Bahnfahren unter erschwerten Bedingungen. Frank Hole
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Es gilt aber, einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen: Es wird erwähnt, dass es sich um einen Jahresdurchschnitt handelt. Tatsächlich ist es so, dass es bei der Bahn viele gute Tage gibt, wo das meiste rundläuft und keine größeren Probleme vorkommen. Und es gibt einige wenige Tage, an denen gefühlt nicht viel vernünftig funktioniert und der Fahrplan nicht mehr gilt. Diese Tage schlagen massiv zu Buche und das sind dann die Großereignisse, die nationale Schlagzeilen hervorbringen wie „Bahn stoppt Fernzüge bundesweit“,48 Das wiederum bedeutet, dass an den anderen Tagen, die betrieblich gesehen gut bis sehr gut laufen, kaum Züge ungeplant und nicht vorhersehbar ausfallen.
Es kommt noch ein Faktor hinzu: Nicht nur im Jahresverlauf schwankt die Zahl der Ausfälle, sondern auch von einem Jahr zum nächsten sind die Abweichungen sehr groß. Das verdeutlicht die folgende Abbildung:
Abbildung 12: Die Zugausfälle im gesamten Netz der Deutschen Bahn 2013-201749 zeigen deutlich, wie groß die Schwankungen sind. Prozentual handelt es sich um 0,8 (2013) bis 1,3 (2015) Prozent aller planmäßigen Fahrten, die ganz oder teilweise ausgefallen sind. Eine Prognose ist daraus nicht abzuleiten, dazu sind diese Daten noch zu wenig differenziert und der Zeitraum ist zu kurz. [Copyright Frank Hole]
Bei den genannten Zahlen sollten Sie berücksichtigen, dass darin auch geplante Ausfälle enthalten sind, die auf Bauarbeiten zurückgehen und somit nicht unerwartet kommen. Auch sagt die Zahl der betroffenen Züge nicht unbedingt etwas über die Zahl der betroffenen Fahrgäste aus. Am gravierendsten sind immer die ungeplanten Zugausfälle zu den Hauptverkehrszeiten, wenn es keine Ersatzzüge gibt und die alternativen Verbindungen ausgelastet sind. Doch die meisten Ausfälle sind baustellenbedingt und somit planbar, zusätzlich finden Baustellenausfälle oft nachts oder am Wochenende im Nahverkehr statt, wenn weniger Menschen die Bahn nutzen.
Aussagekräftiger als die absoluten Werte und die Gesamtzahlen ist allerdings die regionale Betrachtung:
• Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr fielen 2018 zwischen 2,5 und 2,9 % der Zugfahrten ungeplant aus, je nach Zuggattung. Generell waren dort die Ausfälle im Frühjahr geringer als im Sommer und Herbst, das Maximum gab es im Dezember und Januar, was in diesem Jahr allerdings insbesondere an Streiks lag. Zu diesen Ausfällen kommen noch mal etwas über 3,5 % geplante Ausfälle hinzu, bei denen es entsprechende Fahrplanauskünfte und teils auch Ersatzverkehre gab. Spannend sind auch die höchst unterschiedlichen Ergebnisse der einzelnen Linien: Die Werte der meisten Linien liegen zwischen etwa einem und vier Prozent unvorhergesehener Ausfälle. Das bedeutet, dass für einen Pendler je nach Linie zwischen etwa 4 und 16 Fahrten im Jahr ungeplant ausgefallen sind.50
• Für Bayern berichtet die Bayerische Eisenbahngesellschaft, dass 2017 rund 1,9 % aller Fahrten ausgefallen sind, davon jedoch nur etwa 0,5 Prozentpunkte ungeplant. Der Rest ist auf Baustellen zurückzuführen. Die Ausfallquoten sind dann auch je nach Netz sehr unterschiedlich – es gibt Netze oder Linien, die sehr zuverlässig laufen, andere hingegen sind durchaus problematischer zu sehen. Im Netz „Kissinger Stern“ beispielsweise war die Wahrscheinlichkeit eines ungeplanten Zugausfalls 2018 fünf- bis zehnmal geringer als in den meisten anderen Netzen. 51
• In Sachsen-Anhalt waren es 2017 etwa 2,35 % Ausfälle, davon 0,9 Prozentpunkte ungeplant.52
Auf den Fernverkehr der Deutschen Bahn bezogen ist die differenzierte, langjährige Betrachtung nach Komplett- und Teilausfällen ebenfalls aussagekräftiger – sie zeigt ein vollständigeres Bild als die eingangs zitierte Pressemitteilung und stellt auch eine mögliche Entwicklung besser dar.
