Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens

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Gesammelte Weihnachtsgeschichten - Charles Dickens

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in diesem sollte Gretchen den kleinen Karl suchen. Sie bog eines der roten Blätter zur Seite, und da sah sie einen braunen Nacken. – O, das war Karl! – Sie rief ganz laut seinen Namen, hielt die Lampe gegen ihn hin – er erwachte, wendete das Haupt und – es war nicht der kleine Karl. Der Prinz glich ihm nur im Nacken, aber jung und hübsch war er. Und aus dem weißen Lilienblatt blinzelte die Prinzessin hervor, und fragte, was das sei. Da weinte das kleine Gretchen und erzählte ihre ganze Geschichte und Alles, was die Krähen für sie getan hatten.

      „Du armes Kind!“ sagte der Prinz und die Prinzessin, belobten die Krähen und sagten, dass sie gar nicht böse auf sie seien, aber sie sollten es doch nicht wieder tun. Übrigens sollten sie eine Belohnung erhalten.

      „Wollt ihr frei fliegen?“ fragte die Prinzessin. „Oder wollt ihr feste Anstellung als Hofkrähen haben, mit Allem, was da in der Küche abfällt?“

      beide Krähen verneigten sich und baten um feste Anstellung, denn sie gedachten des Alters und sagten, es sei schön, etwas für das Alter zu haben.

      Der Prinz stand aus seinem Bett auf und ließ Gretchen darin schlafen, mehr konnte er wirklich nicht tun. Sie faltete ihre kleinen Hände und dachte: „Wie gut sind die Menschen und Tiere!“ und dann schloss sie ihre Augen und schlief sanft. alle Träume kamen wieder hereingeflogen, und da sahen sie wie Gottes Engel aus, und sie zogen einen kleinen Schlitten, auf welchem Karl saß und nickte. Aber das Ganze war nur ein Traum, und deshalb war es auch wieder fort, sobald sie erwachte.

      Am nächsten Tage wurde sie vom Kopf bis zum Fuß in Seide und Samt gekleidet; es wurde ihr angeboten, auf dem Schloss zu bleiben und gute Tage zu genießen, aber sie bat nur um einen kleinen Wagen mit einem Pferd davor, und um ein paar Schuhe, dann wollte sie wieder in die weite Welt hinausfahren und Karl suchen.

      Sie erhielt sowohl Schuhe als Muff, sie wurde niedlich gekleidet, und als sie fort wollte, hielt vor der Tür eine neue Kutsche von reinem Gold; des Prinzen und der Prinzessin Wappen glänzte an derselben wie ein Stern. Kutscher, Diener und Vorreiter, denn da waren auch Vorreiter, saßen mit Goldkronen auf dem Kopfe. Der Prinz und die Prinzessin halfen ihr selbst in den Wagen und wünschten ihr alles Glück. Die Waldkrähe, welche nun verheiratet war, begleitete sie die ersten drei Meilen; sie saß ihr zur Seite, denn sie konnte nicht ertragen, rückwärts zu fahren. Die andere Krähe stand in der Tür und schlug mit den Flügeln, sie kam nicht mit, denn sie litt an Kopfschmerzen, seitdem sie feste Anstellung und zu viel zu essen erhalten hatte. Inwendig war die Kutsche mit Zuckerbrezeln gefüttert, und im Sitze waren Früchte und Pfeffernüsse.

      „Lebe wohl! Lebe wohl!“ riefen der Prinz und die Prinzessin, das kleine Gretchen weinte und die Krähe weinte auch. – So ging es die ersten Meilen, da sagte auch die Krähe Lebewohl, und das war der schwerste Abschied. Sie flog in einem Baum hinauf und schlug mit ihren schwarzen Flügeln, so lange sie den Wagen, welcher wie der klare Sonnenschein glänzte, erblicken konnte.

      Das kleine Räubermädchen

      Sie fuhren durch den dunklen Wald, aber die Kutsche leuchtete gleich einer Fackel. Das stach den Räubern in die Augen, das konnten sie nicht ertragen.

      „Das ist Gold! Das ist Gold!“ riefen sie, stürzten hervor, ergriffen die Pferde, schlugen die kleinen Vorreiter, den Kutscher und die Diener tot, und zogen nun das kleine Gretchen aus dem Wagen.

      „Sie ist fett, sie ist niedlich, sie ist mit Nusskernen gefüttert!“ sagte das alte Räuberweib, die einen struppigen Bart und Augenbrauen hatte, die ihr über die Augen herabhingen.

      „Das ist so gut wie ein kleines fettes Lamm! Na, wie soll die schmecken!“ und dann zog sie ihr blankes Messer heraus und das glänzte, dass es gräulich war.

