Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens
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Читать онлайн книгу Gesammelte Weihnachtsgeschichten - Charles Dickens страница 8
„Die Zeitungen kamen sogleich mit einem Rande von Herzen und der Prinzessin Namenzug heraus. Man konnte darin lesen, dass es jedem jungen Mann, der gut aussah, frei stehe, auf das Schloss zu kommen und mit der Prinzessin zu sprechen, und derjenige, welcher rede, dass man hören könne, er sei dort zu Hause, und der am besten spreche, den wollte die Prinzessin zum Manne nehmen! – „Ja, ja!“ sagte die Krähe, „du kannst es mir glauben, es ist so gewiss wahr, als ich hier sitze. Die Leute strömten herzu, da war ein Gedränge und ein Laufen, aber es glückte nicht, weder den ersten noch den zweiten Tag. Sie konnten Alle gut sprechen, wenn sie draußen auf der Straße waren, aber wenn sie in das Schlosstor traten und sahen die Wachen in Silber und die Treppen hinauf die Diener in Gold, und die großen erleuchteten Säle, dann wurden sie verwirrt; und standen sie vor dem Throne, wo die Prinzessin saß, dann wussten sie nichts zu sagen, als das letzte Wort, was sie gesprochen hatte, und sie kümmerte sich nicht darum, das noch einmal zuhören. Es war gerade, als ob die Leute darinnen Schnupftabak auf den Magen bekommen hätten und in den Schlaf gefallen wären, bis sie wieder auf die Straße kamen; dann konnten sie wieder sprechen. Da stand eine ganze Reihe vom Stadttor an bis zum Schloss. „Ich war selbst drinnen, um es zu sehen!“ sagte die Krähe. „Sie wurde sowohl hungrig wie durstig, aber auf dem Schloss erhielten sie nicht einmal ein Glas Wasser. Zwar hatten einige der Klügsten Butterbrot mitgenommen, aber sie teilten nicht mit ihrem Nachbar, sie dachten: Lass ihn nur hungrig aussehen, dann nimmt die Prinzessin ihn nicht!“
„Aber Karl, der kleine Karl?“ fragte Gretchen. „Wann kam der? War er unter der Menge?“
„Warte, warte, nun sind wir gerade bei ihm! Es war am dritten Tag, da kam eine kleine Person, ohne Pferd oder Wagen, ganz fröhlich gerade auf das Schloss marschiert; seine Augen glänzten wie deine, er hatte schöne lange Haare, aber sonst ärmliche Kleider.“
„Das war Karl!“ jubelte Gretchen. „O, dann habe ich ihn gefunden!“ und sie klatschte in die Hände.
„Er hatte ein kleines Ränzel auf dem Rücken!“ sagte die Krähe. „Nein, das war sicher sein Schlitten“, sagte Gretchen, „denn mit dem Schlitten ging er fort!“
„Das kann wohl sein“, sagte die Krähe, „ich sah nicht so genau danach; aber das weiß ich von meiner zahmen Geliebten, dass, wie er in das Schlosstor kam und die Leibwache in Silber, und die Treppe hinauf die Diener in Gold sah, er nicht im mindesten verlegen wurde, nickte und zu ihnen sagte: „Das muss langweilig sein, auf der Treppe zu stehen, ich gehe lieber hinein!“ Da glänzten die Säle von Lichtern; Geheimräte und Staatsräte gingen auf bloßen Füßen und trugen Goldgefäße; man konnte wohl bedenklich werden; seine Stiefel knarrten gewaltig laut, aber ihm wurde doch nicht bange!“
„Das ist ganz gewiss Karl!“ sagte Gretchen. „Ich weiß, er hatte neue Stiefel, ich habe sie in der Großmutter Stube knarren hören!“
„Ja sie knarrten“, sagte die Krähe, „und fröhlich ging er gerade zur Prinzessin hinein, die auf einer großen Perle saß, welche so groß wie ein Spinnrad war. alle Hofdamen mit ihren Jungfern und den Jungfern der Jungfern, und alle Ritter mit ihren Dienern und den Dienern der Diener, die wieder einen Burschen hielten, standen ringsherum aufgestellt; und je näher sie der Tür standen, desto stolzer sahen sie aus. Des Dieners Dieners Burschen, der immer in Pantoffeln geht, darf man kaum anzusehen wagen, so stolz steht er in der Türe.“
„Das muss gräulich sein!“ sagte das kleine Gretchen. „Und Karl hat doch die Prinzessin erhalten?“
„Wäre ich nicht Krähe gewesen, so hätte ich sie genommen, und das ungeachtet ich verlobt bin. Er soll ebenso gut gesprochen haben, wie ich spreche, wenn ich die Krähensprache rede, das habe ich von meiner zahmen Geliebten gehört. Er war fröhlich und niedlich; er war gar nicht gekommen zum Feiern, sondern nur, um der Prinzessin Klugheit zu hören, und die fand er gut, und sie fand ihn wieder gut.“
„Ja, sicher, das war Karl!“ sagte Gretchen. „Er war so klug, er konnte die Kopfrechnung mit Brüchen! – O, willst du mich nicht auf dem Schlosse einführen?“
„Ja, das ist leicht gesagt!“ sagte die Krähe. „Aber wie machen wir das? Ich werde darüber mit meiner zahmen Geliebten sprechen; sie kann uns wohl Rat erteilen; denn das muss ich dir sagen, so ein kleines Mädchen, wie du bist, bekommt nie Erlaubnis, hineinzukommen!“
„Ja, die erhalte ich!“ sagte Gretchen. „Wenn Karl hört, dass ich da bin, kommt er sogleich heraus und holt mich!“
„Erwarte mich dort am Gitter!“ sagte die Krähe, wackelte mit dem Kopf und flog davon.
