Bahnfahren unter erschwerten Bedingungen. Frank Hole

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Bahnfahren unter erschwerten Bedingungen - Frank Hole Praxisbuch Eisenbahn

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nicht die wahrscheinlichste. Denn, wie bereits in Band 1 ausführlich beschrieben, sind Fahrzeug- oder Personalreserven im Gegensatz zur Bundesbahnzeit nun in Zeiten des Wettbewerbs und der knappen Kalkulationen kaum noch vorgesehen. Spielräume bestehen am ehesten noch an Wochenenden, Feiertagen oder in Tagesrandlagen.

      2.2.4 Ursache für den Zugausfall beheben

      Das Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen und/oder das Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen kümmert sich umgehend darum, die Ursache des Zugausfalls zu beheben. Ziel ist es, dass möglichst geringe betriebliche Folgewirkungen entstehen und somit möglichst wenig Fahrgäste betroffen sind. Oft sind technische, Wetter- oder menschliche Einflüsse die Ursache für Zugausfälle (vgl. auch Kapitel 13). Anlassbezogen sind dann Notfallmanagement, Techniker, Reparaturteams, Disponenten und Bundespolizei in Einsatz.

      2.2.5 Analysieren und Maßnahmenpläne erarbeiten

      Ähnlich wie beim Thema Verspätungen trägt jedes Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen dafür Sorge, dass es die vorgesehenen Fahrten vollständig durchführt, denn damit verdient es sein Geld. Deswegen wird jeder Vorfall genau analysiert, wie es zu einem Zugausfall kommen konnte. Daraus werden Maßnahmen abgeleitet, um die Erfüllungsquote möglichst hochzuhalten.

      Beispielsweise werden insbesondere Baustellenverkehre lange geplant und verhandelt, bevor ein Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen in ein Baustellenkonzept einwilligt, das Zugausfälle beinhaltet.

      Auch bei Zugausfällen aufgrund technischer Defekte leitet das EisenbahnVerkehrs-Unternehmen eine intensive Ursachenforschung zusammen mit Hersteller, Fahrpersonal und Werkstatt ein. Das Ergebnis kann so aussehen, dass bestimmte anfällige Bauteile vorsorglich getauscht werden, dass bauliche Veränderungen erforderlich sind oder neue Software programmiert wird.

      Die Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen arbeiten daran, dass die Verfügbarkeit der Strecken möglichst hoch ist. Der „Aktionsplan Vegetation“ der Bahn ist ein Beispiel dafür: Es geht darum, dass Bäume bei Stürmen oder durch Schneebruch deutlich seltener auf die Gleise fallen und so für Zugausfälle sorgen (siehe auch Kapitel 13.5).40 Auch der Runde Tisch beim Baustellenmanagement sorgt dafür, dass alle Interessen möglichst gut austariert werden, sodass unterm Strich möglich wenige Fahrgäste betroffen sind.

      2.3 Konkrete Beispiele

      2.3.1 Zugausfall IC 209 mit Ersatzzug

       Abbildung 8: Die umfangreichen Reisehinweise bei einem Ersatzzug verdeutlichen die Einschränkungen und die passenden Alternativen. [Copyright Frank Hole41]

      Der Intercity mit der Zugnummer 209 fuhr im Jahresfahrplan 2019 von Kiel Hbf (ab 17.38) nach Basel SBB (an 6.22). Für die rund 1.100 km lange Nachtfahrt über Bremen, Köln, Mainz und Frankfurt (Main) Hbf brauchte er knapp 13 Stunden. Am 12. Dezember 2019 verkehrte ein Ersatzzug, nachdem die normalerweise vorgesehene Zuggarnitur, bestehend aus einer Lok mit 11 Reisezugwagen, nicht zur Verfügung stand. In einem derartigen Zug finden ungefähr 750 Fahrgäste Platz, sodass es durchaus eine Herausforderung darstellt, einen weitgehend passenden Ersatzzug zu finden. Den Disponenten gelang es, eine neue Zuggarnitur zu organisieren, jedoch verfügte diese nicht über das vorgesehene Bordbistro und – vermutlich – auch nicht über die gleiche Anzahl an Wagen.

      Diesem Ersatzzug drohte dadurch eine deutliche Überlastung. Die Kommunikation gegenüber den Fahrgästen führte DB Fernverkehr AG deswegen sehr eindeutig durch: Die Zugbindung wurde aufgehoben, sodass die Reisenden mit Fahrausweisen mit Zugbindung auch auf andere Züge ausweichen konnten. Des Weiteren wurden Reisende, die noch keinen Fahrausweis hatten, deutlich auf die Überfüllungssituation hingewiesen. Diese wurden gebeten, auf andere Züge auszuweichen.

