Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Weihnachtsgeschichten - Charles Dickens страница 7
„Ist es Karl, den du meinst?“ fragte das kleine Gretchen.
„Ich spreche nur von meinem Märchen, meinem Traume!“ erwiderte die Winde.
Was sagt die kleine Schneeblume?
„Zwischen Bäumen hängt an Seilen das lange Brett, das ist eine Schaukel. Zwei niedliche kleine Mädchen – die Kleider sind weiß wie der Schnee, lange grüne Seidenbänder flattern von den Hüten – sitzen und schaukeln sich; der Bruder, welcher größer ist als sie, steht in der Schaukel, er hat den Arm um das Seil geschlagen, um sich zu halten, denn in der einen Hand hält er eine kleine Schale, in der andern eine Tonpfeife, er bläst Seifenblasen. Die Schaukel geht, und die Blasen fliegen mit schönen, wechselnden Farben; die letzte hängt noch am Pfeifenstiele und biegt sich im Winde; die Schaukel geht. Der kleine schwarze Hund, leicht wie die Blasen, erhebt sich auf den Hinterfüßen und will mit in die Schaukel, sie fliegt; der Hund fällt, bellt und ist böse; er wird geneckt, die Blasen bersten. – Ein schaukelndes Brett, ein zerspringendes Schaumbild ist mein Gesang!
„Es ist wohl möglich, dass es hübsch ist, was du erzählst, aber du sagst es so traurig und erwähnst des kleinen Karl gar nicht.“
Was sagen die Hyazinthen?
„Es waren drei schöne Schwestern, durchsichtig und fein. Das Kleid der Einen war rot, das der Andern blau, das der Dritten ganz weiß. Hand in Hand tanzten sie beim stillen See im klaren Mondscheine. Es waren keine Elfen, es waren Menschenkinder. Dort duftete es süß, und die Mädchen verschwanden im Walde; der Duft wurde stärker; – drei Särge, darin lagen die schönen Mädchen, glitten von des Waldes Dickicht über den See dahin; die Johanniswürmchen flogen leuchtend ringsherum als kleine schwebende Lichter. Schlafen die tanzenden Mädchen oder sind sie tot? – Der Blumenduft sagt, sie sind Leichen; die Abendglocke läutet den Grabgesang!“
„Du machst mich ganz betrübt!“ sagte das kleine Gretchen. „Du duftest so stark; ich muss an die toten Mädchen denken! Ach, ist denn der kleine Karl wirklich tot? Die Rosen sind unten in der Erde gewesen, und sie sagten: nein!“
„Kling, klang!“ läuteten die Hyazinthenglocken. „Wir läuten nicht für den kleinen Karl, wir kenne ihn nicht! Wir singen nur unser Lied, das einzige was wir können!“
Und Gretchen ging zur Butterblume, die aus den glänzenden, grünen Blättern hervorschien. „Du bist eine kleine klare Sonne!“ sagte Gretchen. „Sage mir, ob du weißt, wo ich meinen Gespielen finden kann?“
Und die Butterblume glänzte so schön und sah wieder auf Gretchen. Welches Lied konnte die Butterblume wohl singen? Es handelte auch nicht von Karl.
„In einem kleinen Hofe schien die liebe Gottessonne am ersten Frühlingstage schön warm, ihre Strahlen glitten an des Nachbarhauses weißen Wänden hinab, dicht dabei wuchs die erste gelbe Blume und glänzte golden in den warmen Sonnenstrahlen. Die alte Großmutter saß draußen in ihrem Stuhl, die Enkelin, ein armes, schönes Dienstmädchen, kehrte von einem kurzen Besuche heim; sie küsste die Großmutter. Es war Gold, Herzensgold in dem gesegneten Kusse. Gold im Munde, Gold im Grunde, Gold dort in der Morgenstunde! Sieh das ist meine kleine Geschichte!“ sagte die Butterblume.
„Meine arme alte Großmutter!“ seufzte Gretchen. „Ja, sie sehnt sich gewiss nach mir, ist betrübt über mich, ebenso, wie sie es über den kleinen Karl war. Aber ich komme bald wieder nach Hause, und dann bringe ich ihn mit. – Es nützt zu nichts, dass ich die Blumen frage, die wissen nur ihr eigenes Lied, sie geben mir keinen Bescheid!“ und dann band sie ihr kleines Kleid auf, damit sie rascher gehen könne; aber die Pfingstlilie schlug ihr über das Bein, indem sie darüber hinsprang. Da blieb sie stehen, betrachtete die lange gelbe Blume und fragte: „Weißt du vielleicht etwas?“ und sie bog sich ganz zur Pfingstlilie hinab; und was sagte die?
