Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens

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Gesammelte Weihnachtsgeschichten - Charles Dickens

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heller Lichtstrahl entgegen, der sogleich wieder verschwand, über eine Weile aber wieder erschien, dann wieder auf einige Augenblicke verschwand, dann wieder heller glänzte, und so wechselweise. Anton ging freudig vorwärts, und kam an ein Haus, das einsam im Walde stand. Er klopfte zwei-, dreimal an die Haustür; er hörte wohl mehrere fröhliche Stimmen, aber niemand antwortete ihm. Er versuchte nun die Tür zu öffnen; sie war nur mit der Schnalle oder Klinke geschlossen. Er ging hinein, tappte lange in dem dunklen Hausgange umher, und suchte die Stubentüre. Endlich fand er sie, machte sie auf – und blieb höchst erstaunt stehen. Ein heller Glanz von mehreren Lichtern strahlte ihm entgegen. Es war ihm nicht anders, als blickte er in das Paradies, ja in den offenen Himmel.

      In der Ecke der Stube, zwischen den zwei Fenstern, war eine überaus schöne Frühlingslandschaft ganz nach der Natur im kleinen abgebildet – eine gebirgige Gegend mit hohen bemoosten Felsen, grünenden Tannenwäldern, ländlichen Hütten, weidenden Schafen nebst ihren Hirten, und einer kleinen Stadt oben auf dem Berge. In der Mitte der Landschaft war aber eine Felsenhöhle – da sah man das Kind Jesu – die heilige Mutter – den ehrwürdigen Joseph – die anbetenden Hirten, und oben schwebten die jubelnden Engel. Die ganze Landschaft flimmerte von einem wundersamen Glanze; sie war wie mit unzähligen winzig kleinen Sternlein besät, so wie etwa Laub und Moos an Bäumen und Felsen schimmern, wenn sie an einem Frühlingsmorgen von reichlichem Taue tröpfeln.

      Die Einwohner des Hauses waren um die schöne Vorstellung des Kindes Jesu in der Krippe versammelt. An einer Seite saß der Vater und hatte eine Harfe zwischen den Knieen stehen; an der andern Seite saß die Mutter mit dem kleinsten Kinde auf dem Schoße. Zwei liebliche Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, standen zwischen den beiden Eltern, blickten andächtig zur Krippe des Heilandes hinauf, und erhoben die Hände gleich den frommen Hirten, die vor der Krippe knieten. Jetzt griff der Vater wieder in die Harfe und die Mutter sang mit ihrer lieblichen Engelsstimme noch einmal das Lied, von dem Anton jene Worte gehört hatte. Die zwei Kinder sangen mit ihren zarten, hellen Stimmchen freudig mit, und der Vater begleitete den Gesang mit seiner angenehmen Baßstimme und dem lieblichen Harfenspiel. Sie sangen:

      Vor dir, du holdes Himmelskind,

      Dem Gottes Engel dienstbar sind,

      Fall’ ich anbetend nieder –

      Und freue mit Marie mich,

      Und preise mit den Engeln dich,

      Und singe Jubellieder!

      Du, du bist aller Menschen Heil,

      Dich lieben – ist der beste Teil,

      Du Liebe ohnegleichen!

      Zwar spricht noch deine Lippe nicht,

      Doch sagt dein mildes Angesicht

      Dem Armen wie dem Reichen:

      »O sei getrost in jeder Not,

      Denn sieh, den liebsten Sohn hat Gott

      Zum Heiland dir gegeben!

      Auf ihn vertrau’ und fasse Mut,

      Was schlimm ist macht er wieder gut;

      Er liebt dich wie sein Leben.«

      »Und kommt ein armes Kind in Not

      Vor deine Tür, sag’ nicht: Helf Gott!

      Wollst seiner dich erbarmen!

