Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens
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Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug herum, Niemand sah nach dem Baume, ausgenommen das alte Kindermädchen, welches kam und zwischen die Zweige blickte; aber es geschah nur, um zu sehen, ob nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen sei. „Eine Geschichte, eine Geschichte!“ riefen die Kinder und zogen einen kleinen dicken Mann gegen den Baum hin, und er setzte sich gerade unter denselben, „denn so sind wir im Grünen“, sagte er, „und der Baum kann besonders Nutzen davon haben, zuzuhören! Aber ich erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede – Avede oder die von Klumpe – Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin erhielt?“
„Ivede – Avede!“ schrieen Einige, „Klumpe – Dumpe!“ schrieen Andere. Das war ein Rufen und Schreien! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und dachte: „Komme ich gar nicht mit, werde ich nichts dabei zu tun haben?“ Er war ja mit gewesen, hatte ja geleistet, was er sollte.
Der Mann erzählte von Klumpe – Dumpe, welcher die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin erhielt. Und die Kinder klatschten in die Hände und riefen: „Erzähle, erzähle!“ Sie wollten auch die Geschichte von Ivede – Avede hören, aber sie bekamen nur die von Klumpe – Dumpe. Der Tannenbaum stand ganz stumm und gedankenvoll, nie hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt. „Klumpe – Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch die Prinzessin! Ja, ja, so geht es in der Welt zu!“ dachte der Tannenbaum und glaubte, dass es wahr sei, weil es ein so netter Mann war, der es erzählte. „Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die Treppe hinunter und bekomme eine Prinzessin!“ Und er freute sich, den nächsten Tag wieder mit Lichtern und Spielzeug, Gold und Früchten aufgeputzt zu werden.
„Morgen werde ich nicht zittern!“ dachte er. „Ich will mich recht aller meiner Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte von Klumpe – Dumpe und vielleicht auch die von Ivede – Avede hören.“ Und der Baum stand die ganze Nacht still und gedankenvoll.
Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein. „Nun beginnt der Staat aufs neue!“ dachte der Baum; aber sie schleppten ihn zum Zimmer hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden, und stellten ihn in einen dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht schien. „Was soll das bedeuten?“ dachte der Baum. „Was soll ich hier wohl machen? Was mag ich hier wohl hören sollen?“ Er lehnte sich gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte Zeit genug, denn es vergingen Tage und Nächte; Niemand kam herauf, und als endlich Jemand kam, so geschah es, um einige große Kästen in den Winkel zu stellen; der Baum stand ganz versteckt, man musste glauben, dass er ganz vergessen war.
„Nun ist es Winter draußen!“ dachte der Baum. „Die Erde ist hart und mit Schnee bedeckt, die Menschen können mich nicht pflanzen; deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutz stehen! Wie wohl bedacht ist das! Wie die Menschen doch so gut sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel und schrecklich einsam! Nicht einmal ein kleiner Hase! Das war doch niedlich da draußen im Wald, wenn der Schnee lag und der Hase vorbei sprang, ja selbst als er über mich hinwegsprang; aber damals mochte ich es nicht leiden. Hier oben ist es doch schrecklich einsam!“
„Pip, pip!“ sagte da eine kleine Maus und huschte vorbei; und dann kam noch eine kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum und dann schlüpften sie zwischen dessen Zweige.
„Es ist eine gräuliche Kälte!“ sagten die kleinen Mäuse. „Sonst ist hier gut sein; nicht wahr, du alter Tannenbaum?“
„Ich bin gar nicht alt!“ sagte der Tannenbaum; „es gibt viele, die weit älter sind als ich!“
„Woher kommst du“, fragten die Mäuse, „und was weißt du?“ Sie waren gewaltig neugierig. „ Erzähle uns doch von den schönsten Orten auf Erden! Bist du dort gewesen? Bist du in der Speisekammer gewesen, wo man auf Talglicht tanzt, mager hineingeht und fett herauskommt?“
„Das kenne ich nicht“, sagte der Baum; „aber den Wald kenne ich, wo die Sonne scheint und die Vögel singen!“ Und dann erzählte er alles aus seiner Jugend, die kleinen Mäuse hatten früher nie dergleichen gehört, und sie horchten auf und sagten: „Wie viel du gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!“
„Ich?“ sagte der Tannenbaum und dachte über das, was er selbst erzählte, nach. „Ja, es waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!“ Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit Kuchen und Lichtern geschmückt war.
„O, sagten die kleinen Mäuse, wie glücklich du gewesen bist, du alter Tannenbaum!“
„Ich bin gar nicht alt!“ sagte der Baum; „erst in diesem Winter bin ich vom Walde gekommen! Ich bin in meinem allerbesten Alter, ich bin nur so aufgeschossen.“
„Wie schön du erzählst!“ sagten die kleinen Mäuse, und in der nächsten Nacht kamen sie mit vier anderen kleinen Mäusen, die den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte, desto deutlicher erinnerte er sich selbst an Alles und dachte: „Es waren doch ganz fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkommen, können wiederkommen!“ Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und erhielt doch die Prinzessin; vielleicht kann ich auch eine Prinzessin bekommen.“ Und dann dachte der Tannenbaum an eine kleine niedlich Birke, die draußen im Walde wuchs; das war für den Tannenbaum eine wirkliche schöne Prinzessin.
„Wer ist Klumpe-Dumpe?“ fragten die kleinen Mäuse. Da erzählte der Tannenbaum das ganze Märchen, er konnte sich jedes einzelnen Wortes entsinnen; die kleinen Mäuse waren aus reiner Freude bereit, bis an die Spitze des Baumes zu springen. In der folgenden Nacht kamen weit mehr Mäuse und am Sonntage sogar zwei Ratten, aber die meinten, die Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse, denn nun hielten sie auch weniger davon. „Wissen sie nur die eine Geschichte?“ fragten die Ratten.
„Nur die eine“, antwortete der Baum; „die hörte ich an meinem glücklichsten Abend, aber damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich war.“
„Das ist eine höchst jämmerliche Geschichte! Kennen sie keine von Speck und Talglicht? Keine Speisekammergeschichte?“
„Nein!“ sagte der Baum.
„Ja, dann danken wir dafür!“ erwiderten die Ratten und gingen zu den Ihrigen zurück. Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da seufzte der Baum: „Es war doch ganz hübsch, als sie um mich herum saßen, die beweglichen kleinen Mäuse, und zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch das vorbei! Aber ich werde daran denken, mich zu freuen, wenn ich wieder hervorgenommen werde.“
Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens, da kamen Leute und wirtschafteten auf dem Boden; die Kästen wurden weggesetzt, der Baum wurde hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart gegen den Fußboden, aber ein Diener schleppte ihn gleich nach der Treppe hin, wo der Tag leuchtete.
„Nun beginnt das Leben wieder!“ dachte der Baum; er fühlte die frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles ging geschwind, der Baum vergaß völlig sich selbst zu betrachten, da war so Vieles ringsumher zu sehen. Der Hof stieß an einen Garten, und Alles blühte darin; die Rosen hingen frisch und duftend über das kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und die Schwalben zogen umher und sagten: „Quirrevirrevit, mein Mann ist kommen!“ Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie meinten.
„Nun werde ich leben!“ jubelte dieser und breitete seine Zweige weit aus; aber ach, die waren alle vertrocknet und gelb; und er lag da zwischen Unkraut und Nesseln. Der Stern von Goldpapier saß noch oben in der Spitze und glänzte im hellen Sonnenschein. Im Hofe selbst spielten ein paar der munteren Kinder, die zur Weihnachtszeit den Baum umtanzt