„Ich kann mich selbst erblicken, ich kann mich selbst sehen,“ sagte die Pfingstlilie. „O, o, wie ich dufte! – Oben in dem kleinen Erkerzimmer steht, halb bekleidet, eine kleine Tänzerin, sie steht bald auf Einem Beine, bald auf beiden, sie tritt die ganze Welt mit Füßen, sie ist nichts als Augenverblendung. Sie gießt Wasser aus dem Teetopf auf ein Stück Zeug aus, welches sie hält, es ist der Schnürleib – Reinlichkeit ist eine schöne Sache! Das weiße Kleid hängt am Haken, das ist auch im Teetopf gewaschen und auf dem Dache getrocknet; sie zieht es an, nimmt das safrangelbe Tuch um den Hals, so scheint das Kleid weißer. Das Bein ausgestreckt! Sieh, wie sie auf einem Stiele prangt! Ich kann mich selbst erblicken! Ich kann mich selbst sehen!“
„Darum kümmere ich mich gar nicht!“ sagte Gretchen. „Das brauchst du mir nicht zu erzählen!“ und dann lief sie nach dem Ende des Gartens.
Die Tür war verschlossen, aber sie drückte auf die verrostete Klinke, so dass diese los ging; die Türe sprang auf, und da lief das kleine Gretchen mit bloßen Füßen in die weite Welt hinaus. Sie blickte dreimal zurück, aber da war Niemand, der sie verfolgte; zuletzt konnte sie nicht mehr gehen und setzte sich auf einen großen Stein, und als sie ringsum sah, war der Sommer vorbei, es war Spätherbst, das konnte man in dem schönen Garten gar nicht bemerken, wo immer Sonnenschein und Blumen aller Jahreszeiten waren.
„Gott, wie habe ich mich verspätet!“ sagte das kleine Gretchen. „Es ist ja Herbst geworden, da darf ich nicht ruhen!“ und sie erhob sich, um weiter zu gehen.
O, wie waren ihre kleinen Füße wund und müde! Rings umher sah es kalt und rau aus; die langen Weidenblätter waren ganz gelb und der Tau tröpfelte als Wasser herab, ein Blatt fiel nach dem andern ab, nur der Schlehendorn trug noch Früchte, die waren herbe und zogen den Mund zusammen. O, wie war es grau und schwer in der weiten Welt!
Prinz und Prinzessin
Gretchen musste wieder ausruhen. Da hüpfte dort auf dem Schnee, der Stelle, wo sie saß, gerade gegenüber, eine große Krähe, die hatte lange gesessen, sie betrachtet und mit dem Kopfe gewackelt; nun sagte sie: „Kra! Kra! – gut’ Tag! Gut’Tag!“ Besser konnte sie es nicht herausbringen, aber sie meinte es gut mit dem kleinen Mädchen und fragte, wohin sie allein in die weite Welt hinausgehe. Das Wort „allein“ verstand Gretchen sehr wohl und fühlte recht, wie viel darin lag, und dann erzählte sie der Krähe ihr ganzes Leben und Geschick, und fragte, ob sie Karl nicht gesehen habe.
Die Krähe nickte ganz bedächtig und sagte: „Das könnte sein!“ „Wie? Glaubst du?“ rief das kleine Mädchen, und hätte fast die Krähe tot gedrückt, so küsste sie diese.
„Vernünftig, vernünftig!“ sagte die Krähe. „Ich glaube, ich weiß, – ich glaube, es kann der kleine Karl sein! Aber nun hat er dich sicher über der Prinzessin vergessen!“
„Wohnt er bei einer Prinzessin?“ fragte Gretchen.
„Ja, höre!“ sagte die Krähe. „Aber es fällt mir schwer deine Sprache zu reden. Verstehst du die Krähensprache, dann will ich besser erzählen!“
„Nein, diese habe ich nicht gelernt!“ sagte Gretchen, „aber die Großmutter konnte sie, und auch die P-Sprache konnte sie sprechen. Hätte ich es nur gelernt!“
„Schadet gar nichts!“ sagte die Krähe. „Ich werde erzählen, so gut ich kann, aber schlecht wird es immer!“ Dann erzählte sie, was sie wusste.
„In diesem Königreich, in welchen wir jetzt sitzen, wohnt eine Prinzessin, die ist ganz außerordentlich klug, aber sie hat auch alle Zeitungen, die es in der Welt gibt, gelesen und