"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber

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und dieses ist der Grund des Bewusstseins, so dass, Hegel zufolge, jegliches Bewusstsein eines anderen Gegenstandes Selbstbewusstsein ist; das Ich weiß von dem Gegenstand, dass er der seinige, und zwar seine Vorstellung ist, so dass das Ich deshalb von sich etwas weiß. Der Ausdruck vom Selbstbewusstsein lautet: Ich=Ich; es handelt sich nach Hegel nur um eine „abstrakte Freiheit, reine Idealität“ (ders.), und, anders als das Ich des Bewusstseins, das einen Gegenstand hat, ist dieses Ich ohne Realität; hat doch das Ich, das Gegenstand seiner selbst ist, Hegel zufolge, eben keinen realen Gegenstand, weil kein Unterschied zwischen dem Gegenstand und dem Ich vorhanden ist.

      Hegels Ausführungen zum Selbstbewusstsein des Einzelnen beginnt mit dem „unmittelbaren, dem abstrakten Selbstbewusstsein“, das für ihn die erste Negation des Bewusstseins ist und das folglich noch mit einem äußerlichen Objekt, das formal das Selbstbewusstsein negiert, behaftet ist. Es ist also zugleich Bewusstsein, damit noch die vorangehende Stufe und enthält so einen Widerspruch. Indem das Bewusstsein im Selbstbewusstsein an sich schon aufgehoben ist, so ist dieses, als Gewissheit seiner selbst gegenüber dem (ihm äußeren und fremden) Objekt, der Trieb (der Drang), das zu setzen, was es an sich ist, nämlich dem zunächst noch abstrakten Wissen (des Ichs) von sich selbst Inhalt und Objektivität zu geben und umgekehrt, sich von seiner Sinnlichkeit (der bloßen Begierde) zu befreien, die gegebene Objektivität aufzuheben und mit sich identisch zu setzen. In diesem Prozess sieht Hegel drei Entwicklungsstufen, nämlich das begehrende, das anerkennende und das allgemeine Selbstbewusstsein. Die erste Entwicklungsstufe ist von der Begierde, ihrer Befriedigung und der damit einhergehenden Negation des Objekts, die zweite ist vom Kampf um Anerkennung, Unterwerfung, Herrschaft und Knechtschaft und deren Überwindung durch den arbeitenden Knecht und die dritte von dem allgemeinen sittlichen Grundgebot bestimmt, wonach ein Ich als Selbstbewusstsein jeden Mitmenschen gleichermaßen als ein Selbstbewusstsein, als ein freies und selbständiges Ich, anerkennen soll und damit seinerseits zu Recht beanspruchen kann, ebenfalls als ein solches anerkannt zu werden.

       3. Vernunft und Geist

      Vernunft ist die dritte Stufe nach dem Bewusstsein und dem Selbstbewusstsein. Als „an und für sich seiende Wahrheit“ (Hegel) ist sie, ihm zufolge, die „einfache Identität der Subjektivität des (durch Wissenschaft enthüllten, d. Verf.) Begriffs und der Objektivität und Allgemeinheit“. Als eine „Allgemeinheit“ ist die Vernunft bereits im Objekt, aber auch im Subjekt des Bewusstseins (z. B. in der Wahrnehmung) gegenwärtig. Aber an dieser Stelle, also auf der dritten Stufe, ist sowohl das Objekt, das allgemein ist, das Ich durchdringt und befasst, als auch das reine Ich, der reinen Form, gemeint, die über das Objekt hinausgreift und es in sich befasst. Zum Beispiel befassen den Physiker Atome und Moleküle, den Sozialwissenschaftler Handlungen und soziale Systeme als durch rein wissenschaftliches Denken konstituierte Objekte. Demgegenüber steht die „Wissenschaft der Logik“, das vom konkreten Inhalt absehende, reine Erkennen, das also nicht mehr auf ein besonderes Objekt, wie es jeweils in den einzelnen theoretischen Disziplinen hervorgebracht wird, abzielt, sondern die reine, allgemeine Form aller besonderen Wissenschaften, auch der Philosophie ausmacht.

