aux-Loges. Wir haben ihn. Ich gebe Ihnen seinen Namen und seine Adresse durch … Ja … Ich habe seinen Ausweis vor mir, er scheint in Ordnung … Schreiben Sie mit? … Albert Bauche … B wie Bernard … A wie Antoine … U wie Ursule … C … Ja … H wie Henri … E wie Ernest … Nein … Verheiratet … Quai d’Auteuil siebenundsechzig, in Paris …«
Bauche, der sich gern eine Zigarette angezündet hätte, wagte nicht, darum zu bitten, dass man ihm dabei half, sein Päckchen aus der Tasche zu ziehen. Der zweite Gendarm unterhielt sich leise mit dem Wirt und seinen Kumpanen und ließ sich ein Glas Wein einschenken.
»Einen Moment. Ich werde ihn fragen.«
Der Wachtmeister wandte sich an Bauche.
»Wen hast du denn umgebracht? Wo? Wann?«
»Serge Nicolas … Vorhin … Gegen halb sieben … Nein, eher um sechs …«
»Und wo?«
»In seiner Wohnung, Rue Daru … Gleich hinter der Place de l’Étoile …«
»Hallo! Das habe ich eben von ihm erfahren …«
Er wiederholte Namen und Adresse, lauschte und fragte ihn dann:
»Womit?«
»Mit einem Revolver.«
Er gab es durch, horchte wieder.
»Zeugen?«
»Keine.«
In die Sprechmuschel sagte er:
»Es gibt keine Zeugen.«
Und so ging das Spiel weiter.
»Ist er tot?«
»Ich glaube schon … Ja … Er ist bestimmt tot …«
»Hallo. Er nimmt es an. Er sagt, dass er bestimmt tot ist. Wie, bitte? … Gut! Wir sollen uns erst den Wagen ansehen? Verstanden. Geht in Ordnung. Ich weiß nicht. Etwas über eine Stunde bestimmt, noch dazu, wenn der Wagen auf einem Waldweg steht.«
Zu Bauche:
»Steht der Wagen auf einem Waldweg?«
»Ja.«
Er gab seinem unsichtbaren Gesprächspartner die Information weiter, hängte ein, nahm mit einer langsamen, feierlichen Bewegung seine Brille ab. Sogleich verlor er sein Beamtengesicht und sah genauso aus wie die Bauern am Tisch.
»Weißt du genau, wo du dein Auto stehenlassen hast?«
»Ich glaub schon.«
»Kannst du uns hinführen?«
»Es ist der Weg, der von links kommt und an der Kirche endet. Ich hatte die Panne in der Nähe von einem Bauernhaus an einer abschüssigen Wiese.«
»Bei Charasseau«, sagte der Jagdaufseher.
Der Wirt reichte dem Wachtmeister ein Glas Wein, das dieser nicht ausschlug und in einem Zug leerte.
»Also, los!«
Bauche traute sich nicht zu sagen, dass er Hunger und Durst hatte. Man ließ ihn als Ersten hinausgehen, die beiden Uniformierten folgten ihm auf dem Fuß. Sobald die Tür ins Schloss fiel, begaben sich die anderen wieder auf ihre Plätze am Tisch. Vielleicht war die Alte gar nicht schlafen gegangen und würde jetzt, die Katze auf dem Arm, wieder herunterkommen und sich in ihren Korbstuhl setzen.
Auch von dem anderen Drang, der ihm zu schaffen machte, wagte er auf dem Weg zum Polizeiauto nichts zu sagen.
Man schob ihn auf den Rücksitz. Die beiden Gendarmen nahmen vorne Platz. Es regnete immer noch, aber nicht mehr so stark wie zuvor. Auch die Dunkelheit, ja sogar die Bäume, deren dicht