      Sie erkennen, wie DB Fernverkehr die Situation zu bewältigen versuchte. Ob derartige Maßnahmen Wirkung zeigen, liegt dann letztlich daran, wie sich die Fahrgäste tatsächlich verhalten. Nach den Erfahrungen des Autors ist es sinnvoll, derartige Situationen zu vermeiden und die vorgeschlagenen – oder auch sonstigen – Alternativen zu nutzen.

      2.3.2 Teilausfall bei der S-Bahn München

      Angenommen, eine S-Bahn der Linie S3 mit der Zugnummer 6317 zwischen Mammendorf und Holzkirchen über München Ostbahnhof gerät hinter München-Giesing in eine Signalstörung und bekommt dadurch bis Deisenhofen 25 Minuten Verspätung.

       Abbildung 9: Ein deutlich verspäteter Zug kann vorzeitig wenden und dann pünktlich zurückfahren, wie hier im Beispiel der S-Bahn München: Anstatt dass diese S-Bahn verspätet bis Holzkirchen fährt, wendet sie bereits 12 Minuten früher in Deisenhofen und gewinnt so 24 Minuten Fahrzeit. Solche Dispositionsentscheidungen stabilisieren einerseits den Betrieb, bedeuten andererseits für Sie als Fahrgast dieser S-Bahn einen teilweisen Zugausfall. [Copyright Frank Hole42]

      Dieser Zug würde normalerweise laut Fahrplan nach Holzkirchen (Ankunft 6.25 Uhr) fahren, dort innerhalb von 11 Minuten wenden und um 6.36 Uhr wieder als S3 mit der Zugnummer 6324 zurückfahren.

      Durch die 25-minütige Verspätung jedoch ist es völlig ausgeschlossen, dass dieser Zug wieder fahrplanmäßig verkehrt. Selbst bei einer sehr schnellen Wende von 5 Minuten Dauer würde der Zug immer noch 19 Minuten Verspätung haben. Es besteht somit die Gefahr, dass er auf seiner weiteren Fahrt zahlreiche andere Züge beeinträchtigt, die auf denselben Strecken fahren – in diesem Fall die Bayerische Oberlandbahn und die S27, ferner sechs weitere Linien auf der S-Bahn-Stammstrecke in der Münchner City.

      Die zuständige Disponentin entscheidet aufgrund ihrer langen Erfahrung, dass diese S-Bahn mit der Zugnummer 6317 vorzeitig in Deisenhofen wendet und dann pünktlich als Zugnummer 6324 zurückfährt.

      Im Prinzip kürzt dieser Zug also einen Teil seiner Strecke ab, um wieder pünktlich zu werden. Negativ betroffen davon sind die Fahrgäste, die ihre Bahnhöfe Sauerlach, Otterfing und Holzkirchen nicht mit dem planmäßigen Zug erreichen können bzw. von dort abfahren können. Ein Busnotverkehr wird deswegen jedoch nicht eingerichtet, weil bereits 20 Minuten später die nächste planmäßige S-Bahn fährt.

      Der Nutzen dieser Maßnahme liegt auf der Hand: Zwar sind etliche Fahrgäste von der Verspätung betroffen und kommen jeweils 20 Minuten später an ihr Ziel, aber einige zehntausend Fahrgäste im Berufsverkehr werden nicht durch Folgeverspätungen auf anderen Linien beeinträchtigt.

      Derartige dispositive Entscheidungen bei größeren Verspätungen, die mit einem Zug-Teilausfall oder einem Haltausfall verbunden sind, gibt es immer wieder in unterschiedlichen Variationen. Teils werden auch Ersatzzüge eingesetzt, teils Busnotverkehr gefahren, je nachdem, was organisatorisch und betrieblich möglich und sinnvoll ist und je nachdem, wie schwerwiegend betrieblich und fahrgastseitig mögliche Folgewirkungen sind.

      2.4 Hintergründe und Zusammenhänge

      Das Wort „Zugausfall“ wird nicht ganz einheitlich verwendet. Zwei Bedeutungen können damit verbunden sein:

      • Es fällt das Fahrzeug aus. In diesem Fall kann ein Ersatzzug fahren, und Sie kommen dennoch weiter.

      • Es fällt die Zugfahrt aus. In diesem Fall fährt kein Ersatzzug, Sie können ggf. andere Verbindungen nutzen, auf den nächsten Zug warten oder die Fahrt abbrechen.

      Was im jeweiligen Fall zutrifft, erfahren Sie aus dem Zusammenhang, sowohl hier in diesem Buch als auch vor Ort im konkreten Fall.

      2.4.1 Die Sicht des Unternehmens

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