      Das Selbstbewusstsein des Einzelnen besteht in der Gewissheit, zu der er nach seinem Erfahrungsweg, wie ihn die „Phänomenologie des Geistes“ beschreibt, gelangt ist, dass die Bestimmungen seines Denkens sich sowohl auf den Gegenstand beziehen, also gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als auch seine Gedanken sind, womit sich der Einzelne nach Hegel auf die Stufe der Vernunft stellt. Die Vernunft ist nicht nur die „absolute Substanz“ (ders.), sondern die „Wahrheit des Wissens“ (ders.). Denn sie hat, ihm zufolge, zu ihrer Bestimmung, ihrer innewohnenden Form, den für sich selber existierenden reinen Begriff, nämlich das Ich, die Gewissheit seiner selbst als unendliche Allgemeinheit. Und diese „wissende Wahrheit sei der Geist. Anders ausgedrückt, gewinnt der Einzelne die Gewissheit, dass die Vernunft, die er in den Gegenständen sucht und auch dort findet, in ihm selbst, in seinem reinen logischen, bloß formalen Denken für sich ist, dann wird die Vernunft zur „wissenden Wahrheit“ und damit zum Geist. Ahnt z. B. ein Wirtschaftswissenschaftler, dass die Logik seiner Theorie mit der „Logik“ des wirklichen Wirtschaftslebens übereinstimmt, so ist er der Vernunft auf der Spur, aber sie ist noch nicht in ihm als eine Gewissheit anwesend. Erst wenn er zur (philosophischen) Gewissheit kommt, dass seine Theorie ein vernünftiges Gedankengebilde und als ein solches mit der wirtschaftlichen Wirklichkeit (als eine vernünftige und in sich notwendige) identisch ist, ist er bei der Vernunft als „wissende Wahrheit“ und damit beim Geist angekommen.

       C. Die Psychologie - der Geist

      Ist der Einzelne zum Geist aufgestiegen, dann weiß er damit, dass das Denken und die Welt gleichermaßen logisch gefügt, aufeinander bezogen und eine Einheit bilden. Der Geist hat sich, so Hegel, zur Wahrheit der Seele und des Bewusstseins bestimmt, nämlich zur Wahrheit jener unmittelbaren Totalität (der Seele) und des Wissens (des Bewusstseins). Das Wissen wird (im Geist) als eine unendliche Form von jenem Inhalt (der Gefühle, Ahnungen und Empfindungen) nicht beschränkt und steht auch nicht im Verhältnis zum Inhalt als Gegenstand (des Bewusstseins), sondern es ist ein Wissen der substanziellen Totalität (der Logik des Denkens, die zugleich die Logik des Seins ist) und damit weder ein Wissen von der Subjektivität des Einzelnen noch von der objektiven Welt. Mit anderen Worten, das Wissen, das für den Geist konstitutiv ist, ihn erfüllt, nämlich das logische, bloß formale Wissen, wird weder durch Gefühle, Ahnungen und Empfindungen noch durch die Gegenstände, wie sie im sinnlichen, wahrnehmenden und verständigen Bewusstsein gegeben sind, beschränkt. Der Geist fange daher, so Hegel, nur von seinem eigenen Sein an und verhalte sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen. Die Psychologie betrachtet, Hegel zufolge, denn auch nur die Vermögen oder allgemeinen Tätigkeitsweisen des Geistes als solchen, wie Anschauen, Vorstellen, Erinnern usw. und Begierden usw., und zwar teils ohne den Inhalt, der, so wie er erscheint, sich im empirischen Vorstellen, im Denken, wie auch in der Begierde und im Willen findet. Dies ist jedoch nach Hegel keine willkürliche Abstraktion; ist doch der Geist, wie es seinem Begriff entspricht, über die Natur und die natürliche Bestimmtheit, die Verwicklung mit einem äußerlichen Gegenstand und dem Materiellen überhaupt erhaben. Er müsste jetzt, so Hegel, nur dies tun, diesen Begriff seiner Freiheit zu realisieren, nämlich die Form der Unmittelbarkeit, mit der er erneut beginnt, aufzuheben. Der Inhalt, den er zu Anschauungen erhebt, sind seine Empfindungen, die Anschauungen erhebt er sodann zu Vorstellungen und diese zu Gedanken.

       1. Der theoretische Geist

      Könne man vom Bewusstsein, weil es das Objekt unmittelbar hat, nicht sagen, es habe Trieb, so müsse dagegen, so Hegel, der Geist als Trieb gefasst werden. Er ist nämlich, ihm zufolge, eine Tätigkeit, durch die das scheinbar fremde Objekt, statt der Form eines bloß Gegebenen, Vereinzelten und Zufälligen, die Form eines Erinnerten, Subjektiven, Allgemeinen, Notwendigen und Vernünftigen erhält, und als diese, das Objekt verändernde Tätigkeit ist er nach Hegel theoretischer Geist. Vom Inhalt der Kenntnisse weiß der Einzelne, dass er ist, Objektivität hat, und zugleich weiß er, dass er in ihm ist, also subjektivist. Somit hat das Objekt hier nicht mehr, wie im Fall des Bewusstseins, die Bestimmung eines Negativen (eines Anderen) gegenüber dem Subjekt. Dagegen fängt der praktische Geist nicht, wie der theoretische, beim scheinbar selbständigen Objekt, sondern bei seinen Zwecken und Interessen, also bei subjektiven Bestimmungen, an und schreitet erst dazu fort, diese durch seine Tätigkeit zu einem Objektiven zu machen.

      Das Erkennen als Tätigkeit des theoretischen Geistes hat nach Hegel drei Hauptstufen. Die erste besteht in der Anschauung, in einem stoffartigen Wissen, das unmittelbar auf ein einzelnes Objekt

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