Die Angst reist mit. Eric Ambler

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Die Angst reist mit - Eric  Ambler

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Wenn ihre Darbietung künstlerisch nicht überzeugte, als Attraktion im Le Jockey Cabaret war sie ein enormer Erfolg, und das trotz ihres Partners.

      Der war ein dunkler, angestrengt wirkender Mann mit schmalen Lippen, einem blassen Gesicht und der irritierenden Angewohnheit, vor jeder größeren Kraftanstrengung die Zunge in die Backe zu klemmen. Er bewegte sich plump, und sooft er sich anschickte, seine Partnerin hochzuheben, wirkte der Griff seiner Hände unsicher, als wüsste er nicht genau, wo er anzusetzen hatte.

      Doch das Interesse des Publikums galt nicht ihm, und am Ende ihrer Darbietung wurde laut nach einer Zugabe gerufen. Der Wunsch wurde erfüllt, die Kapelle spielte wieder einen Tusch, Mademoiselle Josette verbeugte sich, und Serge überreichte ihr einen Blumenstrauß. Sie kam mehrmals heraus, verbeugte sich und warf Kusshände.

      »Sie ist wundervoll, nicht?«, sagte Kopejkin auf Englisch, als das Licht wieder anging. »Ich habe Ihnen ja versprochen, dass man hier prima unterhalten wird.«

      »Sie ist nicht schlecht. Aber dieser mottenzerfressene Valentino kann einem leidtun.«

      »José? Der kommt schon nicht zu kurz. Möchten Sie sie zu einem Drink einladen?«

      »Sehr gern. Aber wird das nicht ziemlich teuer?«

      »Um Himmels willen, nein. Sie kriegt keine Provision.«

      »Wird sie denn kommen?«

      »Natürlich. Serge hat mich ihr vorgestellt. Ich kenne sie gut. Sie könnte Ihnen gefallen. Diese Ägypterin ist ein bisschen dumm. Josette ist sicher auch dumm, aber auf ihre Weise sehr anziehend. Wenn ich als junger Mensch nicht so viel gelernt hätte, würde ich mich selber in sie vergucken.«

      Maria sah ihm hinterher, als er über die Tanzfläche ging, und schwieg einen Moment. Dann sagte sie: »Er ist in Ordnung, Ihr Freund.«

      Graham war nicht ganz sicher, ob es eine Feststellung, eine Frage oder ein kläglicher Versuch war, Konversation zu machen. Er nickte. »Ja.«

      Sie lächelte. »Er kennt den Besitzer. Wenn Sie wünschen, wird er Serge bitten, dass er mich gehen lässt, wenn Sie es wollen, und nicht erst, wenn hier geschlossen wird.«

      Er lächelte so bedauernd, wie er nur konnte: »Tut mir leid, Maria, ich muss noch packen. Mein Zug geht morgen früh.«

      Sie lächelte wieder. »Macht nichts. Schweden finde ich besonders nett. Kann ich noch etwas Cognac haben, Monsieur?«

      »Sicher.« Er füllte ihr Glas.

      Sie trank es halb leer. »Gefällt Ihnen Mademoiselle Josette?«

      »Sie tanzt sehr gut.«

      »Sie ist sehr sympathisch. Weil sie Erfolg hat. Erfolgreiche Menschen sind sympathisch. José findet niemand sympathisch. Er ist ein Spanier aus Marokko und furchtbar eifersüchtig. Sie sind alle gleich. Ich weiß nicht, wie sie zu ihm steht.«

      »Hast du nicht gesagt, sie sind aus Paris?«

      »Sie sind in Paris aufgetreten. Josette ist aus Ungarn. Sie spricht Deutsch, Spanisch, Englisch, aber ich glaube, kein Schwedisch. Sie hat viele reiche Liebhaber gehabt.« Sie machte eine Pause. »Sind Sie Geschäftsmann, Monsieur?«

      »Nein, Ingenieur.« Amüsiert stellte er fest, dass Maria nicht so dumm war, wie er zuerst dachte, und dass sie genau wusste, weshalb Kopejkin verschwunden war. Indirekt, aber unmissverständlich machte sie ihn darauf aufmerksam, dass Mademoiselle Josette sehr teuer sei, dass es schwierig sei, mit ihr zu kommunizieren, und dass er es mit einem eifersüchtigen Spanier zu tun haben werde.

