Ein Tropfen vom Glück. Antoine Laurain

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Ein Tropfen vom Glück - Antoine Laurain

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den Bildern und den Nippsachen auf der Kommode. Von dem traditionellen Kamin der Haussmann’schen Häuser, aus weißem Marmor, und der Bronze-Uhr, deren Bild von dem großen goldgerahmten Spiegel zurückgeworfen wurde. Magalie war überzeugt, wenn Hubert aus einem alten Familienalbum ein Foto seines Wohnzimmers herausnähme, das fünfzig oder hundert Jahre früher aufgenommen worden war, könnte man sich damit vergnügen, wie auf einem Fehlersuchbild die sieben Unterschiede zu suchen, die niemand auf den ersten Blick sieht, weil sich die beiden Bilder so sehr ähneln.

      Für Hubert war es alles andere als normal, unvorbereitet ein paar Unbekannte – mit Ausnahme von Abby – zu sich nach Hause einzuladen, und er konnte nicht umhin, sich das Gesicht von Charlotte vorzustellen, wenn sie da gewesen wäre. Seine Frau, die sich um nichts anderes sorgte als darum, ob er »gegessen« habe. Er würde etwas viel Besseres tun: Er würde trinken. Mit netten Menschen einen guten Tropfen teilen. Endlich brach etwas Zufälliges und Unvorhergesehenes in diese trüben Herbsttage ein.

      »Bitte, setzen Sie sich doch«, sagte er und stellte den Wein auf den Sofatisch, »ich bin gleich wieder da.«

      »Kann ich Ihnen helfen?«, bot Magalie an.

      »Nicht doch. Abby und Julien, Sie setzen sich aufs Sofa, und Sie, Bob, nehmen den Ohrensessel.«

      Der »Ohrensessel« stimmte Bob, der mitten im Raum stand, nachdenklich. Im Institut Français von Milwaukee hatte er etwas Französisch gelernt, aber Sessel und Ohren brachte er nicht zusammen.

      »Ohrensessel«, sagte Magalie und klopfte auf die Armlehne des Möbelstücks.

      Bob breitete die Arme aus – er gab es auf, verstehen zu wollen. Er setzte sich und ließ den Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Der Raum erinnerte ihn an die alten französischen Filme, die er gesehen hatte. Diesmal war das Bild in Farbe, und das, was er sah, war vollkommen anders als die Einrichtung seines Hauses in Milwaukee. Die Worte »Typically French« kamen ihm in den Sinn. »Alles ist sehr alt hier«, flüsterte Bob Magalie zu, die zustimmend nickte.

      »Voilà!«, rief Hubert aus, als er ins Wohnzimmer zurückkam.

      Er stellte vier Weingläser auf den Tisch, einen Teller mit Salzgebäck, und nahm den Korkenzieher zur Hand.

      »Ich sagen, alles ist sehr alt hier, sehr typisch Französisch«, sagte Bob.

      Und Magalie beugte sich zu Julien hinüber, um ihm augenzwinkernd zuzuflüstern: »Ich bin seit 1868 hier …«

      Hubert, der dabei war, die Zinnkapsel aufzuschneiden, die den Korken schützte, hielt inne und schaute zu Bob: »Ich bin seit 1868 hier«, sagte er und sah dem Amerikaner direkt in die Augen.

      Dieser murmelte die Jahreszahl vor sich hin und runzelte die Stirn. Hubert setzte sein gewohntes Lächeln auf. Magalie wechselte einen verständnisinnigen Blick mit Julien, der sofort wieder auf die Flasche schaute.

      »Meine Familie hat dieses Haus bauen lassen. Ich habe immer hier gewohnt, und vor mir mein Vater und mein Großvater und der Vater meines Großvaters. Und so weiter bis unter Napoléon III. Ich bin ein echter Pariser, das ist heutzutage sehr selten.«

      Bob nickte bewundernd. »Der Name im elevator, das ist Ihrer?«

      »Ja«, bestätigte Hubert, »Anatole, mein Ururgroßvater, hier ist er«, fügte er hinzu und deutete auf ein Gemälde an der Wand, ein Porträt eines strengen alten Mannes mit Spitzbart und Uhrenkette, der sie mit dem Blick einer zornigen Möwe anstarrte.

      »Sie müssen die Geschichte des ganzen Viertels kennen«, meinte Bob.