Auch beim Fernverkehr sind die baustellenbedingten und somit planbaren Ausfälle enthalten. Die hohe Zahl Komplettausfälle 2014 geht übrigens zu einem großen Teil auch auf die insgesamt 6 Streikwellen in diesem Jahr zurück.
Abbildung 13: Im Fernverkehr können Sie eine steigende Tendenz an Zugausfallen im Verlauf der elf betrachteten Jahre erkennen. Es wird auch deutlich, dass die Zahl der Teilausfälle (orange Linie) um ein Mehrfaches über den Komplettausfällen (blaue Linie) liegt.53 [Copyright Frank Hole]
Anhand der bisher dargestellten Daten ist ersichtlich, dass sich ein genauer Blick lohnt. Je nach Linie und Jahreszeit ist die Zuverlässigkeit sehr differenziert zu sehen – keinesfalls sind alle Linien so katastrophal, wie es oft dargestellt wird, noch helfen bahnweite Durchschnittswerte, um die eigene Betroffenheit vorherzusagen.
2.4.7 Perspektiven
Die Zahl der Zugausfälle ist von vielen Faktoren abhängig. Auf der einen Seite gibt es Einflüsse, die diese Zahl nach oben treiben: Deutlich erhöhte Baustellentätigkeit, deutlich steigende Zugzahlen, Einsatz neuer Baureihen mit „Kinderkrankheiten“ oder Lokführermangel sind einige der wichtigsten. Andererseits greifen Maßnahmen wie optimierte Baustellendurchführung, leistungsfähigere Leit- und Sicherungstechnik, punktuell und teilweise auch streckenbezogen größere Spielräume auf der Seite der Infrastruktur und verbesserter Vegetationsschnitt.
Ein Teil dieser Maßnahmen wirkt mittel- bis langfristig, ein Teil umgehend oder kurzfristig. Die größten Auswirkungen sind jeweils lokal auf Ebene von Strecken oder Linien, idealerweise auch regional auf Netzebene zu sehen. Dazu drei Beispiele:
• In München wird derzeit mitten durch die City die zweite Stammstrecke für die S-Bahn gebaut, ein Großprojekt, das unter anderem dafür sorgen soll, die Betriebsqualität für alle S-Bahnlinien mittels zweier zusätzlicher Gleise deutlich zu verbessern. Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit von Zugausfällen deutlich verringert und die Pünktlichkeit verbessert werden. Mit Inbetriebnahme dieses Projekts wird in allererster Linie ein positiver Effekt auf das gesamte Netz der S-Bahn München ausgehen.
Doch auch der Regionalverkehr wird auf einigen Mischverkehrstrecken z. B. Richtung Freising oder Markt Schwaben profitieren, wenn sich das störanfällige und überlastete S-Bahnsystem stabilisiert. Es ist damit zu rechnen, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form, dass benachbarte Knotenbahnhöfe wie Regensburg oder Mühldorf ebenfalls einen Nutzen von der zweiten Stammstrecke haben. Im allerweitesten Sinne könnten auch die durch Regensburg und Rosenheim verlaufenden Fernverkehrslinien einen indirekten Nutzen von einem zuverlässigeren Regionalverkehr haben, doch diese Effekte werden dann kaum noch messbar sein.
• Das Land Baden-Württemberg baut derzeit einen 18-köpfigen Lokführerpool an vier Standorten auf, den die unterschiedlichen Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen im Falle von Lokführermangel nutzen können. Der Nutzen dieses Pools ist auf bestimmte Linien und Standorte begrenzt – zahlreiche Pools wären nötig, um deutschlandweit einen messbaren Effekt bei den Zugausfällen zu erzielen. Doch ohne Zweifel ist jeder einzelne vermiedene Zugausfall ein Fortschritt.54
• DB Regio und die Bayerische Oberlandbahn haben Enteisungsanlagen beschafft, um die Fahrzeugverfügbarkeit zu erhöhen und dadurch winterliche Zugausfälle zu minimieren. Hier ist der Nutzen auf einige Linien und die Winterzeit konzentriert.
Es bedarf also zahlreicher lokal oder regional wirkender Maßnahmen, um deutschlandweit die Zahl der Ausfälle spürbar zu reduzieren, sodass die Zuverlässigkeit insgesamt steigt. Das Schöne an diesen Maßnahmen ist jedoch, dass sie mehrfach positiv wirken, denn sie haben in aller Regel auch einen noch spürbareren Effekt auf die Pünktlichkeit.
Zusammenfassend