Die Zeit mit Anaïs. Georges Simenon

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Die Zeit mit Anaïs - Georges  Simenon Die großen Romane

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ging mit ihm ins Vorzimmer, wo kein Licht gebrannt hatte, und nach kurzem Zögern folgte der andere Gendarm den beiden. Anfangs ließen sie die Tür offen, sprachen mit gedämpfter Stimme. Einer von ihnen hielt wohl die Klinke in der Hand, denn die Tür bewegte sich, kam dem Rahmen immer näher und fiel schließlich ins Schloss.

      Die Frau saß mit übereinandergeschlagenen Beinen da, sah ihn halb belustigt, halb neugierig an und blies ihm weiterhin kräftig den Zigarettenrauch ins Gesicht.

      »Willst du auch eine?«

      Er war so verblüfft, so gerührt, dass er nicht imstande war, ›ja‹ zu sagen. Sie trug einen Mantel mit Pelzkragen, der den Blick auf ihre Seidenbluse freigab. Die saß so straff, dass man hätte meinen können, die Brustspitzen würden sie gleich durchbohren. Die Frau war mollig und vulgär und roch nach Reispuder, nach starkem Parfüm, aber gleichzeitig auch nach käuflicher Liebe, und ihre Stimme war rau.

      »Ich nehme an, das heißt ›ja‹. In solchen Momenten hat man doch immer Lust auf eine Zigarette. Ich wundere mich nur, dass sie dir keine gegeben haben. Das ist sonst üblich. Was will man machen, sie sind eben Gendarmen.«

      Sie nahm eine Zigarette aus ihrer Handtasche, zündete sie an der ihren an, erhob sich mit einem Seufzer, als würde ihr eine große Anstrengung abverlangt, und steckte sie Bauche zwischen die Lippen. Zwei purpurrote Halbkreise prangten auf dem Zigarettenpapier, das zuckrig schmeckte.

      »Was hast du ausgefressen? Ich wette, du hast einen kleinen Griff in die Kasse deiner Bank getan?«

      Er nahm es ihr nicht übel, dass sie ihn für einen Angestellten hielt. Er antwortete nur deshalb nicht sofort, weil er fürchtete, sie würde sich dann wie die anderen verhalten.

      »Oder hast du etwa ein Auto geklaut?«

      Sie stand jetzt an den Schreibtisch gelehnt und sah ihn mit herablassender Freundlichkeit an.

      Er folgte ihrem Blick, der auf seiner verschlammten Hose und den lehmigen Schuhen verweilte.

      »Vom Wald«, sagte er, als ob er auf eine Frage antwortete.

      »Du hast wohl versucht abzuhauen?«

      »Nein.«

      Er wurde sich bewusst, dass er andauernd auf ihren Busen starrte. Er konnte einfach nicht davon ablassen und errötete. Ihre Brüste waren schwer wie die von Anaïs und mochten sich ganz ähnlich anfühlen. Die Frau hatte sicher auch ebenso dicke, fleischige Schenkel, kannte dieselben obszönen Gebärden.

      Um diese Bilder zu vertreiben, sagte er:

      »Ich habe einen Mann getötet.«

      Die Frau rührte sich nicht von der Stelle, gab nur ein kurzes »Ah!« von sich.

      Dann wandte sie die Augen von ihm ab. Erst nach einer Weile veränderte sie ihre Haltung, drehte sich um, drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus, der auf dem Schreibtisch stand, begann dann auf und ab zu gehen, vermied es, sich ihm zuzuwenden. Zwei- oder dreimal kam sie an der Tür vorbei und war drauf und dran zu rufen, und vielleicht hätte sie irgendwann die Geduld verloren, wenn nicht jemand den Knauf gedreht hätte. Die Tür ging einen Spaltbreit auf, und man vernahm die Stimmen von Männern, die sich voneinander verabschiedeten, dann die Schritte der Gendarmen, die sich zur Treppe wandten.

      »Du bist ja noch da«, sagte der Inspektor, der eine besorgte Miene machte. »Ich gebe dir gleich deine Bescheinigung. Aber lass dich nicht noch mal erwischen, sonst weißt du, was dir blüht.«

      »Keine Angst!«

      Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schrieb ein paar Zeilen auf ein Blatt Papier mit Briefkopf, suchte nach dem richtigen Gummistempel, den er neben seiner Unterschrift aufdrückte. Wahrscheinlich hatten die beiden etwas miteinander. Man sah ihm an, dass er sie gern wieder mit ins Nebenzimmer genommen hätte, und man merkte ebenfalls, dass sie damit rechnete, denn sie verfolgte alle seine Bewegungen mit anzüglichem Lächeln.

      Er reichte ihr das Blatt, dann einen Ausweis, der auf dem Schreibtisch gelegen hatte.

      »Und jetzt?«

      »Du kannst gehen.«

      »Ist das alles?«

      »Das ist alles.«

      Auch für die beiden hatten die Wörter eine Nebenbedeutung, die nur sie verstanden.

      Sobald die Frau fort war, begann der Inspektor einen Bleistift zu spitzen, dann wandte er sich Bauche zu und blickte ihn lange an. In seinen Augen glühte etwas wie kalte Wut.

      Er war höchstens fünfzig, sah jedoch so verwahrlost und kränklich aus, dass er deutlich älter wirkte.

      »Du hast dich also zu guter Letzt dazu entschlossen, dich der Polizei zu stellen?«

      »Ich hatte nie die Absicht zu fliehen.«

      »Du hattest nicht die Absicht zu fliehen und bist auch nur zufällig mit einer Panne im Wald bei Orléans hängengeblieben!«

      Es lief alles ganz falsch, und Bauche fühlte sich so verunsichert wie ein Schauspieler, den man plötzlich im falschen Stück auftreten ließ. Seine Stirn fühlte sich glühend heiß an. Seine Ohren waren knallrot. Er riss sich zusammen, denn er hegte immer noch die Hoffnung, dass er den Sachverhalt so darlegen könnte, wie er es sich vorgenommen hatte.

      »Setz dich hin. Bist du betrunken?«

      Offenbar hatte der Inspektor bemerkt, dass er, wie auch schon im Wirtshaus von Ingrannes, nicht ganz fest auf den Beinen stand.

      »Nein.«

      »Verstehst du, was ich sage?«

      »Ja. Ich glaube schon.«

      »Du wirst also morgen nicht behaupten, man hätte dir das Geständnis unter der Folter entrissen?«

      »Nein. Das verspreche ich.«

      Auch der Inspektor schien sich unbehaglich zu fühlen, als liefen die Dinge nicht so, wie sie sollten.

      »Wie oft hast du zugeschlagen?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Ich meine, mit dem Schürhaken.«

      »Ich hab nicht gezählt. Er hat sich immer noch bewegt.«

      »Du gibst also zu, dass sich seine Augen noch regten, als du mit dem Schürhaken auf ihn einschlugst?«

      »Ja. Er hat mich angesehen.«

      »Hat er etwas gesagt?«

      »Er hätte es nicht gekonnt.«

      »Warum nicht?«

      »Die Kugel hatte ihm einen Teil des Kiefers herausgerissen, und die untere Gesichtshälfte war nur noch ein Loch. Deswegen …«

      »Deswegen hast du ihm mit dem Schürhaken zweiundzwanzig Hiebe versetzt?«

      »Der Anblick war schlimm. Ich wollte nicht, dass er litt.«

      »Und

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