Die Angst reist mit. Eric Ambler

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Die Angst reist mit - Eric  Ambler

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Kopejkin kann sich auf Josés Stuhl dort setzen, und wenn Sie Josés Sachen beiseiteräumen, können Sie die Ecke des Tisches nehmen. Zu schade, dass wir uns nicht draußen hinsetzen können, aber es gibt so viele Männer, die großes Getue machen, wenn man nicht stehen bleibt und sich zu einem Glas Champagner einladen lässt. Der Champagner hier ist grauenhaft. Ich möchte nicht mit Kopfschmerzen aus Istanbul abreisen. Wie lange bleiben Sie noch, Mr. Graham?«

      »Ich reise ebenfalls morgen ab.« Sie amüsierte ihn. Ihre Posen waren grotesk. Binnen einer Minute war sie eine große Schauspielerin, die wohlhabende Freunde empfing, eine sympathische Frau von Welt, und dann wieder die geniale, desillusionierte Tänzerin. Jede Bewegung, jede Geste war auf Wirkung bedacht. Sie schien immer noch zu tanzen.

      Und dann wurde sie ernst. »Es ist furchtbar, dieses Herumreisen. Und Sie kehren zurück in Ihren Krieg. Es ist schlimm. Diese Nazis. Was für ein Jammer, dass es immer Kriege geben muss. Wenn es keine Kriege sind, dann Erdbeben. Immer Tod. Es ist schlecht für das Geschäft. Der Tod interessiert mich nicht. Kopejkin vermutlich schon. Wahrscheinlich weil er Russe ist.«

      »Ich denke nicht an den Tod«, sagte Kopejkin. »Ich denke nur daran, ob der Kellner mir die bestellten Getränke bringt. Nehmen Sie eine Zigarette?«

      »Ja, gern. Die Kellner hier sind schrecklich. In London gibt es bestimmt viel bessere Nachtlokale als hier, Mr. Graham.«

      »Die Kellner sind auch dort ganz miserabel. Kellner sind vermutlich überall schlecht. Aber ich hätte angenommen, dass Sie schon mal in London waren. Ihr Englisch …«

      Nachsichtig lächelte sie über diese Indiskretion, deren Tragweite ihm nicht klar sein konnte. Ebenso gut hätte man Madame Pompadour fragen können, wer für ihre Rechnungen aufkam. »Ich habe es von einem Amerikaner in Italien gelernt. Ich finde die Amerikaner sehr sympathisch. Sie sind clevere Geschäftsleute und trotzdem so großzügig und offen. Es ist sehr wichtig, offen zu sein. Hat es Ihnen Spaß gemacht, mit der kleinen Maria zu tanzen, Mr. Graham?«

      »Sie tanzt ganz gut. Sie scheint Sie sehr zu bewundern. Sie sagt, dass Sie hier großen Erfolg hatten. Was natürlich stimmt.«

      »Großen Erfolg? Hier?« Das desillusionierte Genie hob die Augenbrauen. »Hoffentlich haben Sie ihr ein anständiges Trinkgeld gegeben, Mr. Graham.«

      »Er hat ihr doppelt so viel wie nötig gegeben«, sagte Kopejkin. »Ah, da sind die Drinks.«

      Sie sprachen eine Weile über Leute, die Graham nicht kannte, und über den Krieg. Er merkte, dass sie hinter ihrer Pose eine aufgeweckte und clevere Person war, und überlegte, ob der Amerikaner in Italien seine »Offenheit« vielleicht bedauert hatte. Nach einer Weile erhob Kopejkin das Glas.

      »Ich trinke«, sagte er pathetisch, »auf Ihre beiden Reisen.« Plötzlich stellte er das Glas ab, ohne daraus getrunken zu haben. »Nein, das ist absurd«, sagte er missmutig. »Mein Trinkspruch kommt nicht von Herzen. Ich finde es einfach schade, dass es zwei Reisen gibt. Sie fahren beide nach Paris. Sie sind beide Freunde von mir, und deswegen haben Sie« – er tätschelte sich den Bauch – »vieles gemeinsam.«

      Graham lächelte und bemühte sich, kein allzu verdutztes Gesicht zu machen. Sie war zweifellos sehr attraktiv, und es war angenehm, ihr gegenüberzusitzen, wie in diesem Moment. Dass aus der Bekanntschaft aber mehr werden könnte, auf diese Idee war er einfach nicht gekommen. Er war verwirrt. Er sah, dass sie ihn amüsiert beobachtete, und hatte das unangenehme Gefühl, dass sie genau wusste, was ihm durch den Kopf ging.

      Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Das wollte ich auch schon vorschlagen. Sie hätten es mir überlassen sollen, Kopejkin. Mademoiselle wird sich fragen, ob ich so ehrlich bin wie ein Amerikaner.« Er lächelte sie an. »Ich fahre morgen Vormittag um elf.«

      »Erster Klasse, Mr. Graham?«

      »Ja.«

      Sie machte ihre Zigarette aus. »Dann können wir aus zwei simplen Gründen nicht zusammen reisen. Ich nehme einen anderen Zug und reise ohnehin zweiter Klasse. Ist vielleicht ganz gut so. José würde die ganze Zeit mit Ihnen Karten spielen wollen, und Sie würden Ihr Geld verlieren.«

      Offensichtlich wollte sie, dass ihre Gäste austranken und gingen. Graham war eigentümlich enttäuscht. Er wäre gern noch geblieben. Außerdem wusste er, dass er sich ungeschickt benommen hatte.

      »Vielleicht können wir uns ja in Paris treffen«, sagte er.

      »Vielleicht.« Sie erhob sich und lächelte ihn an. »Ich werde im Hôtel des Belges in der Nähe der Trinité wohnen, wenn es noch existiert. Ich würde mich freuen, Sie wiederzusehen. Kopejkin sagt, Sie sind ein bekannter Ingenieur.«

      »Kopejkin übertreibt immer – so wie er übertrieben hat, als er sagte, dass wir Sie nicht stören. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise.«

      »Es war sehr schön, Sie kennenzulernen. Es war nett von Ihnen, Kopejkin, mir Graham vorzustellen.«

      »Es war seine Idee«, sagte Kopejkin. »Adieu, meine liebe Josette, und bon voyage. Wir würden gern noch bleiben, aber es ist schon spät, und ich bestehe darauf, dass Mr. Graham etwas Schlaf bekommt. Wenn ich es nicht verhindere, würde er so lange mit Ihnen plaudern, dass er seinen Zug verpasst.«

      Sie lachte. »Sie sind nett, Kopejkin. Wenn ich das nächste Mal nach Istanbul komme, werden Sie es als Erster erfahren. Auf Wiedersehen, Mr. Graham, und gute Reise!« Sie reichte ihm die Hand.

      »Das Hôtel des Belges bei der Trinité«, sagte er, »ich werde daran denken.« Es war etwas weniger als die Wahrheit. In den zehn Minuten, die sein Taxi von der Gare de L’Est bis zur Gare St.-Lazare unterwegs war, würde er vermutlich daran denken.

      Sanft drückte sie seine Hand. »Bestimmt«, sagte sie. »Adieu, Kopejkin. Sie finden hinaus?«

      »Ich glaube«, sagte Kopejkin, während sie auf die Rechnung warteten, »ich glaube, ich bin ein bisschen enttäuscht von Ihnen, mein Freund. Sie haben einen ausgezeichneten Eindruck auf sie gemacht. Sie hätten sie mühelos haben können. Sie hätten sie nach der Abfahrtszeit ihres Zuges fragen müssen.«

      »Ich bin ganz sicher, dass ich keinen Eindruck auf sie gemacht habe. Offen gestanden, ich war verlegen. Mit dieser Sorte Frau kann ich nicht umgehen.«

      »Diese Sorte Frau, wie Sie es nennen, liebt Männer, die ein bisschen schüchtern sind. Ihre Unsicherheit war anziehend.«

      »Du lieber Himmel! Na, immerhin habe ich gesagt, dass ich mich in Paris mit ihr treffen werde.«

      »Mein Freund, ihr ist völlig klar, dass Sie nicht die leiseste Absicht haben, sich in Paris mit ihr zu treffen. Schade. Sie ist wirklich etwas Besonderes. Ich weiß das. Sie hatten die besten Chancen, aber Sie wollten es nicht wahrhaben.«

      »Mein Gott, Sie scheinen zu vergessen, dass ich verheiratet bin.«

      Kopejkin warf die Hände in die Luft. »Typisch englisch! Was soll man dazu sagen. Man kann nur dastehen und sich wundern.« Er seufzte tief. »Da kommt die Rechnung.«

      Beim Hinausgehen kamen sie an Maria vorbei, die mit ihrer besten Freundin, einer melancholisch dreinblickenden Türkin, an der Bar saß. Sie schenkte ihnen ein Lächeln. Graham fiel auf, dass der Mann im zerknitterten braunen Anzug verschwunden war.

      Draußen auf der Straße war es kalt. Der Wind pfiff durch die Telefonleitungen, die an den Häuserwänden befestigt waren. Um drei Uhr früh wirkte die Stadt

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