      Fühlst du für Gottes Liebe Dank,

      Laß liebreich es bei Speis und Trank

      An deinem Herd erwarmen.«

      Anton stand noch immer unter der geöffneten Türe, und hielt die Türschnalle in der einen Hand und Hut und Stecken in der andern. Seine Augen waren beständig auf die schöne Vorstellung der Krippe gerichtet, und mit offenem Munde horchte er auf den Gesang und das Harfenspiel. Niemand bemerkte ihn. Jetzt fühlte aber die Mutter die Kälte, die durch die offene Türe in die Stube drang und blickte nach der Türe. »Lieber Gott«, rief sie, »wie kommt das Kind in der finstern Nacht durch den dicken Wald hieher? Armer, armer Knabe – du hast dich gewiß verirrt!« »Ach ja«, sagte Anton, »ich habe mich im Walde verirrt!« Alle sahen jetzt nach der Tür. Die zwei Kinder hatten ein herzliches Mitleid mit dem verirrten Knaben, blieben aber etwas scheu stehen, weil er ihnen fremd war. Die Mutter ging mit ihrem Kinde auf dem Arm zu ihm hin, und fragte ihn freundlich: »Wo bist du denn her, lieber Kleiner, wie heißt du und wer sind deine Eltern?« »O du lieber Gott« sagte Anton mit Tränen in den blauen Augen, »ich habe gar eine Heimat mehr. Ich heißt Anton Kroner. Mein Vater ist in dem Kriege umgekommen und meine Mutter ist den letzten Herbst vor Jammer und Elend gestorben. Ich bin hier im Lande ganz fremd und irre in der Welt umher, wie ein verlornes Lämmlein.« Er fing an zu erzählen, wie er eben jetzt im Walde in so großer Not gewesen, wie er da aber ihren Gesang gehört und so den Weg zu ihrem Hause gefunden habe. Er wollte weiter reden; allein seine Stimme versagte ihm; es fror ihn noch allzu sehr. In der warmen Stube fühlte er die Wirkungen der Kälte erst recht. Er zitterte vor Frost und klapperte mit den Zähnen.

      »Ach du armer Anton«, sagte die Mutter, »du kannst ja vor Frost kaum mehr reden, und hungrig und müde mußt du auch sein. Leg’ dein Bündelein ab, und sitz’ nieder; ich will dir eine warme Suppe geben, und was sonst noch von dem Nachtessen übrig ist.«

      Die zwei Kinder, Christian und Katharina, nahmen ihm nun voll Mitleid Hut und Stock und das Bündelein ab. Katharina legte das Bündelein auf die Bank; Christian legte den Hut oben darauf und lehnte den Stecken in eine Ecke. Hierauf führten sie ihren kleinen Gast an den Tisch. Die Mutter brachte Suppe und ein großes Stück Festkuchen nebst gekochten Pflaumen. Sie setzte sich an die andere Seite des Tisches, und lächelte freundlich, daß Anton es sich so gut schmecken ließ. Die Kinder aber teilten ihm reichlich von ihren Weihnachtsgeschenken mit – schöne rotwangige Äpfel, goldgelbe Birnen, und große braune Nüsse. Sogar das kleine Lieschen auf dem Schoße der Mutter schenkte ihm, auf Zureden der Mutter, das schöne purpurrote Äpfelein, das sie in den kleinen Händchen hielt, und mit den zarten Fingerlein kaum umspannen konnte.

      Die warme Suppe bekam dem erstarrten Anton sehr gut, und die liebliche Stubenwärme tat ihm nunmehr sehr wohl. Er ward wieder munter und fröhlich. »Aber was ihr doch in der Ecke eurer Stube Schönes habt!« fing er jetzt an. Er hatte schon unter dem Essen beständig nach der Krippe hinübergeblickt. »Das ist ja ein Frühling mitten im Winter!« sagte er. »So etwas Wunderschönes hab’ ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Ich muß es doch näher betrachten.« Er sprang hin und die zwei Kinder folgten ihm.

      »Weißt du aber auch, was das alles vorstellt?« fragte Katharine. »Freilich weiß ich das«, sagte Anton. »Es stellt die Geburt Jesu vor. Was das für ein schönes liebliches Kindlein ist! Sein Angesicht ist so schön weiß und rot, wie Lilien und Rosen. Und was es für glänzende Äuglein hat, und wie freundlich es lächelt!« – »Das ist aber nicht das rechte Jesuskindlein!« sagte Katharine. »Jesus ist jetzt kein Kind mehr; er ist schon lange in den Himmel aufgefahren.« »Das weiß ich wohl.« sagte Anton. »Meinst du denn, ich sei ein Heide? Es ist schon bald zweitausend Jahre, daß Jesus als ein Kind in der Krippe lag. Das alles hier ist nur so gemacht, damit wir Kinder uns alles besser vorstellen können. Das da oben ist, glaube ich, die Stadt Bethlehem. Nicht so?« Katharine nickte. »Siehst du nun«, sagte Anton, »daß ich alles weiß! Ich bin nicht so dumm, als du meinst.«

      Die Kinder lachten und machten nun Anton noch auf allerlei Kleinigkeiten aufmerksam, die ihnen aber höchst wichtig vorkamen. »Sieh nur, Anton«, sagte Katharine, »das schöne weiße

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