Erst als es später Abend war, kehrte die Krähe zurück. „Rar! rar!“ sagte sie. „Ich soll dich vielmal von ihr grüßen, und hier ist ein kleines Brot für dich, das nahm sie aus der Küche, da ist Brot genug, und du bist sicher hungrig! – Es ist nicht möglich, dass du in das Schloss hineinkommst, du hast ja bloße Füße. Die Wachen in Silber und die Diener in Gold würden es nicht erlauben. Aber weine nicht, du sollst schon hinaufkommen. Meine Geliebte kennt eine kleine Hintertreppe, die zum Schlafgemach führt, und sie weiß, wo sie den Schlüssel erhalten kann!“ Sie gingen in den Garten hinein, in die große Allee, wo das eine Blatt nach dem andern abfiel, und als auf dem Schlosse die Lichter ausgelöscht wurden, das eine nach dem andern, führte die Krähe das kleine Gretchen zu einer Hintertür, die angelehnt stand. O, wie Gretchens Herz vor Angst und Sehnsucht pochte! Es war ihr, als ob sie etwas böses tun wollte, und sie wollte ja nur wissen, ob hier der kleine Karl sei. Ja, er musste hier sein; sie gedachte ganz deutlich seiner klaren Augen, seines langen Haares; sie konnte ihn lächeln sehen wie damals, als sie daheim unter den Rosen saßen. Er würde sicher froh sein, sie zu erblicken, zu hören, welchen langen Weg sie um seinetwillen zurückgelegt, zu wissen, wie betrübt sie Alle daheim gewesen, als er nicht wiedergekommen. O, das war eine Furcht und eine Freude!
Nun waren sie auf der Treppe. Da brannte eine kleine Lampe auf einem Schranke, und mitten auf dem Fußboden stand die zahme Krähe und wendete den Kopf nach allen Seiten und betrachtete Gretchen, die sich verneigte, wie die Großmutter sie gelehrt hatte. „Mein Verlobter hat mir viel Gutes über sie gesagt, mein kleines Fräulein“, sagte die zahme Krähe, „ihr Lebenslauf ist auch sehr rührend! – Wollen sie die Lampe nehmen, dann werde ich vorangehen. Wir gehen hier den geraden Weg, denn da begegnen wir Niemand!“
„Es ist mir, als käme gerade Jemand hinter und!“ sagte Gretchen, und es sauste an ihr vorbei; es war wie Schatten an der Wand entlang, Pferde mit fliegenden Mähnen und dünnen Beinen, Jägerburschen, Herren und Damen zu Pferde.
„Das sind nur Träume!“ sagte die Krähe, „die kommen und holen der hohen Herrschaft Gedanken zur Jagd ab. Das ist recht gut, dann können sie sie besser im Bette betrachten. Aber ich hoffe, wenn sie zu Ehre und Würde gelangen, dass sie dann ein dankbares Herz zeigen werden!“
„Darüber bedarf es keine Worte!“ sagte die Krähe vom Wald. Nun kamen sie in den ersten Saal, der war von rosenrotem Atlas mit künstlichen Blumen an den Wänden hinauf. Hier sausten die Träume schon an ihnen vorüber, aber sie fuhren so schnell, dass Gretchen die hohen Herrschaften nicht zu sehen bekam. Ein Saal war immer prächtiger als der andere: ja, man konnte wohl betäubt werden, und nun waren sie im Schlafgemach. Die Decke hier glich einer großen Palme