      „Au!“ sagte das Weib zur gleichen Zeit, denn sie wurde von ihrer eigenen Tochter, die auf ihrem Rücken hing, so wild und unartig, dass es eine Lust war, in das Ohr gebissen. „Du hässlicher Balg!“ sagte die Mutter, und kam nicht dazu, Gretchen zu schlachten. „Sie soll mit mir spielen!“ sagte das kleine Räubermädchen. „Sie soll mir ihren Muff, ihr hübsches Kleid geben, bei mir in meinem Bett schlafen!“ und dabei biss sie wieder, dass das Räuberweib in die Höhe sprang und sich rings herumdrehte, und alle Räuber lachten und sagten: „Sieh, wie sie mit ihrem Jungen tanzt!“ „Ich will in den Wagen hinein!“ und sie musste und wollte ihren Willen haben, denn sie war verzogen und hartnäckig. Sie und Gretchen saßen darinnen, und so fuhren sie über Stock und Stein tiefer in den Wald hinein. Das kleine Räubermädchen war so groß wie Gretchen, aber stärker, breitschultriger und von dunkler Haut. Die Augen waren ganz schwarz, sie sahen fast traurig aus. Sie nahm das kleine Gretchen um den Leib und sagte: „Sie sollen dich nicht schlachten, so lange ich dir nicht böse werde! Du bist wohl eine Prinzessin?“

      „Nein!“ sagte Gretchen, und erzählte ihr Alles, was sie erlebt hatte, und wie viel sie vom kleinen Karl hielt.

      Das Räubermädchen betrachtete sie ganz ernsthaft, nickte ein wenig mit dem Kopfe und sagte: „Sie sollen dich nicht schlachten, selbst wenn ich dir böse werde, dann werde ich es schon selbst tun!“ und dann trocknete sie Gretchens Augen und steckte ihre beiden Hände in den schönen Muff, der weich und warm war.

      Nun hielt die Kutsche still; sie waren mitten auf dem Hofe eines Räuberschlosses, das von oben bis unten auseinander geborsten war. Raben und Krähen flogen aus den offenen Löchern, und die großen Bullenbeißer, von denen ein jeder aussah, als könne er einen Menschen verschlingen, sprangen hoch empor, aber sie bellten nicht, denn das war verboten.

      In dem großen, alten, verräucherten Saale brannte mitten auf dem steinernen Fußboden ein großes Feuer; der Rauch zog unter die Decke hin und musste sich selbst den Ausweg suchen; ein großer Braukessel mit Suppe kochte, und sowohl Hasen und Kaninchen wurden an Spießen gebraten.

      „Du sollst diese Nacht mit mir bei all meinen Tieren schlafen!“ sagte das Räubermädchen. Sie bekamen zu essen und zu trinken und gingen dann nach einer Erde, wo Stroh und Teppich lagen. Oben darüber saßen auf Latten und Stäben mehr als hundert Tauben, die alle zu schlafen schienen, sich aber doch ein wenig drehten, als die beiden kleinen Mädchen kamen.

      „Die gehören mir alle!“ sagte das kleine Räubermädchen, und ergriff eine der nächsten, hielt sie bei den Füßen und schüttelte sie, dass sie mit den Flügeln schlug. „Küsse sie!“ rief sie, und schlug sie ihr ins Gesicht. „Da sitzen die Waldtauben!“ fuhr sie fort, und zeigte hinter einer Anzahl von Stäbe, die vor einem Loche oben in der Mauer eingeschlagen waren. „Das sind Waldtauben, die beiden, die fliegen gleich fort, wenn man sie nicht ordentlich eingeschlossen hält; und hier steht mein alter liebster Bä!“ und damit zog sie ein Rentier am Horn, welches einen kupfernen Ring um den Hals trug und gebunden war. „Den müssen wir auch in der Klemme halten, sonst springt er von uns fort. An jedem Abend kitzele ich ihn mit meinem scharfen Messer, davor fürchtet er sich!“ und das kleine Mädchen zog ein langes Messer aus einer Spalte in der Mauer und ließ es über des Rentiers Hals hingleiten. Das arme Tier schlug mit den Beinen aus, aber das kleine Räubermädchen lachte und zog dann Gretchen mit in das Bett hinein.

      „Willst du das Messer behalten, wenn du schläfst?“ fragte Gretchen, und blickte etwas furchtsam nach demselben.

      „Ich schlafe immer mit dem Messer!“ sagte das kleine Räubermädchen. „Man weiß nie, was vorfallen kann. Aber erzähle mir nun wieder, was du mir vorhin von dem kleinen Karl erzähltest, und weshalb du in die weite Welt hinausgegangen bist.“ Gretchen erzählte wieder von vorn an, und die Waldtauben knurrten oben im Käfig und die andern Tauben schliefen. Das kleine Räubermädchen legte ihren Arm um Gretchens Hals, hielt das Messer in der anderen Hand und schlief, dass man es hören konnte, aber Gretchen konnte ihre Augen nicht schließen, sie wusste nicht, ob sie leben oder sterben würde. Die Räuber saßen rings

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