      »O ja! Abbys Werkstatt zum Beispiel war vorher ein Teppichladen und noch davor eine Drogerie, die Drogerie Ménard & Filles, ich habe sie als Kind schließen sehen, sie wurde von Louise Ménard geführt, die nicht sonderlich freundlich war. Davor war es ein Geschäft für Lyoner Seidenstoffe, und als das Gebäude eingeweiht wurde, eine Antiquitätenhandlung namens Zum Goldenen Helm. Das Gebäude steht an der Stelle der Abtei Saint-Martin, die während der Revolution in Brand gesetzt und zerstört wurde. Es ist genau über der früheren Abteikirche erbaut worden.«

      »Diese Flasche hat auch eine Geschichte, Monsieur Larnaudie.« Damit platzte Julien plötzlich heraus, der bisher geschwiegen hatte.

      »Eine Geschichte? Ja, Julien«, antwortete Hubert, während er den Wendel in den Korken drehte, »sie ist sicher von meinem Großvater gekauft worden, er wird keine Zeit gehabt haben, sie zu trinken, und dann hat man sie dreiundsechzig Jahre lang unter dem Plunder des Kellers vergessen.«

      »Nein, ich meinte etwas anderes, Monsieur Larnaudie«, sagte Julien, »1954 hat sich über dem Weinberg Saint-Antoine etwas ereignet.«

      Hubert hörte auf, den Korkenzieher in die Flasche zu drehen, und alle sahen Julien an. Er begann zu erzählen. Auch wenn er sich geschworen hatte, nie wieder in Gegenwart einer Frau, die ihm gefiel, von fliegenden Untertassen zu reden, konnte er doch unmöglich von diesem Wein trinken, ohne die Geschichte und das Schicksal von Pierre Chauveau zu erwähnen. Vielleicht würde er in den Augen Magalies jede Glaubwürdigkeit verlieren. Nach der Eigentümerversammlung hatte sie ihn in ihre Werkstatt eingeladen und zeigte ihm gerade die zerbrochene Bacchantinnenstatue, als Bob an die Scheibe geklopft hatte. Julien spürte, dass zwischen ihnen eine Nähe im Entstehen war. Dass sie eine Schwelle überschritten hatten, und dass diese Nähe durch die Episode des Kellereinbruchs noch verstärkt worden war. Das stand auf dem Spiel, und er hatte das Gefühl, sich ohne Fallschirm ins Leere zu stürzen, als er mit seinem Bericht über die Nacht des 16. Septembers 1954 begann. Das Erscheinen des Raumschiffs über dem Weinberg von Jules Beauchamps, die Aussage bei der Gendarmerie, der Spitzname, mit dem sein Urgroßvater bedacht worden war, der herausragende Weinjahrgang, Spielbergs Film im Kino – Julien erzählte alles.

      »Und er ist mit seiner Hündin verschwunden?« fragte Hubert.

      »Ja, er wurde nie wieder gesehen. Meine Familie denkt immer noch, er sei in einem Teich ertrunken, aber er hat nie gesagt, dass er an diesem Tag Boot fahren wollte, und Ausweis konnte schwimmen. Sie hätte wiederkommen müssen.« Es entstand eine Pause.

      »Was für eine Geschichte!«, rief Bob schließlich aus. »In Milwaukee gibt es einen Mann, der sagen, er hat eine fliegende Ding gesehen … aber er sehr speziell. Man nennt ihn Jimmy der Irre, also zählt es nicht wirklich.«

      »Also ich glaube an fliegende Untertassen. Warum nicht? Es gibt ja auch Meteoriten«, meinte Magalie.

      Julien drehte sich langsam zu ihr um. Hätte er sich nicht zurückgehalten, hätte er sofort ein Knie auf den Boden gesetzt und um ihre Hand angehalten.

      »In meiner Familie gibt es auch einen Verschollenen«, knüpfte Hubert an, »auch wenn die Geschichte weniger originell ist als Ihre. Es handelt sich um Cousin Léonard, Léonard Larnaudie. Er wohnte im dritten Stock auf der Hofseite, meiner Wohnung gegenüber. Er hat in den dreißiger Jahren beschlossen, in Chile sein Glück zu machen, er hatte nie geheiratet, keine Kinder und nichts zu verlieren. Er war auch ein bisschen verrückt, glaube ich. Kurz und gut, fünf Jahre später hat er eine schlichte Postkarte aus Santiago geschickt, darauf nur ein Satz: Es ist vollbracht!, gezeichnet Léonard Larnaudie, dann haben wir nie wieder von ihm gehört. Ob er wirklich reich geworden ist? Niemand hat es je erfahren. Cousin Léonard ist in der Familie zu einer regelrechten Legende geworden. Seine Wohnung stand über fünfundzwanzig Jahre leer. Dann hat die Familie sie Ende der fünfziger Jahre für einen Apfel und ein Ei verkauft, um ihre Verluste durch die Suez-Kanal-Aktien auszugleichen.«

      »Öffnen wir sie?«, fragte Magalie und zeigte auf

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