      Sie leerte ihr Glas und starrte in Richtung Bar. »Meine Freundin sieht so einsam aus«, sagte sie. Sie schaute ihm direkt in die Augen. »Schenken Sie mir hundert Piaster, Monsieur?«

      »Wofür denn?«

      »Trinkgeld, Monsieur.« Sie lächelte, allerdings nicht mehr so freundlich wie bisher.

      Er gab ihr einen Hundertpiasterschein. Sie faltete ihn zusammen, steckte ihn in ihr Handtäschchen und stand auf. »Bitte entschuldigen Sie mich. Ich möchte mit meiner Freundin sprechen. Wenn Sie es wünschen, komme ich wieder.« Sie lächelte.

      Ihr rotes Satinkleid verschwand in der Menge. Fast im selben Moment kehrte Kopejkin zurück.

      »Wo ist die Ägypterin?«

      »Sie wollte mit ihrer Freundin sprechen. Ich habe ihr hundert Piaster gegeben.«

      »Hundert! Fünfzig hätten völlig gereicht. Aber was soll’s. Josette bittet uns zu einem Drink in ihre Garderobe. Sie reist morgen ab und möchte nicht herauskommen. Jeder würde sie ansprechen, und sie muss noch packen.«

      »Stören wir dann nicht?«

      »Mein Lieber, sie will Sie unbedingt kennenlernen. Sie hat Sie während ihres Auftritts gesehen. Sie war sehr erfreut, als ich ihr sagte, dass Sie Engländer sind. Den Cognac können wir hier stehen lassen.«

      Mademoiselle Josettes Garderobe maß etwa drei mal drei Meter und war durch einen braunen Vorhang von der anderen Hälfte abgetrennt, in der sich anscheinend das Büro des Besitzers befand. Eine ausgeblichene rosarote Tapete mit blauen Streifen bedeckte die drei Wände. Hier und da ein dunkler Fleck, wo sich die Leute angelehnt hatten. Zwei Bugholzstühle standen im Zimmer sowie zwei wacklige Schminktische voller Cremetiegel und benutzter Make-up-Tücher. Es roch nach einer Mischung aus kaltem Rauch, Puder und muffiger Polsterung.

      Auf ein brummiges »Entrez!« von José traten sie ein, woraufhin er sich von seinem Schminktisch erhob, sich noch einmal übers Gesicht wischte und das Zimmer verließ, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Kopejkin zwinkerte Graham aus einem unerfindlichen Grund zu. Josette tupfte sich, vorgebeugt auf ihrem Stuhl sitzend, mit einem feuchten Wattebausch eifrig eine Augenbraue. Sie hatte ihr Kostüm abgelegt und trug einen rosafarbenen Samtmorgenmantel. Das Haar hing locker herab, als hätte sie es ausgeschüttelt und gekämmt. Graham fand, dass sie wunderschönes Haar hatte. Sie begann jetzt auf Englisch zu sprechen, langsam und sorgfältig, und die Worte mit dem Wattebausch zu unterstreichen.

      »Bitte entschuldigen Sie. Es ist die grässliche Schminke. Es … Merde!«

      Sie warf den Wattebausch ungeduldig hin, erhob sich plötzlich und wandte ihnen das Gesicht zu.

      Im kalten Licht der nackten Glühbirne, die über ihr hing, sah sie kleiner aus als auf der Tanzfläche und auch etwas hagerer. Graham dachte an die blühende Schönheit seiner Stephanie und sagte sich, dass die Frau, die da vor ihm stand, in zehn Jahren wahrscheinlich reizlos sein würde. Andere Frauen pflegte er mit Stephanie zu vergleichen. Mit dieser meist recht erfolgreichen Methode brauchte er sich nicht einzugestehen, dass andere Frauen ihn nach wie vor interessierten. Josette war jedoch ungewöhnlich. Wie sie in zehn Jahren aussehen mochte, spielte keine Rolle. Im Moment war sie eine überaus attraktive, selbstbewusste Frau mit weichem, lächelndem Mund, leicht hervorstehenden blauen Augen und von elektrisierender Laszivität.

      »Das, meine liebe Josette«, sagte Kopejkin, »ist Mr. Graham.«

      »Ihr Auftritt hat mir sehr gefallen, Mademoiselle«, sagte Graham.

      »Das hat Kopejkin mir schon erzählt«, sagte sie achselzuckend. »Es hätte besser sein können, aber es ist sehr nett von Ihnen, mir dieses Kompliment zu machen. Zu behaupten, Engländer seien

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